Begegnung mit Laetitia Casta:Biff! Pang! Wow!

Sie selbst gilt als Sinnbild französischer Anmut, in "Gainsbourg" spielt Laetitia Casta Nationalheiligtum Brigitte Bardot. Hätte auch ins Auge gehen können. Tut es aber nicht. Eine Begegnung in Paris.

Rebecca Casati

In dem Café Select am Boulevard du Montparnasse hat schon Hemingway regelmäßig seinen Absinth bestellt. Aber im prominentenüberladenen Paris finden solche Informationen eigentlich nur Touristen bemerkenswert. Und nur sie schauen auf, während Laetitia Casta sich zu einem Marmortischchen in einer Ecke schlängelt.

Begegnung mit Laetitia Casta: Laetitia Casta sagt von sich selbst, sie sei eigenlich sehr schüchtern. Als Brigitte Bardot lässt sie in "Gainsbourg" allerdings gekonnt die Hüften kreisen.

Laetitia Casta sagt von sich selbst, sie sei eigenlich sehr schüchtern. Als Brigitte Bardot lässt sie in "Gainsbourg" allerdings gekonnt die Hüften kreisen.

(Foto: AFP)

Lesen Sie hier Auszüge aus einer Begegnung mit der SZ am Wochenende.

Casta ist ein international bekanntes - hier passt sogar mal der ansonsten etwas inflationär gebrauchte Ausdruck: Topmodel. In Frankreich, wo Schönheit als Leistung gilt, ist sie sogar berühmt. Und jetzt kann man sie im Kino in dem Film "Gainsbourg" sehen, wo sie die vielleicht berühmteste, schönste Französin aller Zeiten verkörpert: Brigitte Bardot. Was man sich ja auch erst mal trauen muss.

Von den Franzosen wird Bardot gerne BB genannt, was wie bébé, Baby, klingt. Und was wiederum einiges aussagt über ihre Weigerung anzuerkennen, dass Brigitte Bardot längst das Gegenteil eines entzückenden Wonneproppens ist. Die ältere Dame, die sich in St. Tropez mit lauter Hunden verschanzt hat, mit einem rechtsextremen Politiker liiert war, für Tiere und gegen Einwanderer ist? Das ist eben eine durchgeknallte, verbitterte, ältere Dame, wie auch immer. Ihre BB jedenfalls, gesund und sexy, haben die Franzosen längst in einen ausbruchsicheren Ikonenkäfig gesteckt. Punkt.

In "Gainsbourg", der in dieser Woche auch in Deutschland angelaufen ist, wird das Leben von Serge Gainsbourg erzählt, der Bardots Karriere zu einem Zeitpunkt, als sie ziemlich abgesagt war, mit ein paar Songs neues Leben einhauchte. Zum Dank wurde sie seine Liebhaberin. Oder vielleicht besser: Er wurde ihr Liebhaber, gemäß Bardots Credo: Ich verlasse, bevor ich verlassen werde. Ich entscheide."

Laetitia Casta sieht auf den ersten Blick kein bisschen aus wie Brigitte Bardot. Auch nicht so pralinenschachtelhaft wie auf ihren Werbeplakaten oder Anzeigen. Casta wirkt mit ihren 32 Jahren eher wie eine wohlgeratene Studentin, die sich hobbymäßig für Mode interessiert. An diesem schwülen Pariser Herbsttag trägt sie Jeans, eine dunkelblaue Lederjacke mit ausgestellten Schultern, einen Wollschal und Sandalen mit Keilabsätzen, die sie noch ein bisschen größer machen.

Sie trägt ihr braunes Haar am Hinterkopf zusammengebunden. Ihre Lippen sind übrigens die, die Frauen meinen, wenn sie sich beim Schönheitschirurgen anmelden. Aber Casta lässt sie unbetont. Ihr Auftreten hat nichts Provokatives, eher etwas Indifferentes, Versonnenes. Sie sei, sagt Casta, sehr schüchtern, und das könne nur aufheben, wer eine Kamera auf sie hielte. Model-Mathematik.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum Laetitia Casta ganz genau wusste, wie sie die Bardot spielen muss.

"Verdammt! Ich bin die Schönste"

Seit einigen Jahren ist Casta mehr als nur Model. Sie ist Schauspielerin, und anders als Claudia Schiffer oder Cindy Crawford hat Casta Talent. Der Regisseur Joann Sfar fand das auch. Und unterbreitete ihr bei einem Mittagessen das Angebot, für ihn Bardot zu spielen: "Laut sagte ich: Ja, oh, - wie interessant! Insgeheim dachte ich: keine Chance. Das ist ja so, also wolle jemand Marilyn Monroe spielen: total vermessen."

Als der Regisseur nicht locker ließ, sah Casta, wie sie sagt, nur eine Lösung: "Ich musste Brigitte Bardot anrufen."

Super Idee. Nur - ist denn das der Punkt? Wie kann man sich dazu entschließen, Brigitte Bardot anzurufen, sitzt sie nicht menschenhassend und telefonklingelignorierend in ihrem Landsitz?

"Ich konnte sie jedenfalls anrufen. Weil sie wusste, wer ich war. Nur besuchen ging nicht, denn sie ist sehr krank."

Nun. Zittert einem die Hand, während es bei der nationalen Ikone, die gerade sehr krank ist, klingelt? Wie ist es, wenn man so jemandem erzählen muss, dass man ihn zu spielen gedenkt?

"Schon immer habe ich mich an ihr orientiert. Ob einem da die Hand zittert? Man schlottert, am ganzen Körper. . ."

Versteht Casta nach ihrem Telefonat, warum Gainsbourg Bardot so sehr geliebt hat? "Ja. Er fand sich selber hässlich und langweilig, und diese schöne Frau gab ihm plötzlich ein Gefühl von Wert. Sie war wie eine Bombe. Sie konnte mit den Hüften sprechen. Wie eine Tänzerin ging sie immer auf Zehenspitzen, küsste Gainsbourg auf den Mund - und da wachte er auf. . . ."

Bardot fand Casta als Bardot großartig

Einschüchternd sei Bardot eigentlich nicht gewesen: " Sie hat mich sogar zum Lachen gebracht, sie sagte: ,Wissen Sie was? Damals wusste ich ganz genau, dass ich die schönste Frau der Welt bin, dass jeder mich anstarrt. Also wollte ich dafür auch ein außergewöhnliches Leben und nur die allerbesten Männer haben.'"

Der weit schlimmere Anruf sei übrigens der nach dem Filmstart gewesen; und wieder war die Sorge unbegründet: Bardot fand Casta als Bardot großartig.

Casta kennt die Lieder von Gainsbourg aus dem Radio, wo sie seit Jahrzehnten auf und ab gespielt werden. In Deutschland ist er längst nicht so berühmt, und auch wenn im nächsten Satz jeder Franzose "Frevel!" rufen wird: Manche seiner Chansons, gerade die späteren, lavieren ein bisschen an der Fremdschäm-Grenze. So auch jener, den Casta im Film singt. Er handelt davon, dass ein Mann mit seiner Angebeteten im Comic leben und in Sprechblasen kommunizieren will. Die Melodie klingt wie ein Kinderlied, und während Gainsbourg singt, fiept Bardot arythmisch Comiclaute wie "Biff! Bang! Pow! Whizz!" dazwischen.

"Comic Strip" wurde ein Riesenhit. Und war damals, in den späten Sechzigern, mit Sicherheit auch sonst irre weit vorn. Bardot und Gainsbourg drehten sogar einen Videoclip, obwohl es dieses Genre noch längst nicht gab. Man kann ihn sich heute auf YouTube anschauen. Und sehen: Natürlich war das Ganze albern gemeint. Aber Franzosen sind auf eine so todernste, theatralische Art albern. Oder lag es an den späten Sechzigern?

Casta jedenfalls gelingt es im Film, den Charme dieses Stücks in die Gegenwart zu übersetzen, in einer Szene über die Entstehung des Chansons: Bardot und Gainsbourg in seinem Appartement, er sitzt am Klavier, sie singt und tanzt für ihn, nackt hinter einem weißen Laken, das jede Sekunde zu fallen droht. Eine biographisch nicht belegte Szene, die aber zeigt, wie Bardot war und wie Casta sein kann, wenn eine Kamera auf sie gerichtet ist: kindlich, spontan, sexy - bis auch der Letzte umfällt.

Sie habe ganz genau gewusst, sagt Casta, wie man das spielen müsse: "Brigitte Bardot hat das Kinn hochgereckt und gesagt: "Verdammt! Ich bin die Schönste, ich kriege was und wen ich will!" Ich habe mich in der Szene also so benommen, als wollte ich die ganze Welt um den Finger wickeln: den Mann, den Tisch, das Klavier, die Gardinen, eben alles.

...als wolle sie die ganze Welt um den Finger wickeln

Laetitia Casta sieht zwar aus wie eine Studentin in einer teuren Lederjacke. Aber de facto wird sie in Hubschraubern von Flughäfen abgeholt, auf denen sie mit Privatflugzeugen gelandet ist. Menschen steuern ihretwegen Maschinen, schicken Funksprüche, überweisen Millionensummen, investieren ihr Gehalt in Parfum und Haartönungen. Und all das, weil die Natur entschied, besonders gnädig zu einem kleinen Mädchen aus der Normandie zu sein. Mit 15 wurde sie am Strand von Korsika entdeckt, seitdem gilt sie als Sinnbild französischer Anmut. Ist es manchmal hart, Verwalterin des Themas Schönheit zu sein?

"Natürlich nicht! Ich liebe meinen Job, reisen, die Kameras. Etwas anderes zu sagen, wäre langweilig und unwahr."

Sie gilt heute, wie einst Brigitte Bardot, als eine der schönsten Frauen der Welt. Es muss schwer sein zuzusehen, wie Schönheit und Jugend verblassen?

"Wahnsinnig schwer. Vor allem, wenn man immer nur dafür geliebt wurde. Bardot litt sehr und tut das immer noch. Sie kann ihre alten Filme nicht ansehen, sonst wird ihr schlecht."

Hat sie, Casta, denn keine Angst vor diesem Schicksal?

"Nein. Mein Leben ist komplett anders. Ich kann unterscheiden zwischen Arbeit und Leben. Das konnte Brigitte Bardot nicht. Ich hasse Partys und entziehe mich der Öffentlichkeit, sie musste darin leben. Ich liebe Kinder, sie mochte sie nie. Sie hatte Millionen Männer, ich bin glücklich verheiratet und am liebsten mit meiner Familie zu Hause. . ."

(...)

Kann sein, dass sie ein ähnliches Schicksal ereilen wird wie BB. Vielleicht aber auch nicht. Bardot hat zumindest davor gewarnt, was passiert, wenn man Schönheit und Jugend zu sehr verinnerlicht, ins eigene Bewusstsein sickern lässt, sich ihr sogar verpflichtet: Man entscheidet nicht mehr. Man wird verlassen. Vielleicht hat sie mit dieser Erkenntnis ausgerechnet den Frauen, die sie nie ganz so mochten wie die Männer, einen großen Dienst erwiesen.

Den kompletten Text lesen Sie in der SZ am Wochenende vom 16.10.10

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: