Autoren & Verleger:Sorge um die Symbiose

Vor Kurzem traten über 250 Autoren, Verleger und Literaturagenten gemeinsam an die Öffentlichkeit: Es ging um das neue Urheberrecht. Beim Jahresauftakt der VG Wort in Berlin wurde der Schulterschluss beschworen.

Von Jutta Person

Als Symbiose definiert Meyers Großes Taschenlexikon nüchtern das Zusammenleben artverschiedener, einander angepasster Organismen zum gegenseitigen Nutzen. Man kann das auch emphatischer fassen, wie die Philosophen Deleuze und Guattari, die in ihrem Rhizom-Manifest 1976 heterogene Bündnisse wie das von Wespen und Orchideen priesen. Sind Verlage und Autoren wie Wespen und Orchideen? Zur Zeit scheint einiges dafür zu sprechen.

In einem "offenen Brief zum Urheberrecht an die Bundesregierung" haben unlängst Hunderte Autorinnen und Autoren, Verlegerinnen und Verleger gemeinsam dafür plädiert, "neben der urheberrechtlichen Kreativität und Selbstbestimmung der Autor/innen auch die Leistungen ihrer Verlage" zu schützen. Die Urheberrechtsnovelle der Bundesregierung, auf die sich der offene Brief bezieht, wurde beim Jahresauftakt der Verwertungsgesellschaft Wort am Dienstagabend in Berlin nur gestreift, aber auch bei der VG Wort erhofft man sich gestärkte Autor-Verlagsbeziehungen. Das bisherige Geschäftsmodell, das Ausschüttungen an Autoren und Verlage bei der Belletristik im Verhältnis 70 zu 30, auf dem Wissenschaftssektor im Verhältnis 50 zu 50 vornimmt, könnte auslaufen. Zwei Gerichtsverfahren - auf europäischer wie auch auf nationaler Ebene - bringen den Verlegeranteil insgesamt ins Wanken. Im Jahr 2015 setzte die VG Wort wegen der unklaren Rechtslage erstmals die Ausschüttungen an Verlage aus; noch dazu forderte man einen Verjährungsverzicht für die bereits gezahlten Ausschüttungen des Jahres 2012 von den Verlagen. Am 10. März wird die Frage der Verlagsbeteiligung vor dem Bundesgerichtshof verhandelt: dass der VG Wort ein spannendes Jahr bevorstehe, sei euphemistisch formuliert, meinte eingangs Vorstand Robert Staats. Die VG Wort sei immer eine Verwertungsgesellschaft von Autoren und Verlagen gewesen, und auch jenseits der historischen Dimension spreche vieles für die gemeinsame Sache beider Seiten.

Verlage bangen um ihren Anteil an den VG-Wort-Ausschüttungen

Die rechtlichen Details der Ausschüttungs- und Verteilungsprobleme waren nicht Thema des Abends, es ging eher ums große Ganze. Moderiert von der Literaturkritikerin Frauke Meyer-Gosau, sprachen Andreas Rötzer, Verleger des Berliner Verlags Matthes & Seitz, und Judith Schalansky, Schriftstellerin und Herausgeberin der "Naturkunden"-Reihe bei Matthes & Seitz, über das Verhältnis von Wortschöpfung und Wertschöpfung. Schreibt ein Autor, weil ein Verlag an ihn glaubt? Das nicht, aber es gehe um symbiotische Zweckbündnisse, da waren sich Rötzer und Schalansky einig. Nicht zu unterschätzen seien die Verheißung, das "Es-wird-ganz-toll-werden" der Herausgeber, Lektoren und Verleger; geburtshelferische Maßnahmen sozusagen.

Was die konkrete Situation betrifft, betonte Andreas Rötzer: "Für Verlage, die eine niedrige Rentabilität haben, ist die VG-Wort-Ausschüttung wichtig." Müssten kleinere Verlage, die um die finanzielle Null herum operieren, auf diese Beträge verzichten, wären sie wohl gezwungen, an Honoraren und Herstellungsqualität zu sparen. Und: "Wenn wir etwas zurückzahlen müssten von den VG-Wort-Ausschüttungen, würde uns das in eine prekäre Lage bringen." Schriftstellerin wie Verleger wiesen darauf hin, dass es unter den Verlagen auch schwarze Schafe gebe, große Wissenschaftsverlage etwa, die Autoren und Bücher nur "durchschieben". Ausbeutungsverhältnisse statt Symbiosen, könnte man anfügen, und um auf das Rhizom zurückzukommen: "Lasst euch keinen General entstehen", heißt es dort. Den engagierten Literaturverlagen aber das Wasser abzugraben wäre fatal - auch und gerade für den Wespen- und Orchideenerhalt.

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