Ballett:Liebesspiele im Boudoir

Mythos Coco

Wohnzimmergymnastik: Auf der kurzen Chaiselongue tobt sich Coco Chanel (Anna Yanchuk) gerne aus - natürlich mit Zigarette.

(Foto: Christina Canaval)

Peter Breuers "Mythos Coco" zu Gast im Deutschen Theater

Von Eva-Elisabeth Fischer

Lang kann er sein, der Weg zurück in die künstlerische Heimat. Für Peter Breuer, den vor rund 40 Jahren international gefeierten Ersten Solisten des Balletts der Bayerischen Staatsoper, erfüllte sich mit dem Gastspiel im Deutschen Theater der lang gehegte Wunsch, als Choreograf nach München zurück zu kommen. Zunächst wendet er sich in einer leutseligen Vorrede ans Publikum und erklärt, was dann in den folgenden zwei Stunden an sich selbst Erklärendem zu sehen ist. Vorhang auf für den "Mythos Coco" über die legendäre Moderevolutionärin Chanel und Herrscherin über ihr eigenes Imperium!

Das Ballett liefert genügend Revue-Qualität und Augenfutter fürs Publikum im Deutschen Theater, das mit dem Erwerb der Eintrittskarte offenbar auch seinen Willen zu lautstarken Beifallsbekundungen beglaubigt. "Mythos Coco", eines der Handlungsballette, die Breuer als Ballettchef am Landestheater Salzburg seit 1991 seinen ungemein tanz- und spielfreudigen Tänzern und Tänzerinnen auf den Leib geschneidert hat, also wird heftig beklatscht. Es spult ab - immer hübsch an den Lebensdaten der Titelfigur Coco Chanel entlang - ein eher geistesschlichtes Defilee tanzender Schneiderpuppen oder fantasievoll nach Originalvorlagen kostümierter Personen der Zeit.

Außer mit Stecknageln und Schere ist Chanel vor allem mit überaus variantenreicher Sexualgymnastik auf der kurz geratenen Chaiselongue im Boudoir ihrer Suite zugange. Hierfür ergehen sich neben der als Liebesgespielin und Opium-Mitraucherin omnipräsenten Künstlermuse Misia Sert auch Jean Cocteau und Igor Strawinsky als Edelschargen vor dem Louis Seize-Kamin, der sich, wenn nötig, für die heftig bewegten Gruppentanzszenen öffnet. Cocos heiß geliebter Vater ist der Einzige, der über seinen an sich schmalen Part zu Beginn immer wieder auftreten darf - als Gevatter Tod. Als solcher rafft er zwei ihrer zahllosen Männer dahin und am Ende, ganz sachte, die Tochter selbst im schwarz-weißen Chanel-Kostüm unter hängender schwarz-weißer Chanel N⁰ 5-Schachtel. Mythos = Markenartikel? - Zu wenig.

Das einzig Interessante am "Mythos Coco" ist die Musikauswahl mit Kompositionen von Eric Satie und Mitgliedern der Groupe de six. Und ganz nebenbei erweist sich: Die Distanz zwischen dem Ballett am Landestheater Salzburg und der Tanzstadt München bemisst sich eben nicht allein in Kilometern.

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