Bärbel Schäfers neue Runde bei N24:Die bessere Sabine

Vom Schmuddel-Talk zum Talk ohne Show: Bärbel Schäfer sorgt sich jetzt um die Demokratie im Lande und ist viel besser als Christiansen.

Frederic Huwendiek

2002, als der Papst noch ein Pole, Gabriele Pauli höchstens Fürthern bekannt und Edmund Stoiber Kanzlerkandidat der Union war, lud Bärbel Schäfer Gäste zu Sendungen ein, die Titel trugen wie "Busen-Attacke! So mache ich am Strand die Ehemänner heiß" und "Schlammschlacht Scheidung! Warum tust du dir das an?".

Bärbel Schäfer Talk ohne Show

Nu erfragt sie nicht mehr proletarische Befindlichkeiten, sondern sorgt sich um die Demokratie im Lande.

(Foto: Foto: N24)

Knapp fünf Jahre später hat sich vieles geändert, nur bei Schäfer scheint auf den ersten Blick alles beim Alten: Vom RTL-Nachmittag ins Nachtprogramm von N24 gerutscht, führt sie durch eine Sendung zum Thema "Intriganten, Schlammschlachten und Gemeinheiten".

Nur erfragt sie nun nicht mehr proletarische Befindlichkeiten, sondern sorgt sich um die Demokratie im Lande: "Zerbricht die Glaubwürdigkeit in Deutschlands Politik am Schmuddelskandal der CSU endgültig?", lautet die holprig geratene Titelfrage der ersten Ausgabe von "Bärbel Schäfer - Talk ohne Show". Ihre Gäste heißen jetzt nicht mehr "Jürgen (43, arbeitslos)", sondern "Ludwig Stiegler, SPD-Fraktionsvize" und "Martin S. Lambeck, Journalist".

Eingezwängt zwischen einer Doku über die Herstellung von "Pizza-Würstchen" und das "Weltwetter" feierte Bärbel Schäfer gestern Nacht um Punkt halb zwölf ihren Einstand als Gastgeberin einer seriösen Gesprächsrunde. Ihre Vorgängerin im Amt als N24-Talklady, Arabella Kiesbauer, hatte sich im Dezember aus persönlichen Gründen vom Sendeplatz zurückgezogen: Das Pendeln zwischen ihrem Wohnsitz Wien und dem Produktionsort Berlin sei ihr zu mühsam geworden. Von jetzt ab will Schäfer jeden Dienstagabend dem Thema der Woche "mit journalistischem Anspruch" auf den Grund gehen.

"Haben Sie denn kein Mitleid mit Herrn Stoiber?"

"Jeder Joghurt hat ein Verfallsdatum. Gilt das auch für Politiker?", startet dann auch eine sichtlich angespannte Bärbel Schäfer das Frage-Antwort-Spiel zur Causa Stoiber. Sie legt die Stirn in Falten, den Zeigefinger an ihr Kinn. Ihr Körper nimmt die Christiansen'sche Sonntagabendhaltung ein: Beine verschränkt, den Oberkörper leicht nach vorn gebeugt.

Krawallheimer und Haudraufs waren gestern: Ihre neuen Gäste, der SPD-Fraktionsvize Stiegler und der "BamS"-Kolumnist Lambeck, fühlen sich sichtlich wohl in dem kleinen Berliner Studio mit Kaminzimmer-Atmosphäre - und bestätigen sich gegenseitig so oft es nur geht. Der Politiker (mit rotem Schlips: "Ich sehe das ähnlich") und der Journalist (mit hellblauem Schlips: "Herr Stiegler hat ganz recht") sind fast immer einer Meinung.

Selbst der so gerne sprachgewaltig stänkernde Stiegler übt sich in Zurückhaltung, er fordert gar "Fairness" gegenüber seinem Lieblings-Gegner Stoiber ein und lobt den CSU-Chef als Mann "mit Vision", als einen, der vor Ideen nur so brenne.

Auch die Gastgeberin menschelt. Sie spricht nur vom "lieben Herrn Stiegler" und dem "lieben Herrn Lambeck", nickt ihr immerzu verständnisvolles "Mhm" ins Rund und fragt betroffen: "Haben Sie denn kein Mitleid mit Herrn Stoiber?", während unten im Bild die gefühlige Schlagzeile "CSU-Mobbing: Wie hält Stoiber das aus?" erscheint.

Warm, ehrlich, herzlich

Dieses kuschelkoalitionäre Heititei zum bayerischen "Bauerntheater" kann auch der Filmausschnitt, der einen stolpernden Stoiber auf dem Weg zum Rednerpodest zeigt, nicht stören. Auch nicht, wenn dieser - buchstäblich als "Running gag" - immer wieder und wieder eingespielt wird.

Nichtsdestotrotz: Bärbel Schäfer macht ihre Sache nicht schlecht. Mit silbrig-glitzernden Ohrringen, grau-grünem Hosenanzug und strahlendem Lächeln gibt sie eine vitalere Ausgabe von Sabine Christiansen. Sie wirkt warm, ehrlich und herzlich, wo Christiansen nur prätentiös-hanseatisch, steif und distanziert wirkt.

Man würde ihr zutrauen, dass sie im nächsten Moment Stieglers Hand tätschelt und Lambeck in die Rippen knufft. Sie spricht von sich als "Wählerin" und ihren Gästen als "Polit-Profis". Gerade, dass sie noch keine abgebrühte Politjournalisten-Darstellerin ist, macht das halbe Schäfer-Stündchen sehenswert. Ihre jahrelange Fließbandarbeit mit dem Prekariat dieser Gesellschaft hilft Bärbel Schäfer im Gespräch mit "denen da oben": Sie hatte wohl mehr Kontakt zur Basis als jeder Politiker.

Die 28 Minuten erweisen sich als kurzweiliger und ergiebiger als manches ausführlichere Format der Öffentlich-Rechtlichen. Schäfer macht - trotz einer kurzfristigen Themenänderung - einen gut vorbereiteten Eindruck, auch wenn sie viel zu selten unterbricht, kritisch kommentiert und nachhakt. Einmal überlässt sie gar dem Journalisten Lambeck selbst die Gesprächsführung als der Ludwig Stiegler auf Christian Ude als den SPD-Spitzenkandidaten für das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten festlegen will.

Scharfzüngigen "Talk ohne Show" kann man von Bärbel Schäfer sicher nicht erwarten. Eher kompetenten Kuschel-Talk. Vielleicht ein Ergebnis innerfamiliärer Arbeitsteilung: Ihr Ehemann und N24-Kollege Michel Friedmann ist der Mann fürs Grobe. Und will es auch bleiben.

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