Autos:Ich bin ein anderer

A Maserati Levante SUV car is seen at the exhibition stand of Maserati ahead of the 87th International Motor Show at Palexpo in Geneva

Das Zwischending: Der Maserati Levante bei einer Automesse in Genf.

(Foto: Arnd Wiegmann/Reuters)

Auf die Dingwelt ist kein Verlass mehr. Jetzt knickt auch Maserati ein und folgt dem SUV-Wahnsinn. Der "Levante" ist schnell wie ein Rennwagen und dumm wie ein Panzer.

Von Gerhard Matzig

"Wie der mediterrane Wind, nach dem er benannt ist, meistert der Levante jede Situation mühelos." Okay, das ist natürlich die Poesie der Marketingabteilung, aber es ist trotzdem hübsch. Früher hießen die Autos ja Capri (Ford) oder Ascona (Opel). Das waren vierrädrige Reiseabsichten. Es ist insofern eigentlich ganz schön, dass Maserati mit dem in Genf erstmals vorgestellten Modell "Levante", das in diesem Frühjahr massenwirksam die Straßen hinaufwrooaaart und hinunterbroooouuuuumt, jene romantizistische Tradition reanimiert, wonach Autos etwas Sehnsüchtiges gefälligst schon im Namen tragen sollten. Denn was wollen einem Autos sagen, die beispielsweise "Berlingo" (Citroën) heißen? Berlin - go home?

Fährt sich wie ein Panzer, ist aber ein Auto. Und statt Soldaten sitzen darin nur Münchner Mamis

Nur leider bezeichnet Levante nicht allein ein mediterranes Säuseln, sondern auch den Sturm des Wandels. Der Levante ist nämlich ein Maserati. Respektive der erste SUV von Maserati. Ein Sport Utility Vehicle also. Mit anderen Worten: Levante ist fett, bietet aber kaum Platz; er fährt sich wie ein Panzer, ist aber ein Auto; und darin sitzen keine kriegerischen Soldaten, sondern nur Mamis, die in München-Bogenhausen um einen Parkplatz vor der Kita kämpfen.

Dass auch Maserati einknickt vor dem SUV-Wahnsinn (nachdem Jaguar schon längst einen Kombi anbietet), hat etwas Tragisches. Der italienische Hersteller mit dem Dreizack im Logo kommt aus dem Rennsport wie kaum ein anderer Automobilist. Carlo Maserati baute schon 1898 sein erstes Motorrad, um damit Rennen zu fahren. Levante ist dagegen ein Hybrid, ein Zwitter. Schnell wie ein Rennwagen und dumm wie ein Panzer. Windschlüpfrig wie ein Garagentor. Agil wie ein Dinosaurier.

Überhaupt ist das der große Trend unter den Automobilisten: Der Mini soll, hm, irgendwie niedlich sein, mini eben. Aber er ist gleichzeitig so groß wie früher ein Lastentaxi. Mercedes baut Autos, die zugleich Limousine und SUV sein sollen. VW dynamisiert einen Van und so weiter und so fort und so elend.

Mit der Sehnsucht nach einem richtigen Leben im falschen Leben ist die Autobranche allerdings nicht allein. Die Elbphilharmonie in Hamburg ist außer einer Philharmonie auch ein Hotel und ein Luxuswohnen-Domizil geworden. Der Neubau des Suhrkamp-Verlags in Berlin wird außer ein Verlag auch ein Gastroversprechen sein. Es gibt Mäntel, die eigentlich Jacken sind und Hosen, die eigentlich Röcke sind. Es gibt Sachbücher, die eigentlich Romane sind und Konzerte, die eigentlich Lesungen sind. Es gibt Stühle, die eigentlich Bücherregale sind und Bücherregale, die weder Sachbüchern noch Romanen, sondern Fernsehern offenstehen, wobei aus Fernsehern mittlerweile ... Es ist etwas unübersichtlich geworden, denn die Dinge dürfen nicht mehr sein, was sie sind, sondern sie müssen auch das sein, was sie nicht sind. Und noch viel mehr.

Die multioptionale Gesellschaft hat die Multifunktionalität, die sie verdient. Seltsam: Identität ist der Rohstoff des 21. Jahrhunderts. Aber so schillernd zweideutig war noch keine Zeit vor unserer.

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