Auszeichnung:Unterstützung für die Literatur von morgen

Fünf Autoren sind mit einem Arbeitsstipendium des Freistaats Bayern ausgezeichnet worden

Von Barbara Hordych, München

Einen Freiraum für konzentriertes Arbeiten wolle man jenen fünf Autoren verschaffen, "deren Vorhaben so vielversprechend sind, dass sie mit den Arbeitsstipendien des Freistaats Bayern ausgezeichnet werden", sagte Kunstministerin Marion Kiechle bei der Verleihung der Literaturstipendien in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Bewusst habe man bei der Vergabe keine Altersgrenze gesetzt und auch bereits namhafte Autoren mit jeweils 6000 Euro ausgezeichnet.

Pierre Jarawan

Vergabe Literaturstipendien 2018; Literaturstipendien

Pierre Jarawan.

(Foto: Andreas Gebert/StMWK)

Wie erzählt man von den Leerstellen, die der Bürgerkrieg im Libanon hinterlassen hat? In Jarawans geplantem Romanprojekt zu ebendiesem Thema füllt die junge Fotografin Laila diese Leerstellen mit Bildern: beispielsweise von einer 74-Jährigen in Beirut, die als Familienstand angibt: vermutlich Witwe. So genau weiß sie es nicht, denn ihr Mann wurde am 11. Mai 1977 von Soldaten in der gemeinsamen Wohnung abgeholt und ist nie zurückgekehrt. Sie zeigt Laila eine Aufnahme, auf der sie zusammen mit ihrem Mann zu sehen ist, auf einer Bergklippe am Meer, lachend, die Haare vom Wind zerzaust. Laila stellt exakt diese Fotografie an genau demselben Ort nach - mit der gealterten Frau, ohne ihren Mann. "Um Tote kann man trauern, mit den Vermissten ist es anders", erläutert der in München lebende Jarawan, Jahrgang 1985, sein Romanvorhaben. Sein Debüt, "Am Ende bleiben die Zedern" wurde mehrfach ausgezeichnet, stand zudem auf der Spiegel-Bestsellerliste. Er selber habe den Bürgerkrieg im Libanon nicht erlebt, sagt Jarawan, der mit drei Jahren von Jordanien nach Deutschland kam. Deshalb könne er davon auch nicht unmittelbar erzählen. "Aber wenn ich ein zerschossenes Haus beschreibe, entsteht der Krieg trotzdem in den Köpfen der Leser." Mit 50 Seiten hat er sich für das Stipendium beworben, nun ist er optimistisch, das Projekt auch zu Ende bringen zu können.

Karin Fellner

Vergabe Literaturstipendien 2018; Literaturstipendien

Karin Fellner.

(Foto: Andreas Gebert/StMWK)

Ihre eigenen poetischen Sprachmuster zu überwinden, hat sich die 1970 in München geborene Dichterin Karin Fellner vorgenommen, die bislang vier Lyrikbände veröffentlichte. In ihrem geplanten Gedichtband "eins: zum andern" unternimmt sie den Versuch, ihre lyrische Sprechweise weiterzuentwickeln und zu öffnen, für O-Töne, für Zitate, für ein Gegenüber. "Es gab tatsächlich so etwas wie ein Impuls gebendes Ereignis in meinem Produktionsprozess", sagt sie. Wie eigentlich immer habe sie einige ihrer neuen Gedichte zuerst ihrem Mann zu lesen gegeben. "Als er sie mir zurückgab, merkte ich, das seine Reaktion zwar positiv, aber irgendwie verhalten war", sagt Fellner. Auf einmal sei ihr klar geworden, warum. "Ich hatte ihm die Gedichte zwar gewidmet, trotzdem stand darin kein Wort, das an ihn gerichtet war." Daraufhin begann sie, die Gedichte zu überarbeiten, sie zu öffnen, fremde Stimmen in sie aufzunehmen, sie mit Zitaten aus anderen Gedichten zu überblenden. In ihren neuen Gedichten wendet sie sich nun auch an ein Gegenüber. Eine Methode, von der sich nicht nur ihr Mann, sondern auch die Leser angesprochen fühlen dürften.

Joshua Groß

Vergabe Literaturstipendien 2018; Literaturstipendien

Joshua Groß.

(Foto: Andreas Gebert/StMWK)

Als eine Art "Avatar" schickt der Nürnberger Autor Joshua Groß, Jahrgang 1989, in seinem Romanprojekt "Flexen in Miami" den Ich-Erzähler Joshua Groß auf der Suche nach sich selbst nach Amerika. Vor einigen Tagen hat er Auszüge aus dem Projekt beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb gelesen, schon dort wurde der "Groove" seines Textes gelobt, die existenzialistische Haltung des Erzählers in einem Rausch von medialen Vermittlungen, zwischen Facebook, Twitter und Kiss-Cam. "Irgendwann war ich diese ewige Frage leid, wie viel von mir in meinen Erzählerfiguren steckt", sagt Groß, der bereits mehrere Erzählungen und Romane veröffentlicht hat. Deshalb habe er beschlossen, diese Frage schon vorab zu beantworten. "Mein Erzähler heißt wie ich, aber ich kann allen versichern, ich war noch nie in Miami", sagt Groß, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für moderne Kunst in Nürnberg arbeitet. "Ich mache es halt anders als Karl May, der über Amerika geschrieben hat, ohne jemals dagewesen zu sein, aber immer das Gegenteil behauptet hat."

Anne Maar

Vergabe Literaturstipendien 2018; Literaturstipendien

Anne Maar.

(Foto: Andreas Gebert/StMWK)

Ähnlich wie ihr Vater, der Kinderbuchautor Paul Maar, wendet sich Anne Maar in ihren Theaterstücken sowie Kinder- und Erstlesebüchern hauptsächlich an ein jungen Publikum. "Irgendwo bin ich" ist ihr erstes Romanprojekt für Jugendliche und junge Erwachsene. In dem sie auf mehreren Zeitebenen die Zerrissenheit der Emotionen und der Identität der jungen Kat schildert, die als 13-Jährige von ihrem eigentlich besten Freund Tom gegen ihren Willen zum Sex überredet wurde. Ein Ereignis, das Kats Leben fortan in zwei Hälften teilt, in ein vorher und ein nachher, das sie auch als 15-Jährige nicht endgültig einzuordnen vermag. Denn eigentlich liebt sie Tom noch immer. "Eingereicht hatte ich 20 Seiten. Geschrieben hätte ich das Buch auch ohne Stipendium, aber das hätte wahrscheinlich Jahre gebraucht, neben meiner Tätigkeit als Leiterin des Theaters Schloss Maßbach. Jetzt habe ich den konkreten Auftrag, mich einige Wochen lang konsequent an die Arbeit zu setzen."

Alke Stachler

Vergabe Literaturstipendien 2018; Literaturstipendien

Alke Stachler.

(Foto: Andreas Gebert/StMWK)

Die Auseinandersetzung mit Märchen als Sprach- und Bildmaterial "ist bei mir übergegangen in einen Riesenpool an Versatzstücken", sagt die Augsburgerin Alke Stachler, geboren 1984, über ihre Prosagedichte. In denen zärtlich flüsternde Stimmen im Fluss versenkt werden und lyrische Ichs auf den Wirbelsäulen der Wölfe balancieren. Die Gedichte ihres neuen Lyrikbands "Blau" beschwören mystische Motive, um heutige Weiblichkeitskonzepte, Wandlungen und Grenzverschiebungen zu thematisieren. Ihre Gedichte erzeugen einen traumwandlerischen Sog, insbesondere, wenn sie von ihr selbst vorgetragen werden.

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