Ausstellung:Warten

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Warten Sie gerade darauf, dass der eigentliche Text zu dieser Überschrift losgeht? Ja? Und wie fühlt sich dieses Warten an? Ist es ein vorfreudiges Warten? Ein gespanntes? Ein genervtes? Oh sorry, dann los jetzt mit dem Text.

Von Till Briegleb

Warten ist das Gegenteil von Leistung und Effizienz. Aber ist es deshalb schon rebellisch? Bei manch gelangweilt rumhängenden Jugendlichen mag es Verachtung für die Arbeit beinhalten. Bei manchem Zögernden vor großen Entscheidungen, die auch falsch sein können, sogar Weisheit. Gelegentlich ist Warten gleichzusetzen mit Vorfreude, etwa in der Schwangerschaft, oder es bedeutet ein letztes Zeitgeschenk wie bei der Gnadenfrist. Und für bürokratische Systeme ist Wartenlassen eine Machtdemonstration. Aber eigentlich ist das Warten vor allem eine Prüfung, die die Menschheit in zwei Lager teilt: die Geduldigen und die Nervösen. Letztere stiften manchmal sogar Revolutionen an, wenn sie zu lange auf Brot oder das Einlösen von Versprechungen gewartet haben.

Das Warten gleicht also einem großen zeitlichen Behälter für alle möglichen Emotionen und Optionen, und die "Warten" betitelte Ausstellung in der Kunsthalle Hamburg erfüllt die Er-Wartungen an diese Vielzahl von Zuständen mit Werken von 23 Künstlern - wobei die Nähe zum Humor vieler Konzepte auch zeigt, als wie absurd das Warten oft empfunden wird. Zwei Werke von Vajiko Chachkhiani schlagen den ganzen Bogen von grotesk zu todtraurig. Da saß bei der Eröffnung ein Mann mit einbetonierten Füßen stundenlang auf einem Stuhl und hinterließ für die späteren Besucher den gesprengten Betonklotz als Symbol der Befreiung aus dieser Gefangenschaft. In dem Video "Life Track" dagegen blickt ein Hospiz-Insasse mit unheimlichem Ausdruck durch eine Fensterscheibe hinaus in den Garten, wo die Vögel zwitschern.

Einst künstlerisch gestaltete armenische Bushaltestellen im fortgeschrittenen Verfallsstadium bilden in einer Serie von Ursula Schulz-Dornburg den Hintergrund für Menschen, die schicksalsergeben warten, während die Porträtserie "Beyond Caring" von Paul Graham staatliche Wartezimmer aus dem England der Achtziger als Gesellschaftsporträt des Totalschadens wiedergibt, den der Thatcherismus angerichtet hat. Und viele Berufe, die vor allem aus Warten bestehen, wie Pförtner (Andreas Gursky) oder Prostituierte (Txema Salvans) vergrößern noch den Ozean des interessant Ereignislosen. Nicht warten, ansehen.

© SZ vom 25.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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