Zerstörter Basar von Aleppo:Letzter Fundort für Bilder aus 1001 Nacht

Alles, was Sinne und Kameras sich wünschen konnten: Der Basar von Aleppo war vor dem Großbrand am Wochenende der größte und schönste der islamischen Welt. Er ist bereits die fünfte von sechs Weltkulturerbe-Stätten in Syrien, die vom Bürgerkrieg erfasst wurden.

Rudolph Chimelli

File photo of people walking through Al-Madina Souq market in Aleppo

Bilder wie aus 1001 Nacht: Der Souk von Aleppo galt als schönster Basar der islamischen Welt. Bis ihn der syrische Bürgerkrieg erfasste.

(Foto: REUTERS)

Der gedeckte Basar von Aleppo war der schönste zwischen Istanbul und Isfahan. Er kann es vielleicht wieder werden, denn seine Gewölbe bestehen überwiegend aus Stein und Mauerwerk. Das Feuer, das ihn am vergangenen Freitag während der Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen erfasste und das am Wochenende immer noch nicht erloschen war, ist nicht das erste in seiner vielhundertjährigen Geschichte. Die Flammen zerstörten auch diesmal, was leicht brennbar war: die hölzernen Türen der Geschäfte sowie die drinnen gestapelten Textilien, Lederwaren, Lebensmittel, Gewürze, auch Öle zur Bereitung der berühmten Aleppo-Seife und Papiere. Zwischen 700 und 1000 Läden sollen nach nicht zu verifizierenden Berichten aus der Stadt, welche die Unesco nicht zuletzt wegen ihres Basars zum Weltkulturerbe erklärt hatte, zerstört sein.

Seit dem sechzehnten Jahrhundert, als die Osmanen die Stadt in Besitz nahmen, hatte sich das Bild des "Souk", so das arabische Wort für Basar, kaum mehr verändert. Seine Bedeutung hatte Aleppo mit seinen heute 2,5 Millionen Einwohnern immer dem Handel und seinen Märkten zu danken. Hier kreuzten sich die Karawanenwege, die vom Mittelmeer in östlicher Richtung nach Mesopotamien, Persien und Indien reichten sowie gleichzeitig vom Anatolischen Hochland und vom Kaukasus nach Arabien. In den Höfen der vierzig Karawansereien, eines wesentlichen Bestandteils des Souks, lagern keine Kamele mehr. Aber sie dienen auch unter modernen Wirtschaftsformen als Warenlager, so weit sie nicht Kontore und Werkstätten geworden sind. Kupferschmiede dengeln, Schreiner sägen und leimen, Seifensieder kochen, nur die Gerber sind wegen des Gestanks längst an den Rand der Altstadt gedrängt worden.

So war es bis gestern. Denn der historische Kern von Aleppo war vom Bürgerkrieg lange Zeit fast völlig verschont geblieben. Die Kämpfe spielten sich vor allem in Außenbezirken ab. Nachdem der Bürgerkrieg vor zwei Monaten auch die nördliche Metropole Syriens erfasst hatte, versuchten Aufständische einmal, die Zitadelle einzunehmen, die den Basar vierzig Meter hoch überragt. Dabei wurde zwar ihr steinernes Monumentaltor zerstört, aber es wäre nun nicht das erste Mal, dass es restauriert werden müsste. Das letzte Mal sorgte dafür vor einem Jahrzehnt der Aga Khan. Auf der Zitadelle sitzen Angehörige der Regierungstruppen. Ihre Scharfschützen feuern hinab in die Stadt, auch in den nahen Basar, was nach Angaben der Rebellen die Löscharbeiten behindert. Ohnehin sollen die Behörden das Wasser abgestellt haben. Wer den Brand verursacht hat, ist nicht festzustellen. Beide Seiten schieben sich die Schuld zu.

Für Touristen, die im Nahen Osten nach Bildern aus Tausendundeiner Nacht suchen, war der Basar von Aleppo eine der letzten Fundstellen. Allein schon die Straße der Gewürzhändler, der Souk al-Attarin, bot alles, was Sinne und Kameras sich wünschen konnten: bunte Pfefferschoten, Gelbwurz, Tee und Kaffee, rote und gelbe Linsen, weißer Reis, getrocknete Rosenblätter, Tabak, Essenzen und Parfums schufen eine Vielfalt der Farben und Düfte. Die Stände der Metzger sahen aus, als hätte sie Breughel gemalt. Geschlachtet und geschnitten wurde noch wie in biblischen Zeiten. Das einst hochwertige syrische Handwerk freilich war im letzten Jahrzehnt von ostasiatischer Billigware verdrängt worden. Immer hatte es zum Reiz der Handelsstadt gehört, offen für Einflüsse des Abendlandes und ferner Kulturkreise zu sein. Starke armenische und andere christliche Minderheiten lebten in Harmonie mit einem Islam, der weitherziger war als in Damaskus. Es ist bis heute die Stadt der Konsuln. Schon 1548 hatten die Venezianer als erste eine Vertretung eröffnet, die Franzosen folgten 1562, die Engländer 1583.

In Syrien gibt es sechs historische Stätten, die zum Weltkulturerbe gehören. Die Altstadt von Aleppo ist nun deren fünfte, die vom Bürgerkrieg erfasst wurde. Schäden haben auch Palmyra erlitten, Apamea, der Crac des Chevaliers und einige Viertel des alten Damaskus.

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