Ausstellung:Wie das Fleisch bearbeitet wird

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Der Gebrauch von Wasser zur Körperpflege sei schädlich. Edgar Degas aber malte die Frauen gerne in der Wanne: Après le bain, femme nue s'essuyant la nuque. (Foto: Katalog)

Eine Schau im Musée Marmottan in Paris zeigt unterschiedliche Ansichten von Körperpflege: vom Waschen mit einem trockenen Lappen in weiten Salons bis zum lustvollen Plantschen.

Bringt man Bilder kulturgeschichtlich zum Sprechen, werden sie schnell geschwätzig, vor allem bei einem Thema wie diesem. Die Schau im Pariser Musée Marmottan "La Toilette - Naissance de l'Intime" zeigt, wie nach dem mittelalterlichen Wonnebad im Blumengarten mit Musik und anderen Köstlichkeiten die Toilette sich allmählich ins Hausinnere zurückzog zwischen Spiegel und ausgesuchten Fensterausblicken. Wie im Jahrhundert der Libertins - etwa bei François Boucher - dann im Boudoir unter hochgekrempelten Röcken hinter Vorhängen mit dem Intimbereich gespielt wurde und wie bei Édouard Manet, Edgar Degas oder Pierre Bonnard die Entblößten in Waschzuber und Badewanne wieder mit Wasser und Lappen zu hantieren begannen.

Die Fülle der Darstellungen seit dem Spätmittelalter könnte aber auch ganz andere Geschichten erzählen. Dass die Ausstellungskuratoren der Versuchung widerstanden, die Exponate einfach als Zeugen ihrer Theorie vorzuführen, rettet ihr zwischen Kunst- und Kulturgeschichte etwas unschlüssiges Unterfangen. Die Schau im Pariser Musée Marmottan bietet ein reichhaltiges Bilderpanorama, das sich in keine Ausstellungsthese zwängen lässt.

Auch das war Körperpflege: Ein Bild zeigt, wie eine Frau auf ihrer Brust Flöhe zerdrückt

Man muss die barocke Üppigkeit der Damen vor dem Spiegel bei Nicolas Régnier oder Abraham Bosse im frühen 17. Jahrhundert schon genau betrachten, um das Hintergründige der Szene zu erkennen. Vom Gebrauch des Wassers sei bei der Körperpflege abzuraten, denn durch die erweiterten Poren könnten Krankheiten in die Organe eindringen, lehrten einschlägige Abhandlungen seit der Renaissance. Man begnügte sich also mit trockenen Lappen. So prächtig die Röcke, Vorhänge und Tischtücher am Toilettentisch sich aber blähen, erinnert ein Nachttopf oder ein flüchtig hingeworfenes Stück Leibwäsche doch stets daran, dass hier das Fleisch bearbeitet wird mit Parfum, Puder und allerlei Flitter. Georges de La Tour zeigt in seiner "Femme à la puce" die Sache aber auch direkter: Halb entblößt zerdrückt eine Frau im Kerzenschein auf der wächsernen Haut ihrer Brust Flöhe.

Ist die Körperpflege mit trockenen Lappen in den weiten Gemächern barocker Paläste noch eine halböffentliche Sache, bei der manchmal auch männliche Gesprächspartner geduldet werden, so zieht sie sich im 18. Jahrhundert ins Private zurück. Bidet und sonstige Neuerfindungen zur Intimpflege weisen hier die Toilette ganz anderen Dingen zu als einst in der Renaissance. Die Ammen, die dort im Hintergrund mit einem Säugling an der Brust die Toilette der Herrin aufs Kindbett bezogen, sind hier verschwunden. In den zerwühlten Salons nach einer offenbar bewegten Nacht ist allenfalls eine Dienstmagd anwesend. So zeigt ein Bild von François Eisen aus dem Jahr 1742 eine Dame am Waschtisch mit dem wohl von der nächtlichen Erregung noch roten Gesicht, neben ihr ein "Damennachttopf" und ein Hund, der an einem Wäschestück schnüffelt, während die Dienstmagd im Hintergrund ein neugierig hereindrängendes junges Mädchen hinausschubst. Die Waschung hat hier wohl eher den konkreten Zweck der Empfängnisverhütung.

Genüsslich im Wasser geplanscht wird erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts, wo die Toilette hinter verschlossenen Türen stattfindet, die entblößten Körper mit manchmal schlaffen Fleischpartien keinem Schönheitsideal mehr entsprechen - und wo männliche Sujets nach wie vor abwesend bleiben. Von den Frauen mit dem Kamm im losen Haar bei Manet, Degas, Berthe Morizot geht eine unterschwellige Erotik aus. Pierre Bonnard hat seine Frau Marthe wiederholt beim Waschen gemalt, zunächst oft vor wuchtig schwüler Tapete, in einem späteren Pastell aber auch schon unheimlich wie eine Wasserleiche in der Badewanne.

In dem Maße indessen, wie Badezimmer, fließend Wasser und Dusche zur Tagesroutine wurden, verlor das Sujet an Anziehungskraft für die Malerei. Mit Werken von Kupka, Fernand Léger, Picasso versucht die Ausstellung zwar, die Zersetzung der Körper vor dem Toilettentisch schon jenseits des Spiels mit Scham und Exhibition zu demonstrieren. Doch bekommt sie das Phänomen nicht überzeugender in den Griff als im Versuch, die Übernahme des Themas durch Mode- und Werbefotografie für Schönheitsprodukte und häusliche Wellness-Einrichtungen aufzuzeigen. Wo Körperhygiene eine Selbstverständlichkeit und nackte Körper etwas Banales geworden sind, ist das Geheimnis hinter Gebüschen, Fenstern oder Schlüssellöchern dahin. Die beim Bad überraschte Frau oder die in Spiegeln sich betrachtende Venus aus der barocken Malschule von Fontainebleau darf sich wieder ankleiden und als Mannequin für die Modeschau bewerben.

"La Toilette - Naissance de l'Intime" . Im Musée Marmottan, Paris. Bis 5. Juli. Infos: www.marmottan.fr. Der Katalog kostet 29 Euro.

© SZ vom 26.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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