Ausstellung: Totenmasken der RAF:Die Villa der Toten

Gudrun Ensslins Gesicht wirkt klein, Jan-Carl Raspe sieht aufgequollen aus und Andreas Baader lächelt nicht: In Esslingen werden die Totenmasken der RAF gezeigt - sie wirken sehr lebendig.

Bernd Dörries

Gudrun Ensslins Gesicht wirkt viel kleiner, als man sich das vorgestellt hat. Jan-Carl Raspe sieht aufgequollen aus. Und Andreas Baader lächelt nicht, aber die Lippen gehen etwas nach oben. Ihm hätte das vielleicht ganz gut gefallen, dass er immer noch da ist. Als Symbol, als Thema und jetzt auch noch als Maske. Früher schrieb die RAF in ihren Flugblättern, es gehe ihr darum, die faschistische Fratze hinter der demokratischen Maske des Staates freizulegen. Jetzt liegen sie einfach so da, die Masken der drei, die mal einen Kampf geführt haben, der auch ein totalitärer war.

RAF, Totenmasken, AP

Sie wollten die faschistische Fratze hinter der demokratischen Maske des Staates freilegen: Die Villa Merkel in Esslingen zeigt die Totenmasken der in Stammheim verstorbenen RAF-Mitglieder.

(Foto: Foto: AP)

Gibt es wohl bald ein Jahr ohne RAF-Diskussion?

In einem kleinen Glaskasten liegen sie, in einer Esslinger Villa. Durch das Fenster darüber kann man den Neckar sehen, der hier kein lieblicher Fluss aus den Gedichten von Hölderlin ist, sondern eine einbetonierte Wasserstraße. Ein paar Kilometer neckarabwärts, in Stuttgart-Stammheim, wird bald Verena Becker der Prozess gemacht - und wieder wird über die RAF diskutiert werden. Es ist die Frage, wie lange es noch dauern wird, bis dieses Land einmal ein Jahr ohne RAF-Diskussion erlebt. Zuletzt wurde der RAF-Kinofilm durchgesprochen, davor der Deutsche Herbst.

Die Terroristen sind immer noch da. Und sie wirken sehr lebendig in diesen Totenmasken. Die Villa Merkel, in der die Masken nun zu sehen sind, ist ein städtischer Ausstellungsraum. Natürlich gab es einen kleinen Aufruhr, als die Sache bekannt wurde. Einige städtische Mitarbeiter bleiben der Eröffnung der Ausstellung fern. Der Leiter der Villa Merkel, Andreas Baur, sagt: "Ich habe selbst lange gezögert, ob wir die Masken in diesem stark bürgerlich geprägten Umfeld zeigen sollen." Auch die ehemalige RAF-Terroristin Astrid Proll, die ein paar Fotografien zu der Ausstellung beigesteuert hat, habe lange Bedenken gehabt. Ob man das denn machen solle. "Das ist eine Ausstellung, die mit Mitteln der bildenden Kunst reflektiert, was passiert ist. Wir schlagen uns nicht auf die Seite der Täter", sagt Baur.

Die Frage nach dem Woher

Früher hat man sich mit Totenmasken der Seinen erinnert, der eigenen Herkunft. Sie waren die Antwort auf die Frage nach dem Woher, als es noch keine Fotos gab. Schon damals hat man die Masken manchmal bearbeitet, so wie es auch der Tübinger Bildhauer Gerhard Halbritter gemacht hat. Ein paar Haare mehr für Raspe, ein paar Wimpern für Ensslin. Halbritter hat die Masken 1977 angefertigt, als die drei Toten nach ihrem Selbstmord in Stammheim in die Tübinger Gerichtsmedizin kamen.

Seine Tochter verkaufte sie nach seinem Tod für 20000 Euro an einen Kunsthändler, der sie nun der Villa Merkel auslieh. Bis zu drei weitere Sätze der Masken soll der Gerichtsmediziner angefertigt haben. Einer lag lange in der Freiburger Polizeiakademie und wurde dann aus Pietätsgründen vernichtet. Einen Satz besitzt das Haus der Geschichte in Stuttgart, zeigt ihn aber nicht öffentlich. Anders als die Totenmaske von Erwin Rommel, die vor einem Jahr dort zu sehen war.

Manson, die Mondlandung, die Studenten, die RAF

Das war damals nicht groß aufgefallen, nun aber lief die Bild-Zeitung mit Hanns Martin Schleyers Sohn durch die Villa in Esslingen: "Ich sah die Fratzen, die mir den Vater nahmen", sagte Jörg Schleyer. Und: "Andere Verbrecher werden doch auch nicht ausgestellt." In Esslingen trifft das zumindest nicht ganz zu, ein paar Meter weiter hängen die Bilder von Charles Manson, dem amerikanischen Psychopathen, dessen Sekte mehrere Menschen ermordet hat. "Man Son 1969. Vom Schrecken der Situation", heißt die Ausstellung. Das Jahr 1969 aus der Sicht der Kunst. Manson, die Mondlandung, die Studenten. Die RAF, und die Folgen. Die Totenmasken.

Ob es auch eine Arbeit gebe, die sich denen widmet, die zurückgeblieben sind? Den Opfern, den Hinterbliebenen? "Inwiefern?", fragt der Villa-Leiter Andreas Baur. Es gibt sie nicht, die Opfer. Nicht in dieser Ausstellung. Für die Opfer hat die Kunst keinen Zugang gefunden. Vielleicht, weil das Opfer der Kunst zu langweilig ist. Das ist ja das, was die Hinterbliebenen immer beklagt haben. Was auch die Hinterbliebenen von Winnenden beklagen.

Dass der Täter immer die ganze Aufmerksamkeit bekommt. Ob es denn vorstellbar sei, dass in zwanzigJahren hier ein Bild des Amokläufers von Winnenden hängt? "Das müssen die Verantwortlichen dann entscheiden", sagt Baur. Er hat sich für die Totenmasken der Terroristen entschieden, bis Anfang Juni zeigt er sie. Es gab eine kleine Aufregung, und es gibt ein paar mehr Besucher in der Villa. Mehr nicht. Vielleicht ist eben das der Weg in die Normalität.

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