Bandwettbewerb:Brachiale Lärmattacken

Lesezeit: 3 min

Die Post-Punk-Band "Endlich Rudern" gewinnt das Sprungbrett-Finale im Feierwerk

Von DIRK WAGNER, München

Sexistische Trinksprüche sind niemals witzig, sondern dumm und in der Mehrzahl frauenfeindlich. Wenn zudem eine Frau, wie auf dem Sprungbrett-Finale geschehen, sich als Mitglied einer Band erlebt, in der ein Mitstreiter eine Spielpause auf der Bühne mit solch einem dummen Spruch zu verkürzen sucht, darf sie sich ruhig persönlich angegriffen fühlen. Sie sollte sich sogar überlegen, ob sie wirklich derlei Altherren-Witze ertragen mag. Denn auch das kann der Tournee-Alltag einer Musikerin sein, wenn sie dem nicht rechtzeitig vorbeugt. Weil die hier gemeinte Band aber eine von vier großartigen Formationen ist, die ihre Karriere absehbar noch vor sich hat, soll ihr Name an dieser Stelle wohlwollend verschwiegen werden. Gleichwohl die Mahnung natürlich gilt. Im Übrigen auch für das Publikum. Denn auch das sollte sich überlegen, ob das Feierwerk der geeignete Ort ist, um über derlei unverschämte Ansagen zu jubeln. Denn eigentlich wirkt das Feierwerk jeder Form von Ausgrenzung entgegen. Dazu gehören neben Rassismen und Fremdenfeindlichkeiten eben auch Sexismen.

Auffällig viele Frauen sind darum entgegen einer oft behaupteten Männerdominanz im Pop-Business am Sprungbrett-Wettbewerb beteiligt. Sei es als Musikerinnen oder als Mitarbeiterinnen des Hauses. Etwa die Tontechnikerin Michaela Vogt, die sich als Frontfrau der Bands The Run und No Snakes In Heaven selbst schon als feste Größe im Münchner Rockhimmel verewigt hat. Als Tontechnikerin, die auch diesen Abend wieder hinterm Mischpult steht, hatte sie allen Teilnehmern schon zu Beginn des Wettbewerbs in einem Workshop vermittelt, worauf Musiker beim Soundcheck achten sollten.

So sehen Sieger aus: "Endlich Rudern" ist die Gewinnerband beim Sprungbrett-Wettbewerb im Feierwerk. (Foto: Katharina Renner)

Sodann traten die Bands in mehreren Runden gegeneinander an. Viele schieden im Verlauf des Wettbewerbs aus, bis nur noch vier Finalisten übrig blieben. Ausgesucht von einer Fachjury und vom Publikum, das im Finale nun alleine entschied, wer den Titel "Münchner Band des Jahres" erhält. Natürlich birgt das die Gefahr, dass eine Band nur darum gewinnt, weil übermäßig viele Freunde im Publikum parteiisch abstimmen. Aber letztlich gehört es zur Kompetenz einer Band, ausreichend viele Zuschauer ins Konzert zu locken.

Nachdem die Bands sich aber in den zahlreichen, den Wettbewerb begleitenden Workshops kennengelernt haben, um die Teilnehmer auf ihr Musiker-Leben vorzubereiten, gleicht das Finale mehr einer Schulabschlussfeier als einem Wettstreit. Auch wenn Max Weigl, der Sänger der Post-Punk-Band Endlich Rudern, vor seinem Auftritt viel zu nervös ist, um die anderen Konzerte zu genießen, wie er sagt, ist er selbst sehr begeistert vom Auftritt der ersten Band des Abends, Embrace The Emperor. Eine Rockband, die anfangs nur einmal pro Woche im elterlichen Keller des Sängers probte. Mittlerweile lärmen sie dort drei mal wöchentlich, verrät der anwesende Vater. Doch nebenan wohne die schwerhörige Schwiegermutter. "Wenn die Fernsehen schaut, das hören wir mehr als die Proben im Keller", sagt der 61-jährige, den im Feierwerk nun die Vielseitigkeit des Sprungbretts begeistert.

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Da gibt es zum einen die lässige Reggae-band Kraut & Ruhm, die mit psychedelisch anmutenden Gitarren-Einlagen das Motto betont: "Man kann sich die Welt ja nicht nur schön kiffen!" Also nutzt sie ihre Musik auch als Protestform. Hans Söllner darf man ebenso als Lehrmeister betrachten wie Manu Chao. Zum anderen gibt es Pepperella, die mit raffinierten, mutigen Arrangements die Popmusik dem Jazz und den Jazz wieder der Popmusik zuführt. Rein technisch ist das auch das spannendste Ensemble des Wettbewerbs, weil es tatsächlich neue musikalische Wege wagt. Da in den Vorrunden ein Juror der Band empfahl, es mal mit einem Rapper zu versuchen, bittet diese nun einen Rapper auf die Bühne. Das gelungene kurze Zusammenspiel ist wohl die coolste Art, einen Mittelfinger zu strecken und zu antworten: "Mach doch deine eigene Band!"

Gewonnen hat schließlich die Post-Punk-Band Endlich Rudern mit vertrauteren, aber nicht minder verstörenden, weil brachialen Lärmattacken. Da wummert der Bass, klirrt die Gitarre. Und doch gelingt der Band der andächtigste Moment des Abends. Als das Publikum nämlich zustimmend schweigt und Handylichter und Feuerzeuge das Feierwerk in ein Lichtermeer verwandeln. Endlich Rudern singt gerade über die Angst, irgendwann mal keine Luftschlösser mehr zu bauen, sondern ohne Illusionen von der Arbeit heim zu kommen. Die andächtige Stille des Publikums, die dieses Lied geradezu übertönt, muss man wohl als den lautesten Hilferuf des Abends begreifen. Am 13. August spielen alle Finalisten im Theatron.

© SZ vom 02.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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