Ausstellung:"Wir schaffen uns selber unser Recht"

Ausstellung: Auf Augenhöhe: Die Schriftstellerinnen und Frauenrechtlerinnen von 1900 können in der Monacensia mit gutem Recht selbstbewusst in die Gegenwart blicken.

Auf Augenhöhe: Die Schriftstellerinnen und Frauenrechtlerinnen von 1900 können in der Monacensia mit gutem Recht selbstbewusst in die Gegenwart blicken.

(Foto: Eva Jünger/Münchner Stadtbibliothek)

"Evas Töchter" in der Monacensia erzählt von den Anfängen der bürgerlichen Frauenbewegung in München - neben Anita Augspurg engagierten sich etliche Schriftstellerinnen, von Helene Böhlau bis Carry Brachvogel

Von Antje Weber

Sie blicken einen selbstbewusst an, auf Augenhöhe. Carry Brachvogel, Emma Merk und Marie Haushofer auf der rechten Seite, Helene Böhlau und Emmy von Egidy auf der linken Seite des Ganges (dazwischen noch Max Haushofer, aber der soll wie alle anderen Männer hier einmal nur in Klammern auftreten). Naturgemäß stumm, aber beredt legen diese lebensgroßen Porträts ein Zeugnis ab: davon, dass München vor mehr als hundert Jahren nicht nur das vielmals gerühmte blühende Zentrum der Künste und der Bohème war. Sondern dass es ein gutes Dutzend Frauen gab, allesamt erfolgreiche Schriftstellerinnen, die sich mit der Frauenrechtlerin Anita Augspurg kämpferisch zusammenschlossen: Sie bildeten die Keimzelle der bürgerlichen Frauenbewegung in München und Bayern.

Wenig wusste man bisher über diese Frauen, allzu wenig. Die Literaturwissenschaftlerin und Kulturhistorikerin Ingvild Richardsen, die diese Ausstellung kuratiert hat, forscht seit acht Jahren zum Thema, "sprachlos" darüber, wie unbekannt diese Frauen sind, deren Nachlässe oft unbearbeitet in Archiven liegen: "Es gibt in Bayern noch keine weibliche Literaturgeschichte!" Mit neuen Publikationen sowie der Ausstellung "Evas Töchter", der letzten der scheidenden Monacensia-Leiterin Elisabeth Tworek, ist nun immerhin ein neues Kapitel in der weiblichen Geschichtsschreibung aufgeschlagen. Richardsen und Tworek leisten damit eine verdienstvolle, überfällige Pionierarbeit für München - und dies, da es derzeit 100 Jahre Frauenwahlrecht zu feiern gilt, auch noch zu einem günstigen Zeitpunkt.

Die Zeit scheint reif, jene Frauen wiederzuentdecken - und in dieser Ausstellung zum Beispiel an das "Fotoatelier Elvira" zu erinnern. Das eröffnen Anita Augspurg und ihre damalige Freundin Sophia Goudstikker 1887 in der Von-der-Tann-Straße; schnell entwickelt es sich zu einem Treffpunkt für fortschrittliche Frauen. Die schließen sich 1894 zu einer "Gesellschaft zur Förderung geistiger Interessen der Frau" zusammen und organisieren 1899 einen ersten "Bayerischen Frauentag".

Köstlich ist ein Festspiel, das Marie Haushofer zu diesem Anlass schreibt; das kann man nicht nur Dokumenten und Fotos entnehmen, sondern auch an einer der Medienstationen vertiefen, die überhaupt durchweg sehr hörens- und sehenswerte Ergänzungen zu den Exponaten bieten. Haushofers Festspiel-"Culturbilder" sollen damals jedenfalls den Weg der Frau durch die Geschichte hin zu Beruf und Selbstbestimmung nachzeichnen. Und staunenswert selbstbewusst dichtet sie: "Es lebe die Freiheit, es lebt, wer gewann / Im Kampfe den Sieg, im Siege den Mann! / Und ist er besiegt, so ist er uns Knecht, / Wir schaffen uns selber unser Recht."

Da ist es nicht mehr weit zur "Nationalhymne der Frauen", die Augspurg 1912 verfasst: "Deutschland, Deutschland über alles, / Wenn es auch die Frau befreit, / Ihr die Bürgerkrone bietet, / Folgend einer neuen Zeit." Augspurg hat sich zu diesem Zeitpunkt bereits geografisch und inhaltlich von den Münchner Freundinnen entfernt; die erste promovierte Juristin Deutschlands geht einen eigenen, radikaleren Weg. In der Ausstellung wird ihr Weg dennoch miterzählt - schließlich gehört sie zum Netzwerk, das diese Frauen pflegen, auch darin vorbildlich modern.

Die Kolleginnen treffen sich im Salon einer Carry Brachvogel; sie sind vielseitig künstlerisch tätig - so sind in der Monacensia erstmals bemalte Jugendstil-Teller von Helene Böhlau zu sehen, Vasen von Emmy von Egidy. Vor allem aber schreiben sie - einen Roman nach dem anderen, einer wagemutiger als der vorherige. Wie schwer es jedoch ist, als Frau anerkannt zu werden, zeigt das Beispiel des Buches "Evas Töchter": Emma Merk hat es geschrieben und zu einem Prachtband gebracht - auf dem samtenen Umschlag prangt allerdings nur der Name des Grafikers, nicht der Autorin.

Nein, leicht war es nicht, die Interessen der Frauen durchzusetzen. Und so zeichnet die Ausstellung auch nach, wie der Aufbruch im Ersten und Zweiten Weltkrieg erst gestört, dann ganz gestoppt wurde - und welch trauriges Schicksal etliche der Frauen erwartete. Bewegend sind zum Beispiel letzte Fotos der alten Dame Carry Brachvogel, kurz vor ihrer Deportation ins KZ Theresienstadt 1942. Unzählige Geschichten verbergen sich noch in diesen Materialien, die es zu erforschen gälte. Das umfangreiche Begleitprogramm präsentiert einige davon ausführlicher - und bindet die Frauen von einst zudem mit Diskussionen und Abenden junger Autorinnen an die Gegenwart an. Denn was die Vorgängerinnen vor hundert Jahren begannen, ist ja noch lange nicht vollendet. Nicht nur an den Wänden der Monacensia, auch im kollektiven Gedächtnis ist noch Platz für ein paar Frauen mehr.

Evas Töchter; Ausstellungseröffnung: Mittwoch, 14. März, 19 Uhr, bis 16. Nov., Monacensia im Hildebrandhaus, Maria-Theresia-Str. 23, Eintritt frei

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