Ausstellung:Prototyp für Mut und Kraft

Marian Maguire

Das zur Tarnung über dem Kopf getragene Löwenfell machte den antiken Weltenbummler Herakles für kundige Zeitgenossen sofort erkennbar.

(Foto: Staatliche Antikensammlungen/ Marian Maguire)

Die Ausstellung "Herakles in Neuseeland" mit Bildserien von Marian Maguire zeigt den Halbgott als Menschen. Der kämpft in den Staatlichen Antikensammlungen nicht mit Löwen, sondern ringt mit Hasen

Von Stefanie Schneider

Herkules war ein krasser Typ. Einer, den man ruft, wenn es Ärger gibt. Der mit seinen starken Schultern beschützt und wenig hinterfragt. Ein Mann, der furchtlos anpackt und irrsinnig viel kann. Der Halbgott Herkules oder Herakles, wie ihn die Griechen nennen, gehört zu den bekanntesten Helden des alten Griechenlands. Als Sohn von Zeus, dem mächtigsten aller griechischen Götter, wurde ihm das Gewinner-Gen quasi in die Wiege gelegt. Noch in dieser liegend, tötete er als Neugeborener zwei Schlangen, rettete damit sein Leben und das seines Zwillingsbruders, kämpfte als ausgewachsener Muskelprotz gegen Löwen, Raubvögel und schlangenähnliche Ungeheuer. Kurzum: Herakles, der Prototyp für Mut und Kraft, hatte alle Hände voll zu tun.

Die aktuelle Sonderausstellung "Herakles in Neuseeland" in den Staatlichen Antikensammlungen, die in Zusammenarbeit mit der Graduate School "Distant Words" an der LMU München konzipiert wurde, zeigt, dass Halbgötter auch nur Menschen sind. Vor allem dann, wenn sie in unbekannte Gefilde gelangen. Nach antiken Zeugnissen hat Herakles während seiner Heldentaten über sechzig Städte gegründet. Von Gibraltar bis zum Ganges, von Rom bis nach Ägypten. Die Antike war sein Terrain. Was aber, wenn der antike Gigant in das Neuseeland der Neuzeit gelangt? Darauf antworten die noch bis zum 13. Dezember gezeigten Bildserien der neuseeländischen Künstlerin Marian Maguire. Mithilfe von 16 Lithografien und acht Kupferstichen erzählt sie, wie sich Herakles in Neuseeland macht. Dabei ist der antike Weitreisende durch seine zwei Attribute sofort erkennbar: die hölzerne Keule und das häufig über dem Kopf getragene Löwenfell. Das scheint ihm hier allerdings nicht wirklich zu helfen. Im Gegenteil: Herakles, getarnt als Löwe, stark, zielstrebig und belastbar, fühlt sich in Neuseeland im Jahre 1900 sichtlich unwohl. Der sonst so eigenständig Entscheidende muss nun mit den Einheimischen in Verhandlungen treten und sich auf die neue Kultur einlassen. Dabei merkt er schnell, das Gewohnte ist Jahrtausende und zig Kilometer weit entfernt. Anstelle mit Löwen oder Stieren zu kämpfen, ringt er auf der Insel mit Hasen, kann sich schwer gegen Amazonen durchsetzen und muss sich zu allem Übel auch noch das Gezeter von Athene, seiner Ziehmutter, anhören. Sein Auftrag ist es nämlich, wie die Bildserie "Die Taten des Herakles" schildert, Neuseeland zu kolonialisieren. Das gelingt ihm nur bedingt, und wenn dann sehr gemächlich, was Athene wütend macht. Also bläst der Held Trübsal, währenddessen sie meckert.

Die Arbeiten der 53-jährigen Marian Maguire spiegeln das gemächliche Tempo Herakles' wieder: Es dauerte drei Jahre, bis die Künstlerin, die an der neuseeländischen "School of Fine Arts" ausgebildet wurde, die Drucke fertig produzierte. Dabei kombinierte sie historische Lithografien, vorkoloniale Zeichnungen, alte Fotografien und die Kunst antiker Vasen, um Mythen aufeinanderzuschichten, die mit Wahrheit und Illusion, Aneignung und Umdeutung spielen. Es geht der Künstlerin um die Frage, wie sich Nationen an ihre Geschichte erinnern, um die Theorie des Kolonialismus und um das, was passiert, wenn zwei konträre Kulturen aufeinanderprallen.

Da kann es schon mal geschehen, dass selbst der größte Held ins Straucheln gerät und umdenken muss. Herakles will ein Pionier auf der südpazifischen Insel sein. "Dafür", sagt Maguire, "braucht es Gehirn." Ein Pionier ist nämlich einer, der Wege ebnet, Türen öffnet und: Zweifel hat. Einer, der nicht nur wütend um sich schlägt, sondern auch mal innehält. In Maguires konstruierter Welt gelingt es Herakles dann tatsächlich, sich nach anfänglichen Schwierigkeiten an die Kultur der Maori anzupassen. Das betont der archaische Stil der schwarzfigurigen Vasenmalerei, den die Werke auszeichnen. Gerade dieser Stil mache es Herakles und den Einheimischen leicht, ethnische und kulturelle Grenzen hinter sich zu lassen. Mehr noch: Marian Maguire eröffnet damit neue Debatten über vermeintlich starre Oppositionen wie Einheimischer und Einwanderer, Held und Mensch, Antike und Gegenwart. Dabei sollen die beiden gewählten Medien, die Lithografie und der Kupferstich, für Glaubwürdigkeit sorgen: "Die Drucke wirken, als seien sie veröffentlicht, Zeichnungen nicht", sagt Maguire und fährt fort: "Es ist alles eine Lüge, aber ich wollte, dass es wahr aussieht. Herakles lebt". Ob als Halbgott oder Mensch.

Marian Maguire: Herakles in Neuseeland, bis zum 13. Dez., Staatliche Antikensammlung, Di und Do-So 10-17 Uhr, Mi 10-20 Uhr

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