Ausstellung:Schöpfungsdrang

Ausstellung: Fritz Winters Ölgemälde "Schwarz und Weiß" (WVZ 2694) aus dem Jahr 1969

Fritz Winters Ölgemälde "Schwarz und Weiß" (WVZ 2694) aus dem Jahr 1969

(Foto: Wolfgang Zäh)

Der Maler Fritz Winter war fasziniert von den Kräften der Natur. Eine Ausstellung in Dießen zeigt seine Bilder von den Dreißiger- bis zu den späten Sechzigerjahren

Von Sabine Reithmaier

Der Ausflug lohnt auf jeden Fall. Denn das Fritz-Winter-Atelier in Dießen, ein Bauhaus-Kubus, 1961 entworfen von Gustav Hassenpflug, ist in seiner Geradlinigkeit an sich schon ein sehr sehenswerter Bau. Und die Ausstellung, die Michael Gausling, der Großneffe des Malers, gerade zeigt, ergänzt ideal die aktuelle Fritz-Winter-Schau "Die 1960er Jahre - Jahrzehnt der Farbe" in der Pinakothek der Moderne (noch bis 28.2.). Während in München der Fokus auf dem Spätwerk liegt, spannt Gausling einen Bogen von den Dreißiger- bis zu den späten Sechzigerjahren. Die Werke aus der letzten Schaffensdekade des Malers von 1960 bis 1975 überwiegen aber auch hier.

Winters Kunst war zeitlebens ein Versuch, nicht leicht erkennbare Kräfte in der Natur offenzulegen und so Wirklichkeit zu schaffen. Dass sich die Münchner Ausstellung dezidiert den Jahren Winters widmet, in denen die Auseinandersetzung mit Farbe und Farbfeldmalerei in den Vordergrund tritt, ist ganz im Sinne Gauslings.

Der Großneffe bemüht sich seit Jahren, das Etikett der Dunkelmalerei, das lange Zeit die Rezeption Winters bestimmte, zu widerlegen. Das Dunkle, Erdige passte eben zu gut zu dem Bergmann, der Winter ja auch gewesen ist. 1905 geboren als ältestes von acht Kindern eines Bergarbeiterfamilie im westfälischen Altenbögge, arbeitete er als gelernter Grubenelektriker immer wieder unter Tage, bis er 1927 dank Paul Klees Empfehlung am Bauhaus zum Studieren angenommen wurde.

An die grafisch geprägte Frühzeit erinnert in Dießen nur ein kleines Ölbild ohne Titel aus dem Jahr 1929. Der Kopffüßler vor grünem Hintergrund lässt sofort an Klee denken, neben Kandinsky und Schlemmer einer der Lehrer Winters am Bauhaus. Nach Dießen kam der Maler 1935, den Lehrauftrag in Halle hatten ihm die Nazis bereits zwei Jahre zuvor entzogen. Vier Jahre später kam ein Mal- und Ausstellungsverbot dazu. Dann der Krieg. Winter wurde 1944 an der Ostfront schwer verletzt. Während eines Genesungsaufenthalts in Dießen entstand die später so berühmte und intensiv rezipierte, mehrteilige Papierarbeit "Triebkräfte der Erde". Unmittelbar danach geriet er in russische Kriegsgefangenschaft, kehrte erst 1949 heim. In dem Jahr entstand auch "linear", ein ebenfalls noch grafikdominiertes Blatt.

"Große Erkenntnisse haben keine leuchtenden Farben, sie sind entweder schwarz oder weiß oder grau", notierte Winter 1952 in seinem Tagebuch. "Die leuchtenden Farben gehören den Geschlechtern der Erde. Ich bin froh, rot und gelb zu sein, aber ich sehne mich nach Grau, dem Unendlichen." Die Formen, farblich unheimlich präsent, beginnen im Raum zu schweben, die Titel bleiben sachlich, lauten "Vor Gelb" (1969), "Grüner Kreis" (1968) oder "Bestimmendes Blau" (1954).

Mitte der Fünfzigerjahre beginnt er, die Farbe direkt aus der Tube auf die Bildfläche zu bringen. Er spachtelt seine Kompositionen, dem in hellen Farben schimmernden "Brautgarten" (1961) verleiht das eine enorme Plastizität. Schichtungen und Überlagerungen kennzeichnen auch die Farbfeldbilder, mit denen sich Winter in den Sechzigerjahren auseinandersetzt und die jetzt in der Pinakothek zu sehen sind. Er komponiert die Bilder aus einem dichten Gewebe einzelner Farbvierecke, versucht, die Weite der Natur zu fassen.

Doch diese Werkreihe endete um 1966, auch weil Winter in Auseinandersetzung mit Mark Rothko die Gefahr der Verarmung und Monotonie befürchtet. Er experimentiert wieder mit Strukturen, Zeichen und Linien, umreißt wie in den übergroßen "Räumen horizontal" (1969) sogar die Farbfelder scharfkantig. Nie aber geht es ihm um rein formale Auseinandersetzungen, immer sucht er nach einem übergeordneten Bezug zur Natur, zur Schöpfung. Carla Schulz-Hoffmann beschrieb die Bilder Winters einmal als "Gegenwelten" und "positive Utopien" . Genau diese Kraft ist in Dießen wirklich gut zu spüren.

Fritz Winter - Starke Bilder, verlängert bis 13. März, Do.-Sa., 14-18 Uhr, So., 11-18 Uhr, Galerie im Fritz-Winter-Atelier, Forstanger 15, Dießen

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