Ausstellung:Peng!

Imi Knoebel

Raumgreifend: Imi Knoebels Arbeit "Canapé Monochrome 14".

(Foto: Imi Knoebel / Courtesy Sammlung Goetz, München / Nic Tenwiggenhorn / VG BILD-KUNST, Bonn 2017)

Das kracht ordentlich in Form und Farbe: Die Sammlung Goetz präsentiert Minimal Art mit Arbeiten von Graubner, Knoebel, Palermo, Ruthenbeck und Rockenschaub

Von Evelyn Vogel

So minimalistisch und zugleich populär bespielt hat man das selbst sehr geradlinig gehaltene Schmuckkästchen der Sammlung Goetz in Oberföhring schon lange nicht gesehen. Dabei besitzt die Sammlung zahlreiche Werke aus dem Bereich der konzeptuellen und minimalistischen Kunst. Nun wird das luzide Ausstellungsgebäude der Schweizer Architekten Herzog & de Meuron sogar dauerhaft eine Spur dieser Ausstellung zurückbehalten. Denn nach den von Blinky Palermo hinterlassenen Vorgaben - er starb 1977 in Alter von gerade mal 33 Jahren - wurde über dem Türrahmen im ersten Stock die Arbeit "blaues Dreieck" angebracht. So wird es zusammen mit der Schriftarbeit von Felix Gonzalez-Torres auf den Milchglasscheiben im Untergeschoss dauerhaft Teil des Ausstellungsraumes bleiben.

Farbe und Form werden also durch das kleine grafische Werk Palermos in die Ausstellung eingeführt, die beides in verschiedenen Varianten und mit großer Experimentierfreude durchspielt und dreidimensional erweitert. Die aktuelle Präsentation besteht aus zwei Ausstellungen. Neben der im unterirdischen Base 103 die mit dem Titel "Farb-Raum-Körper". Sie präsentiert Werke von Blinky Palermo, Imi Knoebel und Reiner Ruthenbeck - alle drei waren in den Sechzigerjahren Schüler von Joseph Beuys an der Düsseldorfer Kunstakademie - sowie Arbeiten von Gotthard Graubner. Dieser führte mit seinen Bildarbeiten den Begriff des "Farbraumkörpers" ein. Wozu das führen kann, ist derzeit auch in Venedig in der Ausstellung "Intuition" im Palazzo Fortuny zu sehen. Hier in München prägt der Farbraumkörper das Ausstellungskonzept. Zu Graubners wolkigen, fast expressionistischen Kissen - reinste Malerei, bei der man sich bei aller Abstraktion mitunter an Monet erinnert fühlt - führt die Raumfolge im ersten Stock hin.

Doch zuvor gibt es einige teils malerische, fast zarte und weniger typisch streng konzeptuelle Arbeiten von Palermo zu sehen, gefolgt von einem Raum, der Ruthenbeck gewidmet ist. Und hier kracht es in Form und Farbe trotz der Strenge der Form gehörig. Reiner Ruthenbeck hätte die Präsentation in der Sammlung Goetz beinahe noch miterlebt. Er starb 79-jährig im vergangenen Dezember. Ruthenbeck definierte das schwarze Quadrat Malewitschs immer wieder neu, stellte es auf den Kopf, schichtete es übereinander, faltete es in die Ecke, führte es zum Rechteck, löste es optisch mit schwarz-weißen Fäden auf. Zu den schwarzen Metallarbeiten kommen rote Kreise und Kugeln. Ein wunderbarer Zweiklang in Schwarz und Rot.

Nach einzelnen Künstlerräumen oben, finden im Untergeschoss direkte Begegnungen statt, eingeleitet von einem Dialog Knoebels und Ruthenbecks über die Variation des schwarzen Quadrats. Erst nach dem frühen Tod seines Freundes Blinky Palermo wandte sich Knoebel vermehrt der Farbe zu. Und so treffen seine farbintensiven Formvarianten auf die berühmte Flipper-Arbeit Palermos. Am Ende dieser Dialoge stehen die entfesselten Farbexperimente Knoebels, dem man noch einmal einen Extraraum reserviert hat.

Was für ein Übergang zum zweiten Teil der Präsentation, der von Gerwald Rockenschaub im Base 103 der Sammlung Goetz. Der Österreicher, Jahrgang 1952, ist ein ebenso erfolgreicher DJ wie Künstler und bekannt für seinen "funky-minimal" Stil. Wie er den unterirdischen Raum mit seinen Arbeiten inszeniert, zeigt, dass Rockenschaub ein leichtfüßiger Grenzgänger ist. Zum Auftakt kuratierte er im kleinen Medienraum Arbeiten aus dem Sammlungsbestand - eine souveräne, extrem grafische Hängung kleinformatiger Werke, zu der sich wohl nur eine Künstlerpersönlichkeit wie er entscheiden kann. Den riesigen Hauptraum hat er dann erst einmal versperrt. Wie auf eine Zielscheibe trifft der Blick des Betrachters zu allererst auf ein knallrotes Rund. Jeder Abschnitt zwischen den Säulen des Raums wirkt wie ein reduziertes Farb-Statement, auf dem sich eine Applikation behauptet. Und erst die Schauseite der Wand-Raum-Installation! So offen wurde das Base noch nie bespielt. Farbe, Form und Applikation auf einer meterlangen Strecke durch den Raum, die Bildträger und Bild zugleich ist. Das war's.

Wobei: Das war's womöglich auch nicht. Denn das mittlerweile staatliche Ausstellungshaus, das sich als einstiges Privatmuseum von Ingvild Goetz nach wie vor hinter einem langen, dunklen Holzzaun verbirgt, soll demnächst ein wenig öffentlichkeitswirksamer zur Straße hin präsentiert werden. Im Katalog erhält man davon schon mal einen Eindruck. Wenn die Pläne umgesetzt werden, dann könnte bald eine minimalistische Arbeit von Gerwald Rockenschaub den öffentlichen Auftritt prägen und dem minimalistischen Schmuckkästchen in Oberföhring eine weitere permanente Konzeptspur hinzufügen.

Farb-Raum-Körper: Gotthard Graubner, Imi Knoebel, Blinky Palermo und Reiner Ruthenbeck. Gerwald Rockenschaub: re-entry (third ear edit). Sammlung Goetz, Oberföhringer Str. 103, Do/Fr 14-18 Uhr, Sa 11-16 Uhr, bis 14. Oktober, Infos zu Führungen: www.sammlung-goetz.de

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