Ausstellung:Zuhause bei den Helden

"American Jazz Heroes": Arne Reimers Fotografien im Bayerischen Hof

Von Evelyn Vogel

Eine der schönsten Geschichten, die Arne Reimer bei der Eröffnung der Ausstellung seiner "American Jazz Heroes" beim Jazz-Sommer im Atrium des Bayerischen Hofes erzählt, betrifft ein Foto, das leider nicht vor Ort zu sehen ist. Aber Reimer, der seit Jahren sogenannte "lebende Legenden des Jazz" zu Hause besucht, um sie zu fotografieren, erzählt sie so lebendig, dass man es sich gut vorstellen kann.

Nach mehreren erfolglosen Versuchen, mit dem Pianisten Cecil Taylor einen Termin zu vereinbaren, fährt er eines späten Abends zu dessen Haus in Brooklyn und klingelt. Der 83-jährige Taylor öffnet. Er trägt ein schwarzes T-Shirt, gelbe Socken und um die Hüften ein grün gemustertes Handtuch. Doch statt dem uneingeladenen Besucher die Tür vor der Nase zuzuschlagen, bittet er ihn tatsächlich ins Haus, setzt sich aufs Bett - und fängt an zu erzählen.

Als Reimer um fünf Uhr morgens noch immer kein Foto im Kasten hat - er fotografiert analog mit einer Mittelformatkamera - und etwas ungeduldig wird, weist Taylor ihn zurecht: "Setz dich wieder hin, ich erzähle dir hier Jazz-Geschichte!" Natürlich hat Reimer am Ende sein Foto von Taylor in der Tasche. In diesem ganz privaten Ambiente, mit Büchern und Post auf dem zerwühlten Bett, mit Kaffeetasse und Zigarette in Händen - und urkomisch angezogen. Das ist das Besondere an den Aufnahmen des 44 Jahre alten deutschen Fotografen: Während die meisten Bilder von Jazz-Musikern während der Auftritte auf der Bühne oder Backstage entstehen, besucht der Leipziger sie immer zu Hause. Seine fotografischen Homestories entstehen nach oft langer Recherche, wie er erzählt. "Denn die alten Leutchen haben ja meist keine Homepage. Und im Telefonbuch stehen sie auch nicht unbedingt. Und wenn man ihre Telefonnummer hat, dann gehen sie oft nicht ran oder sagen, man solle morgen noch mal anrufen." Dabei lacht Reimer und man kann sich gut vorstellen, dass dieses "morgen" ein ewiges mañana bedeutet.

Reimer war selbst Jazz-Schlagzeuger, als er mit 18 Jahren begann, die Liebe zum Jazz und die zur Fotografie zu verbinden. Seine ersten Aufnahmen entstanden 1990 bei den Hamburger Jazztagen, wo er Ornette Coleman und David Murray fotografierte. Später studierte er Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Mittlerweile ist die Liste der Porträtierten endlos lang. Hinreißend auch Sonny Rollins, Clark Terry oder - eine der wenigen Frauen im Jazz-Geschäft - Carla Bley.

Für die "American Jazz Heroes", die auch in zwei Bildbänden im Verlag der Zeitschrift Jazz thing (Axel Stinshoff, Köln) erschienen sind, fotografierte er die Jazz-Musiker zwischen 2010 und 2016. Etliche der meist 70- bis 95-Jährigen leben mittlerweile nicht mehr, und Reimers Aufnahmen sind das letzte dokumentarische Vermächtnis. In der Ausstellung hängt leider immer nur eine Aufnahme. In den Büchern sind hingegen mehrere Fotos von den Musikern abgebildet. Reimer versucht meist, sie im Tageslicht zu fotografieren - was nicht immer gelingt. Die älteren Herrschaften sind mitunter eigen. Und Reimer erzählt dort auch die Geschichten, die sie ihm erzählten, und eben die, wie die Fotos entstanden sind. Eine sehr schöne Randbemerkung betrifft die Organistin Carla Bley: Am Ende seines Besuches drückte sie ihm eine Tüte mit Tomaten in die Hand mit den bedauernden Worten, "ach, jetzt waren wir ja gar nicht im Gemüsegarten".

Arne Reimer: American Jazz Heroes, Bayerischer Hof Atrium, Promenadeplatz 2-6, zu sehen bis zum 22. Juli, täglich 8-22 Uhr

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