"Baywatch" im Kino:Rettungsschwimmen in der Post-Silikonbrust-Ära

Lesezeit: 4 min

"Baywatch" ist zurück - als Kinofilm. Der Sexismus ist der alte, nur muss er im 21. Jahrhundert ironisch sein.

Von David Steinitz

Das Jahr 1989 brachte der Menschheit den Fall der Berliner Mauer sowie die erste Folge der TV-Serie "Baywatch". Dass David Hasselhoff an beiden Ereignissen beteiligt war, ist natürlich kein Zufall.

Sein Song "Looking For Freedom" wurde zu einer Art Hymne des Mauerfalls, und es gab böswillige Zeitzeugen, die allein deshalb der Meinung waren, dass es mit der Wiedervereinigung kein gutes Ende nehmen würde. Aber der Allround-Entertainer Hasselhoff ließ die Deutschen und überhaupt alle Freiheitsliebenden mit seinem Lied ja nicht allein. Nein, er führte der Welt in "Baywatch" auch noch persönlich vor, was für ein Freedom genau da eigentlich gesucht werden sollte: Es ging selbstverständlich um die Freiheit, eine rote Badehose tragen zu dürfen, wann immer man wollte.

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:The Hoff und The Rock am Strand von Malibu

David Hasselhoff besucht das Set vom neuen "Baywatch" Film - und karikiert sich damit selbst.

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In seiner Rolle als Rettungsschwimmer Mitch Buchannon zeigte Hasselhoff, dass Bademeister in Malibu der schönste Beruf überhaupt ist, und freiheitssuchende Fernsehzuschauer auf allen Kontinenten dankten es ihm mit Einschaltquoten, die "Baywatch" über elf Staffeln und 243 Folgen zu einer der erfolgreichsten Serien aller Zeiten machten. Im Post-Silikonbrustzeitalter kann man sich das nur noch schwer vorstellen, aber "Baywatch" war tatsächlich mal eine verlockende Verheißung. Weil man an einem verregneten deutschen Neunzigerjahre-Sonntag den Fernseher einschalten konnte und da plötzlich ein weißer südkalifornischer Strand mit seinen Palmen und seiner Strandpromenade und seinen eingeölten Bewohnern ins schnöde Wohnzimmer kam, so exotisch wie Fabelwesen aus einem fernen Fantasien.

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Worum es ging, war vollkommen egal, und in der Regel ging es auch um nichts. Schon die Pilotfolge "Panik am Pier" ist so handlungsarm, dass eigentlich kein Drehbuchautor beteiligt gewesen sein kann, sie ist ein Lehrstück der dramaturgischen Entschleunigung. Dafür glänzten aber umso begabtere Stranddekorateure und Badeanzugschneider, die mit ihrer Kunst ein wohliges Capri-Eis-Gefühl im Kopf auslösten. "Baywatch", das war mit einer Sonnen-Ästhetik irgendwo zwischen Softporno und MTV-Look die perfekte Lahmlegung des Verstandes, abgesegnet vom Umstand, dass in den Neunzigern Sexismus und Hautkrebs eher noch Fremdworte waren.

Die Selbstkannibalisierung Hollywoods grassiert. Das Remake war also nur eine Frage der Zeit

In dieser Woche kommt nun, gut eineinhalb Jahrzehnte nach dem Ende der Serie, ein "Baywatch"-Remake ins Kino, was im Zuge der Selbstkannibalisierung der amerikanischen Unterhaltungsindustrie wohl nur eine Frage der Zeit war. Aber diese neue Version hat einen ganzen Haufen an künstlerischen, nun ja, Herausforderungen zu bewältigen.

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Erstens gilt es heute allgemein nicht mehr als künstlerische Meisterleistung, wenn der dramaturgische Höhepunkt einer Geschichte darin besteht, dass ein im Strandgewusel verloren gegangenes Kind von einer Rettungsschwimmerin zu seiner Mutter zurückgebracht wird. Zweitens gilt es als verpönt, wenn sowohl die Rettungsschwimmerin wie auch die Mutter und überhaupt alle Frauenrollen mit Schauspielerinnen besetzt werden, die Silikonbrüste von der Größe atomar veränderter Wassermelonen haben. Und drittens gilt im Zwinkersmiley-Zeitalter auch für Hollywoodfilme, dass sie sich selbst auf keinen Fall zu ernst nehmen dürfen - die Serie "Baywatch" aber besaß die Selbstironie eines Surfbretts.

Der Regisseur Seth Gordon, der zuvor sympathischen Klamauk wie die Komödie "Kill The Boss" gedreht hat, musste die Wiederbelebung also unter den neuen Rahmenbedingungen einer Unterhaltungsindustrie angehen, die sich grundlegend verändert hat. Mit der Besetzung hat er schon mal nichts falsch gemacht: Dwayne "The Rock" Johnson spielt den neuen Chef-Bademeister und Hasselhoff-Wiedergänger mit einem Testosteron-Stoizismus, der seinesgleichen sucht. Der Mann ist als wandelndes Muskelgebirge prädestiniert für diese Rolle.

Auch Zac Efron und Alexandra Daddario als Nachwuchsrettungsschwimmer sind nicht nur hübsch anzusehen, sondern besitzen zumindest ein schauspielerisches Grundtalent, das in der Serie oft gefehlt hat. Und damit die Nostalgie nicht zu kurz kommt, haben alle neuen Charaktere die Namen der alten, von deren damaligen Darstellern einige wiederum Gastauftritte bekommen, darunter Hasselhoff und Pamela Anderson.

Allein, es nützt nichts. Die laue Handlung, in der die Strand-Crew einer lokalen Verbrecherbande auf die Spur kommt und eine lateinamerikanische Drogenbaronin mit allerlei Wasser-Stunts außer Gefecht setzt, könnte man vielleicht noch verschmerzen. Aber dieses Remake hat ein Problem, mit dem gerade fast ganz Hollywood kämpft und das im Gewand der roten Badeanzüge besonders deutlich wird: Große Teile der amerikanischen Filmindustrie verdankten ihre Einkünfte über Jahrzehnte der Tatsache, dass sie alle sexistischen Gelüste, Stereotype und Klischees bedienten, die der westliche Zuschauer so in seinem Kopf zementiert hatte.

Entweder man erregt den Zuschauer oder man belehrt ihn. Beides zugleich ist nicht möglich

Seit man aber mit einer Mischung aus Faszination und Fassungslosigkeit auf die Zeit zurückblickt, in der ein James-Bond-Lüstling wie Roger Moore, oder ein Badehosenphilosoph wie Hasselhoff zu Filmhelden aufsteigen konnten, ist damit Schluss. Hollywood versucht auf die neuen Zeiten zu reagieren, indem es alles, was heute als sexistisch gilt, zwar weiterhin bedient, es aber gleichzeitig karikiert, um es zu legitimieren. Das Ergebnis sind vollkommen schizophrene Blockbuster, die dem Zuschauer Brüste und Bizeps zwar zeigen, aber gleichzeitig mitteilen, dass diese Verführungsstrategien total blöd sind.

Der Autor und Künstler Robert Gernhardt hat einmal geschrieben, dass es keinen ironischen Orgasmus gibt. Das bringt das Problem eines Films wie "Baywatch" auf den Punkt. Auch ironischer Sexismus ist ein Widerspruch in sich. Entweder man will den Zuschauer erregen oder man will ihn belehren, aber es ist kaum möglich, beides gleichzeitig zu tun.

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In "Baywatch", Version 2017, sieht das dann zum Beispiel so aus: Die Protagonisten machen sich gemeinsam darüber lustig, dass eine der Rettungsschwimmerinnen immer in Zeitlupe zu laufen scheint, damit man in Ruhe ihre wippenden Brüste betrachten kann. Damit der Witz funktioniert, muss man natürlich die wippenden Brüste in Zeitlupe zeigen. Und die Brüste stecken dann auch noch in einem roten Badeanzug, der vorne mit einem Reißverschluss versehen ist, der weit nach unten gezogen ist.

Wie Über-Ich und Es diesen Spagat aus plumpester Verführungsmechanik und gleichzeitig mitgelieferter Selbstkasteiung bewältigen sollen, ohne dass der Zuschauer sich doppelt betrogen fühlt, wird vom Film allerdings nicht aufgeklärt.

Die große Leistung des David Hasselhoff bestand einst darin, dass er Sätze wie "wenn du genug Hühnchen isst, könnte aus dir ein guter Rettungsschwimmer werden" aussprechen konnte, ohne zu lachen, während sich um ihn herum ein paar blonde Strandnixen den Sand aus dem Bikini duschten. Die große Kulturleistung der Menschheit besteht darin, dass sie diesen Spaß genossen hat, solange er währte, sich seitdem aber zumindest ein bisschen weiterentwickeln konnte. Auch wenn das bedeutet, dass die rote Badehose ihren Zauber verloren hat.

Baywatch , USA 2017 - Regie: Seth Gordon. Buch: Damian Shannon, Mark Swift. Kamera: Eric Steelberg. Schnitt: Peter S. Elliot. Mit: Dwayne Johnson, Alexandra Daddario, Zac Efron, Priyanka Chopra, Kelly Rohrbach. Paramount, 116 Minuten.

© SZ vom 31.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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