Bayreuther Festspiele 2014:Per Mausklick ins Festspielhaus

Zehn Jahre treues Bestellen muss man warten, bis man als Wagner-Begeisterter seine erste Karte für den Hügel bekommt? Lange hielt sich dieses Gerücht. Inzwischen gibt es Neuerungen bei der Ticketvergabe - alle, die "mal nach Bayreuth" wollen, haben gute Chancen.

Von Michael Stallknecht

Wenn an diesem Freitag um 16 Uhr in Bayreuth der Vorhang aufgeht und der Tannhäuser wieder einmal seine Liebesprobleme besingt, dann ist das der Auftakt zu Festspielen ohne Premiere. Das aber ist nichts Besonderes, sondern üblich in Jahren nach einer Neuinszenierung des "Rings", sind doch nach solch einem Mammutunternehmen Kräfte und Finanzen erschöpft.

Dennoch gibt es Neues aus Bayreuth zu melden. Hielt sich doch lange das Gerücht, dass es zehn Jahre treuen Bestellens brauche, bis der Wagner-Begeisterte überhaupt seine erste Karte für die Festspiele erhalte. Besonders Wolfgang Wagner, der die Festspiele bis 2008 leitete, erzählte diese Geschichte gern.

So war es eine Art Götterdämmerung, was sich in der vergangenen Woche auf der Homepage der Bayreuther Festspiele abspielte: Für den "Ring des Nibelungen", den Regisseur Frank Castorf zusammen mit Dirigent Kirill Petrenko im Vorjahr zu Richard Wagners 200. Geburtstag herausgebracht hat, konnte man noch problemlos Karten kaufen. Wer dort die Chance verpasst hat, der kann es beim Onlineauktionshaus Ebay versuchen. Dort sind noch viele Karten für die Eröffnung der Festspiele zu haben. Beobachtern war schon in den vergangenen Jahren aufgefallen, dass die "Suche Karte"-Schildchen vom Grünen Hügel fast verschwunden sind.

Auf Ebay werden Bayreuth-Karten bereits für einen Euro angeboten

2011 machte eine Rüge des Bundesrechnungshofs öffentlich, dass nur 40 Prozent der Karten in den freien Verkauf gegangen waren. Bei vielen Kunden wusste man offensichtlich nicht einmal im Festspielbüro, warum sie regelmäßig Karten erhielten und andere nicht. Inzwischen sind manche Sonderkontingente gestrichen worden. Laut einem Interview, das der kaufmännische Geschäftsführer Heinz-Dieter Sense kürzlich dem Fränkischen Tag gab, hat sich die Zahl der frei verkäuflichen Karten seit 2008 verdoppelt.

Für diesen Sommer haben die Festspiele zudem erstmals mit einem Onlineverkauf experimentiert. In elf Vorstellungen werden fast nur Menschen sitzen, die ihre Karten ganz ohne Wartezeit erworben haben. Das sind immerhin 14 000 der insgesamt 58 000 Karten.

Das ältere Bayreuth war im Grunde eine vorkapitalistische Enklave. Wer Eintritt suchte, begehrte die Teilhabe an einem Ritual. Viele Besteller wollten schlicht "mal nach Bayreuth". Zu diesem Ritual gehörte auch der Schwarzmarkt, der über Annoncen in Tageszeitungen und rund um den Grünen Hügel stattfand. Das Doppelte bis Vierfache des Kartenpreises sei für alle Karten üblich gewesen, berichtet ein Insider. Doch inzwischen sei der Markt fast zum Erliegen gekommen. Bei Katharina Wagners eher matter Inszenierung der "Meistersinger von Nürnberg" seien die Schwarzmarktpreise im dritten Jahr erstmals unter die Originalpreise gerutscht. Inzwischen lohne sich das Geschäft eigentlich nur noch in der Premierenwoche.

"Es ist einfach kein so großer Bedarf mehr da", sagt Holger Miebach, der den Online-Anbieter Ticketpool betreibt. Bei Veranstaltern wie ihm, die Karten gegen Aufpreis weiterverkaufen, kann man Tickets noch für quasi alle Vorstellungen bekommen. Auf Ebay fordern viele Anbieter dagegen nicht mehr als den Originalpreis. Wer es dennoch versucht, merkt meistens an, dass er auch mit einem Preisvorschlag zufrieden wäre. Andere beginnen mit dem Mindestgebot von einem Euro, um ihre Karten in jedem Fall loszuschlagen. Besonders der "Tannhäuser" scheint sich als Ladenhüter zu erweisen. Dass er am 12. August live im Kino übertragen wird, verschärft die Situation.

Dennoch sind die Karten für das Festspielhaus noch immer mehrfach überbucht, von insgesamt 360 000 Anfragen in diesem Jahr spricht Heinz-Dieter Sense in dem zitierten Interview. Doch zugleich klagt er auch über ein neues "Eventpublikum", das die Vorstellungen manchmal schon nach dem ersten Akt wieder verlasse. Klar ist: Je mehr sich Bayreuth als modernes Unternehmen präsentiert, desto mehr hält auch der mündige Kunde Einzug. Der sucht nicht mehr nach mystischer Teilhabe, sondern will bestimmte Vorstellungen sehen - und andere eben nicht.

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