Ausstellung:Stellvertreter im Welttheater

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Das Gespür für den Augenblick: Oft, wie auch auf diesem Bild aus Kuba, sind Franz Meillers Menschen nur angeschnitten sichtbar. (Foto: Franz Meiller)

Der Fotograf Franz Meiller präsentiert seine großformatigen Arbeiten in einer wirkungsvollen Installation in der Hauptstelle der Münchner Stadtsparkasse

Von Jürgen Moises

Geld frisst Kunst, Kunst frisst Geld. So haben das zuletzt Georg Seeßlen und Markus Metz in ihrem gleichnamigen Buch polemisch formuliert. Dass das nicht unbedingt so sein muss, zeigt derzeit die Ausstellung "Franz Meiller. Fotografie" in der Hauptstelle der Stadtsparkasse München. Kunst und Geld existieren hier friedlich nebeneinander, oder besser: über- und untereinander. Meillers auf bis zu drei Meter großen Platten aufgezogene Fotografien schweben dort nämlich direkt über der Kundenhalle, oder in etwas kleineren Formaten an den Seitenwänden rechts und links. Eine logistisch aufwendige Hängung, die sich anhand eines ebenfalls mitausgestellten, verkleinerten Modells der Kundenhalle im Detail nachvollziehen lässt. Und die auch gut zu Meillers Bildern passt. Zeigen doch auch diese in großen Teilen eine Welt im Schwebe- oder Wartezustand.

Dazu gehört etwa der junge Mann, den der Münchner Fotograf mitten im Sprung eingefangen hat, beim Versuch, die Oberkante einer Wand zu erreichen. Oder das Fußballtor, das in Grönland menschenverlassen in der Landschaft steht. Oder die Polstergarnituren auf einer staubigen Dorfstraße irgendwo in Kenia. Oder die "abgespielte" Bühne im Düsseldorfer Schauspielhaus. Eine Frau ist dort gerade am Saubermachen. Ein Staubsauger steht herum. Um die Überreste der vorangegangenen Aufführung in sich aufzusaugen? Eingefangen hat Franz Meiller all diese Motive auf Reisen oder während eigener Theater-Engagements. Denn Meiller ist nicht nur Fotograf, sondern auch Schauspieler, und das kommt zum Allround-Talent noch dazu: Leiter der Marketing-Abteilung eines Unternehmens. Teilweise wurden die Theater-Impressionen auch bei Proben oder Inszenierungen seiner Lebensgefährtin eingefangen: der Regisseurin Christiane Pohle.

Was Franz Meiller jedenfalls als Fotografen auszeichnet, ist ein gutes Gespür für den richtigen Augenblick, für ungewöhnliche Details, für farbliche Harmonien und motivische Kontraste. Bei seinen Reisefotografien entgeht er dadurch gängigen touristischen Klischees. In Griechenland hat Meiller ein von einem Tuch verdecktes Auto fotografiert. Und auf Kuba fällt sein Fotografenblick auf zwei blaue, halb offene Telefonkabinen, neben denen ein Junge steht. Beim Versuch, mit den großen "Ohren", wie sie der Titel nennt, zu telefonieren. Eines der schönsten Motive dieser Ausstellung. Wenn Meiller Menschen fotografiert, dann sieht man sie wie den Jungen in Kuba oft von hinten. Ihre Körper sind oft "angeschnitten" oder hinter Gegenständen verdeckt. Selbst dann, wenn sie wie etwa die junge Frau, die an einer alten, sitzenden Frau mit Krücke vorübergeht, im Zentrum stehen, wirken sie eher "ausschnitthaft" und exemplarisch. Wie ausgesuchte Stellvertreter eines Theatrum Mundi. Wirklich persönlich nahe kommen sie einem nicht.

Beim Versuch, die eigene Heimatstadt frei von touristischen Klischees und "abgenutzten" Motiven abzubilden, wird es schwierig. Zumindest könnte das eine Erklärung dafür sein, warum Meiller hier im Gegensatz zu anderen Motiven mit optischen "Tricks" arbeitet, mit Doppelbelichtung, Spiegelungen oder farblichen Verfremdungen. Der Alte Peter und die Frauenkirche, beide schon Tausende Mal fotografiert, begegnen einem als verschwommene Spiegelbilder im Kräutlmarktbrunnen. Auf dem riesigen Panorama-Foto "München schattig" ist die Stadt als dunkle Silhouette unter einem sepiafarbigen, dramatisch leuchtenden Himmel zu sehen. Hier bewegen sich Meillers Bilder zwischen Foto-Experiment und Foto-Design.

Auch sonst wirkt sein fotografischer Zugriff auf die Welt stilistisch nicht immer eindeutig, vereinzelt noch wie ein Suchen nach dem eigenen Stil. Wenn er den Münchner Rathausturm gewissermaßen aus der Vogelperspektive zeigt, aus der Ferne hinter der dunklen Silhouette eines Vogels und einer Fernseh-Antenne aufragend: dann gelingt ihm aber auch hier ein origineller, neuer Blick.

Franz Meiller. Fotografie, bis 18. September, Stadtsparkasse München, Sparkassenstr. 2

© SZ vom 01.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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