Auszeichnung für Judith Butler:Proteste begleiten Verleihung des Adorno-Preises

Als Judith Butler den Adorno-Preis zuerkannt bekam, nahmen deutsche Juden sie als "Israel-Hasserin" unter Beschuss. Beim Festakt wurde die Philosophin, die selbst Jüdin ist, jetzt für ihr politisches Engagement gelobt - vor den Türen protestierten ihre Gegner lautstark gegen die Auszeichnung.

Begleitet von Protesten proisraelischer Organisationen hat die Philosophin und Literaturwissenschaftlerin Judith Butler am Dienstagabend in Frankfurt den mit 50.000 Euro dotierten Adorno-Preis entgegengenommen. Die 56-jährige US-Amerikanerin wurde als maßgebliche Denkerin und politisch engagierte Intellektuelle gewürdigt. Ihre Schriften hätten "einen wohl kaum zu überschätzenden Einfluss", sagte der Kulturdezernent der Stadt Frankfurt, Felix Semmelroth (CDU), der für das Kuratorium sprach.

Judith Butler Adorno-Preis

Umstrittene Ehrung: Die amerikanische Philosophin Judith Butler wurde mit dem Adorno-Preis ausgezeichnet.

(Foto: dapd)

Der Preis wird alle drei Jahre von der Stadt Frankfurt vergeben. Butler ist die erste Frau, die ihn erhält. Die Philosophin war wegen kritischer Äußerungen über Israel zuvor heftig angegriffen worden. In ihrer mit Spannung erwarteten Dankesrede in der Paulskirche ging sie weder auf die Proteste noch auf ihre Haltung zu Israel ein. Butler hatte auf die Kritik des Zentralrats der Juden in Deutschland bereits in mehreren Zeitungsartikeln reagiert und von Denunziation und einem Missverständnis gesprochen.

Der Zentralrat hatte die ebenfalls jüdische Intellektuelle eine "bekennende Israel-Hasserin" genannt und ihr vorgeworfen, sie rufe zum Boykott gegen Israel auf und halte Hamas und Hisbollah für legitime soziale Bewegungen. "Ich bin überzeugt, dass selbst diejenigen, die sich an Butlers Thesen reiben, nicht umhin können, einzugestehen, dass sie als Philosophin und 'public intellectual' eine Wirkung entfaltet, die weit über den universitären Raum hinausreicht", sagte Semmelroth. "Ihre Stimme (...) wird nicht nur gehört, sondern hat Gewicht, wird wahr- und ernstgenommen und dies unweigerlich nicht immer mit Wohlgefallen."

"Kein Adorno-Preis für Judith Butler"

Vor der Paulskirche hatten proisraelische Aktivisten gegen die Ehrung Butlers protestiert. Mehrere Dutzend Teilnehmer hielten Schilder mit Aufschriften wie "Kein Adorno-Preis für Judith Butler" oder "Kein Israelhass im Namen Adornos" hoch. Von Polizeikräften getrennt riefen auf der anderen Seite des Zugangs Unterstützer von Butler Slogans für Palästina und hielten Plakate mit der Aufschrift "Thank you Judith" hoch.

Butler widmete sich in ihrer Rede einem Zitat des Philosophen Theodor W. Adorno. Sie nahm seinen berühmten Satz "Es gibt kein richtiges Leben im falschen" zum Anlass, sich Gedanken zu machen über die Bedingungen gesellschaftlichen Engagements im Allgemeinen. Dabei kam sie zu dem Schluss, dass "wir uns allen Formen von Gewalt entgegenstellen (müssen), die Leben zerstören und unlebbar machen".

"Sie hat etwas bewegt", hieß es in der Laudatio der Butler-Forscherin Eva Geulen über Butlers "weit gespanntes und breit gefächertes Werk". Vor allem den Feminismus habe sie "geradezu aufgewühlt". "Judith Butlers Werk ist stets intensiv verstrickt mit der aktuellen Sache", sagte Geulen. "Ihr Werk ist öffentlich und infolgedessen notwendigerweise kontrovers. Vielleicht ist sie die letzte Intellektuelle eines aussterbenden Typs, aber vielleicht ist sie auch die erste einer neuen Generation öffentlicher Intellektueller: nicht das hofierte Gewissen einer Nation, sondern kosmopolitisch, umstritten und streitbar."

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