Ballett in Coburg:Fund ohne Form

Ballett in Coburg: Natalie Holzinger in der Titelrolle als Aschenbrödel.

Natalie Holzinger in der Titelrolle als Aschenbrödel.

(Foto: Landestheater Coburg)

Mark McClain choreografiert ein "Aschenbrödel" zu Fragmenten der letzten Komposition von Strauß

Von Rita Argauer, Coburg

Jedes Genre hat seine verschiedenen Aschenputtel-Cinderella-Darstellungen. Rossinis singende "Cenerentola", Prokofiews getanzte "Cinderella", die tschechische Haselnüsse-Filmversion, bis hin zu Disneys trickreicher Kürbis-Kutschen-Verwandlung. Am Landestheater Coburg läuft gerade eine "Aschenbrödel"-Version, die diverse Zeiten ästhetisch überspannt. Das neuchoreografierte Handlungsballett des Coburger Ballettdirektors Mark McClain vermischt dabei Aschenputtel-Versatzstücke auf die gleichnamige Ballettmusik von Johann Strauß junior. Der wiederum liegt ein editionshistorisches Puzzlespiel zu Grunde, dessen Zusammensetzung sich von den Theaterbefindlichkeiten des späten 19. Jahrhunderts über Nazi-Weltkriegs-Wirren zu einem spätkapitalistischen Autografensammler-Kunstmarktkrimi zieht.

Es ist Strauß' unvollendetes letztes Werk. Nach dessen Tod 1899 vervollständigte Josef Bayer, der damalige Wiener Ballettkapellmeister, das Fragment, das Gustav Mahler als Hofoperndirektor für unaufführbar hielt. 1901 kam es zur Uraufführung am Königlichen Opernhaus Berlin - allerdings auch nicht in der von Bayer vollendeten Fassung, sondern in einer Zusammenstellung, die auf ein neues Libretto des Berliner Ballettdirektors reagierte und die nun der Aufführung in Coburg zu Grunde liegt.

Strauss' Skizzen zu dieser Musik wurden 1939 der Wienbibliothek abgenötigt, andere sind erst in den Neunzigerjahren aus den Beständen der Bibliothek verschwunden und galten seitdem als verschollen. 2007 tauchten Teile davon in einer Auktion auf, die nach Wien zurück geholt wurden und sich seitdem dort in Restitution befinden. Der Konzertmeister des Philharmonischen Orchesters des Coburger Theaters, der Cellist Ralph Braun, gelangte zuvor über Umwege an Kopien dieser Autografe, weshalb nun in Coburg kleine Teile des Originals erklingen, die zuvor so noch nie gespielt wurden.

Choreograf McClain hat zum Teil sanft ins Moderne reichende Bewegungen darauf choreografiert, bleibt aber in den Grundzügen klassisch. Schrille Kostüme und ein mit Kulissen zauberndes Bühnenbild sorgen für einen unterhaltsamen Ballettabend, wozu vor allem der mit großem Darstellungstalent begabte Tänzer Po-Sheng Yeh in der Rolle der Tante beiträgt. Die Musik erklingt dazu passend entweder in Polkas, Quadrillen oder sich ewig drehenden Walzertakten, inklusive der "Schönen blauen Donau" als Finale in einer Drehorgelversion.

Doch man hört der Partitur ihre Zerstückelungsgeschichte an. Ein Walzer reiht sich an den anderen. Die seltenen Zweiviertel-Takte dazwischen entspannen das Gehör, eine musikalische Dramaturgie aber vermisst man. Ab und an mischen sich dunklere Farben in die Komposition, auf die die Choreografie leider nicht eingeht. Das Puzzlespiel, das der Coburger Version zu Grunde liegt, ist zwar musikhistorisch spannend - nun aber muss die Partitur noch musik- und tanzdramatisch in Form gebracht werden.

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