Bayreuther Festspiele:Hügel der Leidenschaften

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Zorn und Verehrung liegen dicht beieinander - vor allem in Bayreuth.

Von Andrian Kreye

Fährt man nach Bayreuth, den Grünen Hügel hinauf, auf den schlichten Theaterbau zu, auf dem mehr Weltgeltung, mehr Musik- und Zeitgeschichte lasten als auf jedem anderen Opernhaus, ist man erst einmal enttäuscht. Besonders schön ist er nicht. Es dauert ein wenig, um zu begreifen, warum sich die Leidenschaften an diesem Ort immer wieder so heftig entzünden, an dem ausschließlich die Opern Richard Wagners gespielt werden.

Doch mit allsommerlicher Regelmäßigkeit flackern Begeisterung und Zorn rund um den Hügel auf. Das erfasst einen schnell. Spätestens wenn man in den "mythischen Abgrund" steigt, jenen tiefen Orchestergraben, in dem die Musiker und ihr Leiter dann in der schweren Hitze des Sommers den ganzen Furor der Wagnerschen Werke entfesseln. Spätestens wenn man für einen unbeobachteten Moment auf diesem kargen Holzstuhl Platz nimmt, auf dem schon Wilhelm Furtwängler saß, Herbert von Karajan, Karl Böhm, Daniel Barenboim, derzeit Christian Thielemann und Kirill Petrenko. Dann ahnt man, ja doch, hier geschieht Großes.

Überschattet von Machtkämpfen

Es sind aber nicht nur die Musik, die solche Verehrung entfacht und die kühnen Inszenierungen, die so viel Zorn auf sich laden. Immer wieder dringen Geschichten vom Kampf um den Hügel nach draußen. Der begann gleich nach dem Tod Wolfgang Wagners vor fünf Jahren, dem Enkel des Komponisten, der die Festspiele seit Kriegsende geführt hatte. Nun leiten seine Töchter Katharina und Eva das Haus. Niemand weiß, ob und wie sie sich vertragen. Sie tun es gegen den Willen ihrer Cousine Nike, die schon den Stil ihres Onkels Wolfgang nicht mochte. Dazu kamen in diesem Jahr Machtkämpfe um das höchste Dirigentenamt der Welt, das der Berliner Philharmoniker, für das die beiden Wagnerdirigenten Christian Thielemann und Kirill Petrenko so geeignet waren, und das nun Petrenko bekam. Das wirkt oft nicht wie Oper, sondern wie ein Intrigantenstadel.

Und doch wird nichts mehr eine Rolle spielen, wenn Christian Thielemann am Abend des 25. Juli den Taktstock hebt und das Orchester das Vorspiel von "Tristan und Isolde" anstimmt. Dann zählt nur noch, ob die Musik wieder die Herzen erreicht, so wie es Wagner sich dachte. Und darauf warten wie jedes Jahr Menschen in Scharen. Weil sie hoffen, hier ihre Leidenschaft zu finden.

Viele Wochen haben die Redaktionen des Feuilletons und der Onlineausgabe auf den Spuren dieser Leidenschaft verbracht. So sind nun ein ganzes Feuilleton und ein großer Digitalauftritt entstanden, den Sie auf sz.de/bayreuth finden.

© SZ vom 25.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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