Ausstellung zu Afghanistan:Zur Sache, Goldschätzchen

Aus dem Staub des Krieges leuchten Gold und Elfenbein: Die Schätze des Nationalmuseums Kabul sind zu Gast in Bonn. Die Bilder.

Johan Schloemann

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(Foto: ag.ddp)

Aus dem Staub des Krieges leuchten Gold und Elfenbein: Die Schätze des Nationalmuseums Kabul sind zu Gast in Bonn. Die Bilder. Masar-i-Scharif. Kundus. Das sind Ortsnamen, die uns nicht unbedingt an blühende Landschaften, feine Kunst und kulturelle Pracht denken lassen. Sondern an den heißen Staub des Krieges, an schweres Gerät. Doch es ist gerade das Einsatzgebiet der Bundeswehr in Afghanistan nördlich des Hindukusch-Gebirges, wo Archäologen entscheidende Entdeckungen gemacht haben.

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Der Boden, den heute Panzer und Minen zerpflügen und zersprengen, gibt Zeugnis von der einst prosperierenden Vielfalt derselben Region in der Antike - von Kultur- und Handelsbewegungen zwischen Griechenland, Persien, China und Indien. Die alten Kunstschätze, die geborgen werden konnten, die den sowjetischen Einmarsch, den Bürgerkrieg, die Taliban wie auch die Besatzung der westlichen Mächte überstanden haben, diese Schätze sind jetzt zum ersten Mal in Deutschland zu sehen. Und zwar in der Kunst- und Ausstellungshalle in Bonn - unweit vom Petersberg, wo 2001 die erste Afghanistan-Konferenz stattfand.

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(Foto: ag.ddp)

In Masar-i-Scharif, wo die deutschen Isaf-Soldaten ihr größtes Feldlager haben, gibt es einen verlassenen Vorort namens Balkh, welcher der umliegenden Provinz Balkh den Namen gibt. Hier schlug auch 329/28 vor Christus Alexander der Große sein Feldlager auf. Der makedonische Welteroberer machte Balkh, antik: Baktra, zur glanzvollen Hauptstadt von Baktrien. Die Krieger Baktriens hatten ihm auf seinem Zug Richtung Indien den härtesten Widerstand geleistet: Partisanentaktik. Als sie besiegt waren, heiratete Alexander hier in Baktra die legendäre persische Prinzessin Roxana. Marco Polo, der im 13. Jahrhundert durchreiste, berichtete über Balkh: "Ich sage Euch, es gab dort früher zahlreiche wundervolle Paläste und schöne Häuser aus Marmor; sie sind immer noch dort, doch liegen sie in Trümmern."

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(Foto: ag.ddp)

Nordöstlich von Kundus, am Fluss Amu-Darja (antik: Oxus) direkt vor den Bergen Tadschikistans, stieß im Jahr 1961 der damalige afghanische König bei der Jagd (das ist jetzt kein Märchen!) auf einen seltsamen Stein: ein korinthisches Kapitell. Die französische Archäologie, seit den zwanziger Jahren in Afghanistan tätig, betrieb die Ausgrabung, bis kurz vor der Invasion der Sowjets 1979. So fand man Ai-Khanum, die zweite große Stadt Baktriens, nach Alexanders Voranstürmen Richtung Indus und seinem Tod (323 v. Chr.) um 300 v.Chr. gegründet. Es war aus mediterraner Sicht der letzte Außenposten der hellenistischen Zivilisation: Gewaltige Tempel- und Palastbauten am Rand der Steppe, Theater, Bibliothek; Inschriften, die die Maximen des Orakels von Delphi wiedergaben, steinerne Komödienmasken. So wurde die griechische Kultur am Hindukusch verteidigt. Aber in der Religion, in der Bauweise, in der Kunst entstanden orientalisch-griechische Mischformen. Ein Beispiel ist eine ungewöhnliche Silberscheibe für die Mysteriengöttin Kybele.

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Und weiter geht es auf unserer Panzerfahrt. Der nächste Fundort liegt westlich von Masar-i-Scharif, in Tillya Tepe, kurz vor der turkmenischen Grenze. Baktrien hatte sich 250 vor Christus zum eigenen griechischen Königreich erhoben und dann sogar bis nach Indien ausgegriffen; Griechentum und Buddhismus befruchteten sich. Doch dann ging das Reich um 150 v. Chr. im Sturm der Nomaden unter, die von Norden her einfielen, ihrerseits von China her bedrängt. Dass diese kämpferischen "Barbaren" die raffinierteste Goldkunst schätzten, das offenbarte der überraschende Fund von sechs Gräbern der Nomaden-Oberklasse in Tillya Tepe, zu datieren auf etwa vierzig, fünfzig Jahre nach der Zeitenwende, wiedergefunden von Franzosen im Jahr 1978.

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Nomaden, die herumziehen und auf Märkten im Tauschgeschäft andere Kulturen treffen, werden künstlerisch zu Eklektizisten: Die Motive des üppigen Goldschatzes von Tillya Tepe, der Kronen, Colliers, Gürtel und Siegelringe, sehen teils fernöstlich aus, teils hat man viel von den Griechen übernommen - international style, könnte man sagen. Diese antiken Warlords liebten Eroten, die auf Delphinen reiten, sie liebten den griechischen Weingott Dionysos und auch die Göttin Athena, weil sie so schön anmutig ihre kriegerische Lanze halten konnte. Fundamentalismus sieht anders aus. Südlich von Kundus wiederum - nicht weit vom Ort des fatalen Luftangriffs auf zwei Tanklaster im September 2009 - fanden Bauern im Jahr 1966 mehrere Goldgefäße mit Tiermotiven, aus einer bis dahin unbekannten bronzezeitlichen baktrischen Kultur, datiert auf 2200-1800 v.Chr. Die Funde deuten auf sehr frühe Kontakte zwischen der iranischen Welt und dem Industal.

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(Foto: dpa)

Verlassen wir nun das deutsche Einsatzgebiet, überqueren wir den Hindukusch und nähern wir uns Kabul. Nördlich der Hauptstadt stößt man auf Bagram (Begram). Hier liegt das Bagram Airfield, das Hauptquartier der US-Streitkräfte in Afghanistan. Und unmittelbar neben dem Militärgelände liegt die Ausgrabungsstätte von Begram: 1937-39 traten hier zwei Kammern mit vielen antiken Kunstwerken zutage, eine Stilmischung aus dem ersten nachchristlichen Jahrhundert, die für die Archäologen im Einzelnen bis heute historisch rätselhaft ist, die aber in jedem Fall das gegenseitige Interesse zwischen griechischer und indischer Kultur vor Augen führt: Da finden sich sogenannte Flussgöttinnen aus Elfenbein, eine Feier weiblicher Schönheit, so galant und figurbetont, dass sie als Zeugnis alter afghanischer Kultur keinem Taliban gefallen kann; skurrile bunte Glasgefäße neben klassizistischen griechischen Motiven in Gips; ausgewogene Bronzestatuetten neben Elfenbeinreliefs mit wildesten Gelagen.

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(Foto: dpa)

Man wünschte, solch fröhlicher Synkretismus hätte in Afghanistan bald wieder eine Chance. Es ist ein großartiges kulturelles Erbe, das dieses geschundene Land zu bieten hat. Immerhin konnten diese Schätze überhaupt überleben. Sie stammen alle aus dem Nationalmuseum in Kabul. Das Museum hat heute wieder geöffnet und hofft auf langsame Konsolidierung der Verhältnisse. Schließlich sind die reichen Bestände stark dezimiert: Nur etwa ein Drittel konnte vor Zerstörung und Plünderung bewahrt werden. Im Frühjahr 2001, als die Buddhas im Tal von Bamian gesprengt wurden, kam auch ein eigens dafür eingesetztes Komitee der Taliban ins Kabuler Nationalmuseum und schlug 2500 Statuen die Köpfe ab, weil die figürliche Darstellung nach ihrer Meinung gegen das Gesetz des Propheten verstößt.

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Die Funde von Tepe Fullol, Ai-Khanum, Tillya Tepe und Begram (kurz: das "baktrische Gold") jedoch wurden weitsichtigerweise 1988 unter Präsident Nadschibullah in einem Banksafe in dessen Präsidentenpalast versteckt und 2004 von Präsident Hamid Karsai der staunenden Weltöffentlichkeit präsentiert. Die Fachleute des Pariser Musée Guimet nahmen sich der Restauration an; dort wurde die Ausstellung auch 2001 zum ersten Mal gezeigt. Dass sie nun nach Stationen unter anderem in Turin, Amsterdam und New York in Bonn zu Gast ist, ist für das Land, dessen Armee genau im Gebiet der Ausgrabungen gegen die Bilderstürmer und für den Wiederaufbau einer alten Zivilisation kämpft, ein besonderes Ereignis. Die Archäologen haben die Arbeit in Afghanistan trotz widriger Umstände wiederaufgenommen. Wann aber wird das baktrische Gold seine Welttournee wieder in Kabul beenden können? "Gerettete Schätze - Afghanistan. Die Sammlung des Nationalmuseums in Kabul", Bonn, Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik, bis 3. Oktober. Info: www.bundeskunsthalle.de. Der Katalog kostet im Museum 32 Euro.

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