Bayreuther Festspiele:Neue Doppelspitze der Halbschwestern

Die Entscheidung ist gefallen: Katharina Wagner und ihre Halbschwester Eva Wagner-Pasquier lösen ihren Vater Wolfgang als Leiter der Bayreuther Festspiele ab.

Katharina Wagner und ihre Halbschwester Eva Wagner-Pasquier treten die Nachfolge ihres Vaters Wolfgang Wagner in der Leitung der Bayreuther Festspiele an. Dafür hat sich am Montag der Stiftungsrat der Richard-Wagner- Festspiele, die als das weltweit bedeutendste Opernfestival gelten, ausgesprochen.

Bayreuther Festspiele: Katharina Wagner (links) und ihre Halbschwester Eva Wagner-Pasquier: Die Gestaltungsmacht auf dem Grünen Hügel bleibt in den Händen der Familie Wagner.

Katharina Wagner (links) und ihre Halbschwester Eva Wagner-Pasquier: Die Gestaltungsmacht auf dem Grünen Hügel bleibt in den Händen der Familie Wagner.

(Foto: Foto: AP)

Beworben hatten sich auch Nike Wagner (63), eine Tochter des 1966 gestorbenen Festspielleiters Wieland Wagner, zusammen mit dem international renommierten Kulturmanager und Intendanten Gérard Mortier.

Nike Wagner sprach in einer ersten Erklärung von einer "befremdlichen Prozedur". Sie sei traurig über den Ausgang des Verfahrens, habe aber auch die Hoffnung, "dass meine Cousinen die Anregungen von Gérard Mortier und mir aufgreifen. Ich wünsche ihnen dabei viel Erfolg".

Kein Vertrag auf Lebenszeit

Der Familienstamm Wieland Wagners wollte sich nach Angaben des Wieland-Sohnes und Bruders von Nike, Wolf Siegfried Wagner, nicht an der Abstimmung beteiligen. Mit den beiden Urenkelinnen Richard Wagners sollen jetzt Vertragsverhandlungen aufgenommen werden.

Anders als noch bei ihrem Vater wird es keinen Vertrag auf Lebenszeit mehr geben. Gleichzeitig gehen die bisher von Wolfgang Wagner gehaltenen Gesellschafteranteile der Bayreuther Festspiele GmbH zu gleichen Teilen an den Stiftungsrat über, in dem unter anderem der Bund, der Freistaat Bayern, die Stadt Bayreuth und ein privater Förderkreis vertreten sind. Eigentümerin des Festspielhauses ist die 1973 errichtete Richard-Wagner-Stiftung.

Der am vergangenen Samstag 89 Jahre alt gewordene und gesundheitlich angeschlagene Wolfgang Wagner war mit dem Ende der diesjährigen Bayreuther Festspiele Ende August nach 57 Jahren zurückgetreten.

Er hatte die 1876 begründeten Festspiele, die auch als "Mutter aller Festspiele der Neuzeit" bezeichnet werden, bis 1966 gemeinsam mit seinem Bruder Wieland geleitet.

Künstlerische Qualität soll steigen

Das teils dramatische, teils groteske Ringen um die Nachfolge des Bayreuther Festspielleiters Wolfgang Wagner ist mit der Entscheidung für Katharina und Eva beendet. Fast alle dürften nach Entscheidung vom Montag zufrieden zu sein, nur Nike Wagner nicht. Ihr bleibt lediglich die Rolle der Zuschauerin.

Ihre beiden Cousinen Eva Wagner-Pasquier (63) und Katharina Wagner (30)dürfen künftig das weltweit renommierte Kulturunternehmen führen. Beide wollen die Festspiele behutsam reformieren, planen aber keine großen Änderungen, geschweige denn revolutionäre Neuerungen.

Ziel ihres am Montag vor dem Stiftungsrat präsentierten Konzeptes mit dem Titel "Zukunft Bayreuth" ist es, die künstlerische Qualität der Festspiele zu steigern und die mediale Vermittlung und Vermarktung zu verbessern.

"Was im Bayreuther Festspielhaus zu hören und zu sehen ist, soll der Inbegriff und Maßstab für die musikalische und szenische Deutung von Richard Wagners Musikdramen sein", heißt es in dem neunseitigen Papier.

Der Spielplan soll auch künftig auf die zehn von Richard Wagner selbst für festspielwürdig erklärten sechs Einzelwerke und den "Ring des Nibelungen" beschränkt bleiben. Bei der Sicherung der musikalischen Qualität soll Hausdirigent Christian Thielemann als Berater helfen.

Gudruns Einfluss behindert Nachfolge-Lösung

Der Entscheidung des Stiftungsrates am Montag war ein Bühnenstück von Wagnerschen Dimensionen vorausgegangen. Die Hauptrolle in dem Familiendrama in mehreren Akten mit einer fast siebenjährigen Pause spielten Wolfgang Wagner und seine Frau Gudrun.

Der letzte Akt begann Ende November mit dem plötzlichen Tod von Wagners zweiter Ehefrau Gudrun. Sie hatte 1976 Wolfgang Wagners Tochter Eva vom "Grünen Hügel" gejagt.

Mit dem zunehmenden Alter ihres Mannes galt die dominante Mutter von Katharina als die eigentliche Herrin im Festspielhaus. Nur für sie und mittelfristig für die gemeinsame Tochter wäre der Prinzipal 1999 bereit gewesen, von seinem lebenslangen Vertrag als Festspielleiter zurückzutreten. Schon damals hatten sich auch Eva Wagner-Pasquier und Nike Wagner beworben.

Im Herbst 2000 bezichtigte Wagner seine Tochter Eva der Unfähigkeit und erklärte die Debatte um seine eigene Nachfolge für beendet. Der folgende Machtkampf zwischen Wagner und dem Stiftungsrat - insbesondere in der Person des damaligen bayrischen Kunstministers Hans Zehetmair (CSU) - hatte teils operettenhafte Züge.

Zehetmair warf Wagner damals Unbeweglichkeit und Starrsinn vor. Der Alte giftete zurück, der Minister inszeniere ein Kesseltreiben gegen ihn, das ungute Assoziationen wecke. Der wiederum konterte: "Die jüngsten, reichlich bizarren Äußerungen von Wolfgang Wagner gehören nach Wortwahl und Inhalt eher in die Abteilung Rumpelstilzchen, sie regen aber ansonsten niemanden auf."

Der Stiftungsrat stand vor einem Scherbenhaufen. Ungeachtet dessen kürten die Vertreter der Zuschussgeber Ende März 2001 einstimmig Eva Wagner-Pasquier zur neuen Festspielchefin und forderten den "Alten" auf, zurückzutreten.

Überraschendes Engagement von Provokateuren

Doch die Politiker bissen sich an dem fränkischen Dickschädel die Zähne aus. Der Enkel Richard Wagners saß auch diese brenzlige Situation aus. Eva Wagner-Pasquier resignierte und zog ihre Bewerbung zurück. Auch die Drohung des Stiftungsrates, Wagner einen "Notgeschäftsführer" zur Seite zu stellen, fruchtete nicht.

Der damals 82-Jährige nutzte das Stillhalteabkommen, präsentierte selbst mit dem Münchner Staatsintendanten Klaus Schultz einen künstlerischen Berater, der im Falle des Falles die Geschäfts in seinem Sinnen weiterführen sollte. Und er verpflichtete - auch wohl als Reaktion auf den Vorwurf künstlerischen Stillstands - überraschend den Theaterprovokateur Christoph Schlingensief für den neuen "Parsifal" 2004 sowie Lars von Trier für den neuen "Ring" 2006.

Der exzentrische dänische Filmemacher, Vorreiter der sogenannten Dogma-Filmbewegung, trat später von seinem Bayreuther Vertrag zurück. Der Theaterroutinier Tankred Dorst ersetzte ihn.

Abermals vergingen an die sieben Jahre. Wenige Wochen vor dem Tod ihrer Mutter präsentierte Katharina Wagner im November 2007 ihre Bewerbung mit dem "Hügel"-Dirigenten Christian Thielemann.

Der tragische Tod von Gudrun Wagner war ein Schicksalschlag für Wolfgang Wagner und eine gute Fügung für den Stiftungsrat. Er ebnete den Weg zur Versöhnung zwischen Vater und Tochter Eva und schließlich zur gemeinsamen Bewerbung der beiden Halbschwestern. Am 8. April 2008 signalisiert der altersschwache Wagner seine Bereitschaft zum Rücktritt und schlägt seine beiden Töchter als geeignete Nachfolgerinnen vor.

Die Erleichterung war den Mitgliedern des Stiftungsrates deutlich anzusehen. Nachdem endlich der Weg frei war für ihre Favoritin Eva Wagner-Pasquier im Verbund mit Katharina, wollte und konnte sich der Stiftungsrat auch durch die kurzfristige Bewerbung von Nike Wagner mit Gérard Mortier nicht aus dem Konzept bringen lassen.

Die Tragikomödie um die Nachfolge Wagners schließt mit einem Happy End für den Alten und seine beiden Töchter. Es gibt nur eine Verliererin: Nike Wagner, die bis zuletzt vergeblich versucht hatte, das Tandem zu spalten und Eva Wagner-Pasquier auf ihre Seite zu ziehen.

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