Bachmann-Preis:"Es gibt keinen redlichen rechten Schriftsteller"

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Der Autor Feridun Zaimoglu erhebt die klassische Forderung nach einer politischen Literatur, die die im Dunkeln Lebenden repräsentiert. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Der Autor Feridun Zaimoglu eröffnet die Tage der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt mit einer Strafpredigt wider die Reaktionären im Kulturbetrieb.

Von Marie Schmidt

Bevor einer der Autorinnen und Autoren, die gerade in Klagenfurt um die Wette lesen, den Mund aufmachte, hat ein anderer schon mal Fronten gezogen. "Es gibt keinen redlichen rechten Intellektuellen. Es gibt keinen redlichen rechten Schriftsteller", sagte Feridun Zaimoglu in seiner "Rede zur Literatur". Jedes Jahr fängt der Wettbewerb um den Bachmann-Preis mit einer solchen Lagebesprechung an. Und Zaimoglu hat sie als Strafpredigt wider die Reaktionären im Kulturbetrieb gehalten, als späten Kommentar zur Tellkamp-Debatte in diesem Frühjahr. "Es träumt manch ein Schreiber, er möge erwachen in einer unverkeimten Gnadenwelt", wetterte Zaimoglu. Namen nannte er keine. Sein Urteil war breiter angelegt: "Es hilft nichts, den Rechten edle Motive zu unterstellen, wie es mancher Feuilletonist tut. Es geht ihnen einzig und allein um die Fremdenabwehr, die Vaterländerei ist ihre Phrase der Stunde."

Gegen die Unlauteren stellte Zaimoglu ein "Wir", mit dem er die 14 Bachmann-Preis-Kandidaten unterhakte: "Wir sind aus der Schrift geboren. Wir schreiben unsere kühnen, kühlen und wilden Geschichten. Wir lieben die leise Art und den lauten Hall. Niemals schreiben wir den Verzweifelten eine Abart zu." Seine Empathie für die Bedrängten demonstrierte Zaimoglu in kleinen literarischen Szenen, sein letzter Satz: "Wir stehen bei den Verlassenen."

So wuchtig Zaimoglus biblischer Furor ankam ("Verlassen sind die Armen, verlassen sind die Frauen, verlassen sind die Fremden"), dämpfte es doch den aufrührerischen, provokativen Gestus ziemlich, wie widerstandslos seine Rede vom Publikum abgenickt wurde. Man klatschte eine Minute länger als gewöhnlich, fand alles sehr richtig und ging erquickt zum Buffet. Die kleine Blase des Literaturbetriebs, der in Klagenfurt jährlich zusammenkommt, fügt sich gerne in dieses "wir". Der sorgfältig hergerichtete und hart attackierte Gegner war auffällig abwesend.

Zaimoglus Aufruf zum Mitgefühl ist aber auch ein normativer Appell an die Literatur, über die in Klagenfurt gesprochen werden soll. Er erhebt die klassische Forderung nach einer politischen Literatur, die die im Dunkeln Lebenden repräsentiert. Wobei die Jury, die in Klagenfurt jedes Jahr öffentlich die vorgetragenen Texte bewertet, sich mit politischen Kriterien traditionell schwertut. Lieber redet man über Textimmanentes, erzählerische Schlüssigkeit und sprachliche Genauigkeit. Ob Zaimoglus Brandrede daran rütteln kann, muss sich erst zeigen.

© SZ vom 06.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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