Ballett:Ein Abschiedswalzer von Pina

Ballett: Seit zwei Jahren laufen die Vorbereitungen für Pina Bauschs Stück, mit dem die Tänzerinnen und Tänzer auch ihre Vielseitigkeit beweisen.

Seit zwei Jahren laufen die Vorbereitungen für Pina Bauschs Stück, mit dem die Tänzerinnen und Tänzer auch ihre Vielseitigkeit beweisen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Ivan Liška, Direktor des Bayerischen Staatsballetts, zieht nach 18 Jahren Bilanz und erläutert das Programm der Ballettfestwochen mit einer Tanztheaterpremiere

Von Eva-Elisabeth Fischer

Da sitzen Sie nun in trauter Dreieinigkeit, jede(r) für sich ein Charakter. Ende Juli wird Ivan Liška sein Büro für Igor Zelensky räumen, Wolfgang Oberender geht bereits im April in Rente und Bettina Wagner-Bergelt macht wohl weiter. Es ist also Zeit für eine erste Bilanz. Die gemeinsame Pressekonferenz im Probenhaus am Platzl zu den letzten gemeinsamen Ballettfestwochen, die am 3. April mit der längst ausverkauften Einstudierung von Pina Bauschs Tanztheater "Für die Kinder von gestern, heute und morgen" eröffnen, bietet die beste Gelegenheit dazu.

"Die Fetzen sind nie geflogen", sagt Liška über 18 Jahre enger Zusammenarbeit des Staatsballett-Dreierdirektoriums. Wagner-Bergelt, die Frau fürs Zeitgenössische, lenkt wahrscheinlich nicht nur an diesem Abend diplomatisch ein, wenn es um eventuell gehabte Meinungsverschiedenheiten geht. Oberender, wissenschaftlich abgefederter Spezialist für archäologische Grabungen in Sachen Klassik, meldet sich, wenn's sein muss, differenzierend zu Wort. Er lobt die Toleranz Liškas und hebt hervor, dass er, anders als dieser, nicht die Nerven hatte, sich Stücke wieder und wieder anzusehen, die er nicht mag. Liška hingegen habe alle Vorstellungen angeschaut.

Die Ballettfestwochen sind das Resümee dieser nahezu zwei Jahrzehnte als Tour d'horizon. 14 Tage lang steht exemplarisch auf dem Programm, was an Schwerpunkten den Spielplan ausmachte. Liška grämt sich, dass zwei wesentliche Aufführungen fehlen - Saburo Teshigawaras "Sacre"-Version, vor allem aber Merce Cunninghams "Biped", die erste und einzige Einstudierung postum dieses Meilensteins der Moderne mit einer deutschen Kompanie. Die Reaktionen seiner Tänzer waren zunächst eindeutig: "Wenn Blicke töten könnten, läge ich jetzt platt unter dem Tisch", so der scheidende Ballettchef.

Das Festwochenprogramm liest sich in Auszügen nun folgendermaßen: Liška selbst wird durch eine Uraufführung von Simone Sandroni, "The Passenger" geehrt, bei dem der ehemalige Neumeier-Tänzer mit zwei anderen "Oldies", Judith Turos und Peter Jolesch, wieder einmal auf der Bühne stehen wird. Kombiniert wird das neue Stück mit den Junior Kompanien aus Chicago, Amsterdam und München. "Paquita" und "Le Corsaire" stehen für die mit unglaublichem Aufwand recherchierten Klassikerrekonstruktionen, zu denen, obgleich erst 1933 uraufgeführt, auch Léonide Massines großartiges chorisches Werk "Choreartium" gehört, das vor München in jüngster Zeit nur in Holland aufgeführt wurde. Dann die großen dramatischen Ballette, John Neumeiers "Kameliendame" und John Crankos "Onegin". Für das Tanzland Deutschland stehen zwei Rekonstruktionen, zum einen die Gerhard Bohners von Oskar Schlemmers "Triadischem Ballett" durch Ivan Liška und zum anderen jene von Mary Wigmans chorischem "Sacre du Printemps" durch Patricia Stöckemann. Die zeitgenössische Linie gipfelt nun in Bauschs "Kindern", für Wagner-Bergelt eine Herzensangelegenheit, an der sich zudem bestens die Vielseitigkeit der Staatsballett-Tänzerinnen und -Tänzer zeige: An einem Abend der "Onegin" und am nächsten Abend Pina Bausch.

Vor dem prächtigen Heinz-Bosl-Saal drängen sich schon die Zuschauer, die für das Ballett Extra-Karten bekommen haben. Alle 99 Plätze sind besetzt, zwei von ihnen von Ruth Amarante und Daphnis Kokkinos, die beide jahrelang noch bei Pina Bausch getanzt haben und an der Spitze dem Einstudierungsteam aus Wuppertal angehören. Die Luft vibriert vor neugieriger Anspannung. Endlich nehmen die Tänzerinnen und Tänzer in Trainingsklamotten Position ein. Jonah Cook setzt auf einem Stuhl dreimal hintereinander zu einem mächtigen Sprung an, landet punktgenau vor seiner Partnerin, packt sie und schwingt sie in großem Bogen um sich herum. Seit fast zwei Jahren laufen die Vorbereitungen für die "Kinder" - ein ziemlich riskanter Sprung in fremdes Gewässer.

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