Ausstellung:Welt als Glas und Stahl

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Kristallförmige Abschlüsse prägen die Türme "One and Two Liberty Place" in Philadelphia, die Helmut Jahn gebaut und die Rainer Viertlböck grafisch in Szene gesetzt hat. (Foto: Rainer Viertlböck; courtesy Schirmer/Mosel)

Der Fotograf Rainer Viertlböck hat die Bauten des Architekten Helmut Jahn aus den Jahren zwischen 1975 und 2015 eindrucksvoll ins Szene gesetzt. Das zeigen eine Auswahl in der Architekturgalerie und ein Bildband von Schirmer/Mosel

Von Evelyn Vogel

Es ist schon eine ganz besondere Beziehung, die der Architekt Helmut Jahn und der Fotograf Rainer Viertlböck da haben. Seit 2004 arbeiten sie intensiv zusammen, seit Viertlböck die Münchner Highlight Towers von Jahn fotografiert hat. Woraufhin ihn Jahn mit der Dokumentation seiner Arbeiten beauftragte. Und wenn ein Architekt über einen Fotografen sagt, dass er durch die Aufnahmen seine eigene Arbeit "in neuem Licht" gesehen habe, dann hat das schon einiges zu bedeuten. Zumal bei Jahn, der zu den ganz Großen seiner Zunft gehört.

Der Architekt machte an der TU München seinen Abschluss, bevor er 1966 in die USA ging und am Illinois Institute of Technology in Chicago studierte. Seine Einflüsse durch das deutsche Bauhaus waren anfangs unverkennbar. Sein erster Brötchengeber, C. F. Murphy Associates, wurde schon Anfang der 1980er Jahre in Murphy/Jahn Architects umbenannt. Seit 2012 nennt sich die Firma schlicht und ausschließlich Jahn und unterhält Büros in Chicago, Berlin und Shanghai.

Jahns Bauten stehen in aller Welt, in manchen US-amerikanischen Großstädten könnte man sich vermutlich auf ausgedehnte Jahn-Architek-Touren begeben. Sie finden sich als Solitäre und in Serien in Chicago ebenso wie in Singapur und Shanghai, sie prägen die Skylines von Frankfurt bis München und Berlin, setzen Zeichen in Brüssel, Las Vegas und Tokyo. Jahns Markenzeichen: Glas und Stahl.

Rainer Viertlböck, geboren in München, lebt in Gauting. Er ist ein inzwischen mehrfach ausgezeichneter Fotograf, der 2001 mit großformatigen Architekturaufnahmen begonnen hat. Über Jahns Türme aus den 80er- und 90er-Jahren sagt er: "Sie erinnern mich an amerikanische Straßenkreuzer." Die Architektur fotografiert oft in serieller Form, aber auch Stadträume und Landschaften gehören zu seinen bevorzugten Motiven. Und eines prägt fast immer seine Architekturfotografie: der Bezug zu der umgebenden Stadtlandschaft. In München schon mehrfach zu sehen waren die Bilder, die Viertlböcks Blick von oben auf seine Heimatstadt zeigen.

Sein Blick geht aber nicht nur auf gebaute Abstraktionen der Idee von Leben und Wohnen und Arbeiten. Ihn interessiert auch vieles, was mit der Globalisierung der Welt zu tun hat. Dort zeigt er die Licht- und Schattenseiten. So sind Aufnahmen von Industriebrachen, Abraumhalden und Erzminen entstanden. Er hat die Behausungen illegaler afrikanischer Immigranten in Südspanien ebenso dokumentiert wie die Bunkeranlagen an der Atlantikküste, den Glanz und Niedergang Chicagos oder die Veränderungen in Japan nach der Atomkatastrophe von Fukushima.

Die Ausstellung in der Architekturgalerie ist aber gänzlich der Zusammenarbeit von Jahn und Viertlböck gewidmet. Bauten von Jahn aus den Jahren 1975 bis heute. Wobei man ja bei Architekturfotografie, insofern sie nicht nur dem Marketing gilt, immer hin- und hergerissen ist zwischen dem Abgebildeten und der Abbildung. Die Ästhetik der Architektur ist eine Sache. Die der Fotografie eine andere. Viertlböck hat eine Bildsprache entwickelt, die den Gegenstand in den Mittelpunkt rückt und sich doch oft gut dagegen behauptet. Etwa 30 Arbeiten sind in der aktuellen Ausstellung zu sehen. Dicht an dicht hängen die Aufnahmen auf Alu-Dibond, einer Technik, die Viertlböck besonders mag, weil keine Spiegelung den Eindruck stört. Seidig schimmernd, fast matt wirken die Oberflächen der Fotos. Intensiv leuchten die Glas-Stahl-Strukturen.

Jahn wie Viertlböck teilen nicht nur das Interesse für Architektur. Sie sind auch beide Perfektionisten, was Nicola Borgmann von der Architekturgalerie im Begleitbuch schön beschreibt. Dass sie damit nicht unrecht hat, zeigt eindrucksvoll die aktuelle Schau.

Helmut Jahn: Bauten 1975-2015, Fotografien von Rainer Viertlböck, Architekturgalerie, Türkenstraße 30, bis 24. Oktober, Mo-Mi 9.30-19 Uhr, Do/Fr bis 19.30 Uhr, Sa bis 18 Uhr, Katalog: Schirmer/Mosel Verlag

© SZ vom 22.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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