Ausstellung:Richtungsweisendes Potential

Ars Viva Anna-Sophie Berger

Eine eher skizzenhafte Installation: Anna-Sophie Berger hat in einem Salzburger Park zwei kaputte Fußballtore aufgestöbert.

(Foto: Kunstverein München)

Arbeiten der Gewinner des Ars-viva-Preises im Kunstverein

Von Jürgen Moises

Angeblich glauben zahlreiche Australier, dass Crocodile Harry aus Bayern stammte. Und manche sagen auch, dass er das Vorbild für die Filmfigur "Crocodile Dundee" war. Tatsächlich wurde der 2006 verstorbene Baron Arvid von Blumental, wie Crocodile Harry bürgerlich hieß, aber in Lettland geboren. Und laut anderen Quellen wurde "Crocodile Dundee" vom Leben des Buschjägers Rod Ansell inspiriert. Über 10 000 Krokodile soll Crocodile Harry jedenfalls erlegt und mehr als 2300 Frauen glücklich gemacht haben. Davon zeugen BHs, Gemälde und unzählige Sprüche in "Crocodile Nest", seiner ehemaligen Wohnhöhle in der australischen Kleinstadt Coober Pedy, die schon zu seinen Lebzeiten von Touristen frequentiert wurde und heute als eine Art Pilgerstätte dient.

In Oscar Enbergs Kurzfilm "Red Beryl and crocodile, Opal" ist es eine junge Frau, die in der Minenstadt Coober Pedy und in "Crocodile Nest" landet. Eine vage Handlung deutet sich an, die schließlich am Grab von Crocodile Harry endet. Zu sehen ist die Hommage an die Legende, zu der auch eine Installation und mehrere Objekte gehören, im Kunstverein, wo der in Neuseeland geborene Enberg zusammen mit Zac Langdon-Pole und Anna-Sophie Berger ausstellt. Sie alle drei werden dort als Gewinner des Ars-viva-Preises 2018 präsentiert, der im April in Berlin verliehen wurde. Der Preis wird seit 1953 vom Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI e.V. gestiftet. Er ist mit 5000 Euro dotiert, mit Ausstellungen in internationalen Kulturinstitutionen verbunden und soll an junge Künstler mit "richtungsweisendem Potenzial" gehen.

Dieses Potenzial stammt diesmal gleich zweimal aus Neuseeland. Denn Zac Langdon-Pole, der aktuell per Stipendium in Darmstadt lebt, kommt ebenfalls von dorther. Und auch er macht in einer Arbeit einen europäischen Migranten zum Thema. Es handelt sich um Anobium Puncatum, den von den Europäern eingeschleppten Gemeinen Nagekäfer, der in Neuseeland schon viel Unheil angerichtet hat. In der Ausstellung sieht man eine Standuhr und einen Musikschrank aus Langdon-Poles Familienbesitz, die von den Larven des Käfers durchbohrt wurden. Der Künstler hat die Bohrkanäle mit Gold ausgefüllt, damit sie sichtbar bleiben und neben der Geschichte der Objekte auch vom Kolonialismus mit erzählen.

Beim Muster der Tapete, die Langdon-Pole für den Treppenaufgang gestaltet hat, spielt die kolonialistische Geschichte ebenfalls hinein. Dieses basiert auf dem Abdruck eines abgenommenen Beines eines Paradiesvogels aus Papua Neuguinea. Als erste Präparate dieser Spezies in Europa landeten, hatten diese tatsächlich keine Beine. Weshalb die Europäer dachten, dass dieser Vogel nur bei seinem Tod den Boden berührt. Dass auch der Mensch nur ein komischer Vogel ist und keine Krone der Schöpfung, zeigen die Abdrücke eines menschlichen Schulterblatts. Langdon-Pole hat sie mit Flügeln einer Ente und eines Sittichs kombiniert, und siehe da: Sie sehen sich wirklich sehr ähnlich.

Nur kann der Mensch dann doch leider nicht fliegen. Aber er kann grillen und Fußball spielen, wenn man ihn lässt. Beides wird von der in Wien geborenen Anna-Sophie Berger thematisiert. Man sieht Fotos von klobigen, mit Graffiti besprühten Asche- und Müllabladestellen aus dem Wiener Krapfenwaldl-Park, die den Streit um grillende türkische und kurdische Gruppen dort symbolisieren. Und man begegnet einem Paar kaputter Fußballtore, die aus einem Park in Salzburg stammen und nun im Kunstverein pausieren.

Was sie dort sollen, ist nicht ganz klar, wie auch insgesamt die Werke von Berger doch eher wie Skizzen wirken, auf jeden Fall nicht so überzeugend wie frühere, im Katalog beschriebene Arbeiten. Gleichzeitig muss man aber sagen, dass auch Langdon-Pole nichts komplett Neues bringt, sondern bereits behandelte Themen variiert. Aber so sieht es oft bei spontanen Preis-Ausstellungen aus. Und einen guten Einblick in das Schaffen dreier spannender Künstler bekommt man allemal geboten.

Ars Viva 2018, bis 19. November, Kunstverein München, Galeriestr. 4

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