"Bauhaus Award":In der Stadt der Armen

Wozu überhaupt noch bauen, wenn Jugendliche mit "Migrationshintergrund" die Nächte mit ihrem BMW an der Tanke durchmachen? Ein Wettbewerb gegen die Wohnungsnot.

Günter Kowa

In ihrer Janusköpfigkeit planten die Architekten der Moderne ebenso gerne schneeweiße Villen wie den "Wohnungsbau für das Existenzminimum". Als er Bauhaus-Direktor wurde, ging Hannes Meyer sogar beispielhaft voran und zog aus dem Direktorenhaus seines Vorgängers Gropius in eines der Laubenganghäuser um, die er für Dessauer Arbeiter entworfen hatte. Sein Nachfolger Omar Akbar hat sich zwar kein Domizil im Plattenbau gesucht, aber er hat den alle zwei Jahre an junge Talente vergebenen "Bauhaus Award" der "Aktualisierung der Moderne" gewidmet, die er der Stiftung Bauhaus inhaltlich verordnet hat.

So ging es im jüngst entschiedenen Wettbewerb um Lösungen für die "Wohnungsnöte" von heute. Von 100 Einsendern waren zehn im Rennen geblieben, und die schauten das Thema aus allen erdenklichen Blickwinkeln an, nur nicht nach den Maßgaben des Sozialen Wohnungsbaus.

Das war den Juroren ein Dorn im Auge, aber Schlafsilos partout anders zu bauen als seinerzeit die Neue Heimat scheint keinen Architekten zu interessieren. Wozu überhaupt noch bauen, meinte der in Leipzig ansässige Dokumentarfilmer Roozbeh Asmani? Der sieht die Jugendlichen aus dem "Migrationshintergrund" herauskommen und im BMW an der Tankstelle vorfahren. Da unterhalten sie sich nächtelang über das häusliche Elend, dem sie entrinnen wollen.

Übel der Maßlosigkeit

Er bekam dafür keinen Preis, ebenso wenig wie der Osloer Architekt Sami Rintala, der dem Übel der Maßlosigkeit den Exorzismus der "städtischen Höhle" entgegensetzt: In einer Box von weniger als 20 Quadratmetern klettert man auf Leitern in die Küche und ins Schlafzimmer. Wem das zu beklemmend ist, der kann sich die Anleitung zum Bau eines "Husly" aus Euro-Paletten besorgen, mit dem das norwegische Künstlerpaar Johannes Franciscus de Gier und Vigdis Haugtro eine Anerkennung holten.

6000 gesponserte Euro ist der erste Platz wert, und wer wird es den Juroren verübeln, dass sie den Beitrag prämierten, der von Hannes Meyer persönlich zu stammen schien? Das deutsche Architektenduo Ralf Pasel und Frederik Künzel zeigte Fotos von den "Viviendas", die sie im chilenischen Temuco errichten - mit 300 000 Einwohnern keine Megastadt, aber eine mit rasantem Wachstum.

Der spielt sich überwiegend in den Slums ab. Was die Architekten dem entgegenstellen, sieht auf den ersten Blick wie eine planmäßige Reihenhaussiedlung aus - aber die besteht nur aus dem Rückgrat von dreistöckigen Häusern. Die knapp anderthalb Meter tiefen Einheiten enthalten eine Treppe, kleine Bäder und alle Versorgungskanäle - und sind nach vorne offen. Was die künftigen Eigentümer dort andocken, bleibt ihnen überlassen.

Küche, Bad, Klo - mehr nicht

Dass die Armen ganze Städte auch ohne Architekten bauen können, beweisen die kanadische Architektin Rufina Wu und der deutsche Fotograf Stefan Canham. Ihr Buchprojekt über den Dschungel informeller Siedlungen auf den Dächern der Hochhäuser von Hong Kong kam auf den dritten Platz.

Die Raumeinheit von "Küche, Bad und Klo" ist dort der akzeptierte Lebensstandard. Der dürfte ein anderer sein als jener ästhetisierte Minimalismus, mit dem der japanische Architekt Jo Nagasaka auf den zweiten Platz kam. In der Stadt Sayama hat er einen Wohnblock "dekonstruieren" lassen. Mit dem Herausnehmen einiger Wände entstehen hellere Wohnungen - im Rohbau-Zustand. Angeblich sind die Mieten niedrig, aber Minimalisten mag's gefallen.

Die Obdachlosen, diese eigentliche Zielgruppe der Preisaufgabe, wurden in Berlin ausfindig gemacht: Katja und Steffi Hoffmann bekamen eine Anerkennung für einen Stadtführer zu den Suppenküchen, Notunterkünften und eintrittsfreien Museen. Den Berliner Sparkommissar Thilo Sarrazin entzücken müsste auch die Idee der Architekturstudentinnen Astrid Smitham und Tilla Baganz, die in den Berliner Freibädern Potential für Winterschlafstätten entdecken - aber dass sie sie dafür gleich komplett neu bauen wollen, war nicht im Sinne der geforderten Bescheidenheit.

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