Ausstellung:Wider die Willkür

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"Wenn Menschen flüchten, um ihr Leben kämpfen und dabei ertrinken, berührt mich das sehr", sagt Parastou Forouhar. (Foto: Galerie Karin Sachs)

In der Galerie von Karin Sachs sind noch bis Mitte Oktober Arbeiten der iranischen Künstlerin Parastou Forouhar, deren Eltern vom Regime ermordet wurden, zu sehen

Von Stefanie schneider

Zu wissen, woher man kommt, gibt meist Sicherheit. Ein gewisses Gefühl von Vertrautheit und Geborgensein. Wenn die Künstlerin Parastou Forouhar an ihr Herkunftsland denkt, ist davon nicht viel zu spüren. Im Gegenteil: Ihre Heimat, das Land der Träume ihrer Eltern, beschert ihr sogar Albträume. Im November 1998 werden Forouhars Eltern, führende oppositionelle Politiker, in ihrem Haus in Teheran ermordet. Das Verbrechen geht vermutlich auf das Konto des iranischen Geheimdienstes, wurde aber nie umfassend geklärt.

Auch wenn die Lage durch den Amtsantritt Hassan Rohanis 2013 etwas entschärft scheint, sind Zensur und staatliche Repressionen durch das iranische Regime immer noch dauerpräsent, die Diskriminierung von Frauen und Homosexuellen an der Tagesordnung. Inwiefern diese Strukturen ein tatsächliches Leben beeinflussen, zeigen iranische Filme wie "No Land's Song" und "Fifi Howls from Happiness", die am vergangenen Samstag im Rahmen des Festivals "Cinema Iran" zu sehen waren. "Fifi Howls from Happiness" porträtiert den homosexuellen Künstler Bahman Mohassess, der die vergangenen Jahre seines Lebens im Exil verbrachte. Zu Zeiten des Schah-Regimes war Mohasses ein bekannter Künstler, ausgebildet in Italien, der meist nackte Bronzefiguren schuf, die vielfach zensiert wurden. "Wenn diese Werke zerstört, zerschlagen oder gestohlen werden, dann siegt mal wieder die Ignoranz, die so bezeichnend ist für die heutige Zeit", sagt Mohasses im Film.

Genau dagegen wehrt sich Parastou Forouhar: Mehrfach im Jahr reist die in Offenbach lebende Künstlerin zurück nach Teheran, kämpft für die Aufklärung des Mordes an ihren Eltern, hält die Erinnerung an sie in ihrem Elternhaus wach und setzt sich auch künstlerisch konstant mit dem Thema der Gewalt und Unterdrückung auseinander. In der Galerie Karin Sachs zeigt sie noch bis zum 22. Oktober eine Auswahl ihrer Werke der vergangenen zwei Jahre. Auch hier prangert Forouhar mit künstlerischen Mitteln Gewalt und Folter an. Dabei ist das Ornament, die unendliche Wiederholung ein und derselben Form, ihr künstlerisches Werkzeug. "Das Ornament strahlt Harmonie aus, erklärt die Künstlerin, "jeder kleine Bruch bedeutet jedoch ein Fehler im System, der behoben werden muss. Darin sehe ich definitive Parallelen zu totalitären Strukturen."

Auf den ersten Blick wirken die digitalen Zeichnungen Forouhars wie expressive Porträts in sich gekehrter, beinahe schöner Gestalten. Bei näherem Hinsehen wird die Grausamkeit des vermeintlich Harmonischen erst deutlich: Es sind keine Gesichter, sondern viele kleine Körper, die gegeneinander kämpfen, sich winden und verrenken. Ein endlos fortsetzbares Bild menschlicher Grausamkeiten, verschleiert durch die Illusion des oberflächlich Angenehmen. Dabei bezieht sich die Künstlerin nicht nur auf Iran. "Unterdrückung und Gewalt", sagt Forouhar, "gibt es leider überall. Ich finde es scheinheilig, wenn sich der Westen vor diesen Tatsachen immer wieder verschließt."

Parastou Forouhar thematisiert auch hier in der Galerie, was in Europa gerade passiert: "Wenn Menschen flüchten, um ihr Leben kämpfen und dabei ertrinken, berührt mich das natürlich sehr. All das passiert immer und immer wieder", schildert die Künstlerin, und fährt fort: "Sich dessen und seiner eigenen Verantwortung bewusst werden - genau das ist es, was ich mit meiner Kunst will."

Parastou Forouhar ; Galerie Karin Sachs, Augustenstr. 48, Dienstag bis Freitag, 13 bis 18 Uhr, Samstag, 12 bis 16 Uhr, bis 22. Oktober

© SZ vom 17.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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