Autoren:Wortreiches Speeddating

Autoren: Zuerst zurückhaltend, dann wild gestikulierend: Um Marcus H. Rosenmüller drängten sich die Literaturbegeisterten und Autogrammjäger.

Zuerst zurückhaltend, dann wild gestikulierend: Um Marcus H. Rosenmüller drängten sich die Literaturbegeisterten und Autogrammjäger.

(Foto: Robert Haas)

Viele Seiten einer Stadt zeigen 15 Münchner Autoren beim "Meet & Greet" im Literaturhaus

Von Hannah Vogel

Ein Buch, ein Satz. Diese Regel hat Literaturhausleiter Reinhard G. Wittmann aufgestellt, damit die Vorstellung der 15 Münchner Autoren nicht ausufert. Nun stehen sie aufgereiht im Foyer, zahlreiche Augenpaare folgen ihnen auf ihrem Weg zum Mikrofon. Manche beschränken sich auf wenige Worte, andere verstricken sich in verschachtelte Satzgefüge, die Kleist alle Ehre machen. Schriftsteller Jaromir Konecny zeigt sich selbstironisch: "Ich habe mit zwölf Jahren einen Krimi für meine Mutter geschrieben, der so unanständig war, dass ich zwei Wochen Hausarrest bekam; nun habe ich einen neuen Krimi für Sie dabei - der ist wohl anständiger."

Was von seiner Einschätzung zu halten ist, können die Besucher beim anschließenden "Meet & Greet" selbst herausfinden. Anders als bei klassischen Lesungen sind nicht sie an ihren Stuhl gebunden, sondern die Autoren. Diese nehmen im Saal jeweils hinter einem Tisch mit ihrem Namensschild Platz, davor zwei freie Stühle. Zehn Minuten bleibt den Besuchern Zeit, um die Schriftsteller zu fragen, was sie schon immer wissen wollten, oder sich von ihnen vorlesen zu lassen. Bis ein Gong ertönt und alle die Plätze tauschen.

Um dieser Sprechstundensituation im Saal ein wenig Kälte zu nehmen, sollten die Schriftsteller eine eigene Schreibtischlampe mitbringen. So liest David Pfeifer aus seinem historischen Roman "Die rote Wand" (Heyne) im Schein einer flackernden Öllampe, die ein bisschen aus der Zeit gefallen ist. Marcus H. Rosenmüller wird von einem grauen, deutlich größeren Exemplar des Literaturhauses ins richtige Licht gesetzt. Er hat seine Lampe vergessen, was erst kurz vor Beginn auffiel und leichte Hektik auslöste. Inzwischen haben nicht nur zwei Besucher vor Rosenmüllers Tisch Platz genommen, es drängt sich eine ganze Menschentraube aus Literaturbegeisterten und Autogrammjägern um ihn. "Da müssen wir ja Schlange stehen", stellt eine ältere Dame scherzhaft fest. Bekannt ist Rosenmüller als Regisseur und Drehbuchautor. Die meisten Besucher haben "Wer früher stirbt, ist länger tot" gesehen. Aber als Lyriker? Dabei hat Rosenmüller mit Gedichten angefangen, schrieb als Jugendlicher Büttenreden. Sein Stil sei geprägt durch Heinz Erhardt und Joachim Ringelnatz, erzählt der Regisseur. Er beginnt ein Gedicht aus seinem Band "Samuel Knotterbeck. Alte und neue Verse aus Olgas Bar" (Lichtung Verlag) vorzutragen. Dann noch eins. Erst wirkt er fast ein bisschen zurückhaltend, als seine Kundschaft anfängt zu lachen, spricht er lauter, stößt mit den Händen gestikulierend fast seine Bierflasche um. Der Gong ertönt. Ungläubiges Staunen. Sind schon zehn Minuten vorbei? In jeder Runde bleibt ein Tisch unbesetzt, denn im Forum vor dem Saal lesen die Autoren abwechselnd aus ihren Büchern. Dort herrscht angenehme Stille im Vergleich zum Stimmengewirr, das aus dem Nachbarraum dringt. Ganz ohne klassische Lesung kommt der Abend also doch nicht aus. Aber auch hier beendet der Gong den Vortrag, nicht der Schriftsteller.

Die Besucher lassen sich treiben, von einem Tisch zum nächsten. Carlos Hertel war bisher noch nie auf einem Speeddating mit Autoren und findet das Konzept sehr gut: "Der Leser kann sich mit den Schriftstellern austauschen und ist nicht nur Rezipient." Selbst nach mehreren Runden wird es nicht langweilig, da jeder die zehn Minuten auf seine Weise füllt: Gunna Wendt berichtet über die Recherchen für ihre Bechstein-Biografie, Alex Burkhard muss immer wieder erklären, was ein Poetry Slam ist, und Jaromir Konecny erzählt, dass Leser ihm Hunderte Blumen-Alliterationen zugeschickt haben, weil seine Krimis mit solchen betitelt sind.

Bereits im Juni 1997 gab es zur Eröffnung des Literaturhauses ein solches "Meet & Greet". Eigentlich sollte das eine einmalige Sache sein. "Aber wir haben so viele Autoren in München, da reichen die Abende nicht", sagt Reinhard G. Wittmann. Ob bis zum nächsten Mal wieder 18 Jahre vergehen, weiß er nicht. Als sich der Saal langsam leert, sehen die Autoren fast ein bisschen dankbar aus. Marcus H. Rosenmüller ist erschöpft: "Das war körperliche Anstrengung. Ich habe mir im Zehnminutentakt den Mund fusselig geredet." Er lacht. Und liest strahlend im Schein seiner über ihn ragenden Stehlampe ein letztes Gedicht.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: