Autorenfilm:Ein Märchen, trotz allem

Lesezeit: 2 min

Corneliu Porumboiu gräbt in Rumäniens Geschichte: "Der Schatz" erzählt von einer komischen und frustrierenden Suche - und dem Glauben an die Macht der Wünsche.

Von Philipp Stadelmaier

Der Vater sitzt mit seinem kleinen Sohn auf dem Sofa und erzählt ihm das Märchen von "Robin Hood", als es an der Türe klopft. Es ist der Nachbar, der um ein paar Hundert Euro bittet - er sei gerade knapp bei Kasse. Der Vater kann ihm das Geld nicht geben, er habe selbst Schulden. Der andere lässt aber nicht locker und erzählt ihm den wahren Grund: Er sei auf der Suche nach einem Münzschatz, auf einem Grundstück, das ihm gehört, nahe Bukarest. Um den zu finden, brauche er einen Metalldetektor. Wenn er ihm helfen wolle, könne man halbe-halbe machen.

Was der Nachbar (Adrian Purcarescu) dem Vater namens Costi (Toma Cuzin) erzählt, hört sich ebenso nach Märchen an. Im Gegensatz zur Sage aus dem Nottingham Forest wirkt die Erzählung vom Schatz aber einfach nur aussichtslos. Im letzten Satz seines Großvaters auf dem Sterbebett - "Pass auf das Haus auf!" - glaubt der Nachbar die Bestätigung einer alten Familienlegende zu erkennen: dass im Jahr 1947 ein Vermögen im Garten des Familiensitzes vergraben wurde, um es vor den einmarschierenden Kommunisten in Sicherheit zu bringen.

Komisch und frustrierend - Szene aus "Der Schatz". (Foto: Grandfilm)

Corneliu Porumboius Film ist deswegen so realistisch, weil er den "Schatz" nicht nur unwahrscheinlich, sondern noch nicht mal lukrativ erscheinen lässt - liefert er doch höchstens die Aussicht, ein paar alte Münzen zu finden und sie auf dem Schwarzmarkt an Zigeuner zu verscherbeln. Überhaupt ist jede Idee von Reichtum in diesem Rumänien der Wirtschaftskrise unendlich weit entfernt. Alle haben kein Geld und Schulden; Costis Arbeit besteht darin, sie einzutreiben. Porumboius Rumänien ist arm, aber aufgeräumt, kalt und neblig wie ein osteuropäischer Herbstmorgen und dennoch wohlgeordnet wie die Ordner in Costis Büro. Und dennoch ist klar, dass man gerade in einer solch kargen Welt den irrsten Ideen folgen muss, um möglicherweise doch sein Glück zu finden - auch wenn man dabei nur missverstanden werden kann: Als Costi seinem Chef gesteht, er habe sich einmal aus dem Büro verdrückt, um einen Metalldetektor zur Schatzsuche zu organisieren, hält der Chef das für eine Ausrede. Er glaubt, Costi habe sich mit seiner Geliebten getroffen.

Die Idee eines Schatzes kurbelt aber nicht nur die privaten Phantasmen an, sie erzeugt auch ein Echo der Vergangenheit. Wurde der Schatz einst vor den Kommunisten versteckt, so fiel das Haus nach dem Ende der Ceaușescu-Diktatur an den Nachbarn zurück. Und wenn die beiden Männer schließlich in Gesellschaft eines dritten Mannes, der den Metalldetektor bedient, den Garten absuchen, findet man im Boden die Überreste einer alten Eisenfabrik - ginge man dreißig Meter tiefer, meint der Detektor-Mann, würde man sogar auf Ruinen des Römischen Reiches stoßen.

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Ob der Schatz nun fantastisches Kapital oder Echo der Geschichte ist - niemand kann ihn sehen, während er dennoch in allen möglichen Formen herumspukt. Was die frustrierende Suche an diesem klammen Tag sehr komisch werden lässt. Als würde seine schiere Idee selbst die empfindlichen Detektoren erregen, die durch schwer verständliche Bodenechogramme auf einem Laptop oder aufgeregtes Fiepsen reagieren - während das ebenso aufgeregte Umgraben der Erde zunächst kein Stück des Gesuchten zu Tage fordert.

So wird das Märchen zwar entzaubert, am Ende aber erscheint auf unerwartete Weise doch noch irgendwie ein Schatz. Das schuldet Costi auch seinem Sohn, der weiter von "Robin Hood" träumt und zu Hause auf ihn wartet. So ist der Film auch eine Parabel darüber, wie das Märchenhafte im Kino wiedergefunden werden kann - in Zeiten, in denen es ansonsten um Märchen schlecht bestellt ist. Selbst wenn Robin Hoods Traum von der Umverteilung des Reichtums auf der Strecke bleibt, so bleibt doch die Möglichkeit, das eigentliche Märchen darin zu sehen, dass einer es retten will.

Comoara , ROU/FRA 2015. - Regie und Buch: Corneliu Porumboiu. Kamera: Tudor Mircea. Mit Toma Cuzin, Adrian Purcarescu. Grandfilm, 89 Minuten.

© SZ vom 06.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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