Ausstellung:Nach dem Kassensturz

In "Shoppingmall" zeigen 42 Künstler mit Hilfe von Einkaufswägen, dass der Kapitalismus immer noch inspirieren kann

Von Jürgen Moises

Sie sind in den USA schon unterwegs, in Schweden sind Testfahrten geplant, und auch in Deutschland denkt man über den Einsatz von selbstfahrenden Autos nach. Von selbstfahrenden Einkaufswägen hat man noch nicht so viel gehört, aber vielleicht wird sich das durch die Ausstellung "Shoppingmall" in der Galerie der Künstler ändern. Dort laufen gerade zwei von Christian Engelmann konzipierte Einkaufswägen Amok, das heißt sie rattern von Sensoren gesteuert durch die Gegend. "Opportunisten" hat der Münchner Künstler die Wägen genannt, von denen man sich nicht vorstellen kann, dass sie beim Einkauf artig mitlaufen. Vielmehr kann man es schon vor seinem inneren Auge sehen, wie sie im Supermarkt alles zerdeppern.

Das könnte im Extremfall so aussehen wie im Video "Crashtest", das ebenfalls von Engelmann stammt. Hier sieht man einen gefüllten Einkaufswagen in Zeitlupe gegen einen Pfosten rasen. Von seinem Inhalt ist außer Scherben danach nicht mehr viel übrig. Die Lust an der Zerstörung, an der Dekonstruktion des Einkaufswagens als Symbol des Kapitalismus: Sie ist nicht nur bei Engelmann zu spüren, sondern auch bei zahlreichen anderen der 42 Künstler aus München und dem Allgäu, denen die Kuratoren Torsten Mühlbach und Bruno Wank handelsübliche Einkaufswägen zur freien Verfügung überlassen haben. Mit dem Effekt, dass man sich durch die zerlegten Wägen teilweise wie in der Schrottabteilung fühlt.

So ragen bei Alexander Laner nur noch die Einzelteile eines Wagens aus zwei Tüten, Markus Elhardt hat seinen in einem Betonhaufen versenkt und bei Matt Wiegele sieht es so aus, als würde der Wagen in ein schwarzes Loch stürzen. Markus Lutter hat eine Art Gossenszene inszeniert, inklusive Gully und fließendem Wasser, und noch ein weiterer Wagen von Christian Engelmann hat ein aufgerissenes Maul, das, hat man den Eindruck, gleich den Wagen vor ihm frisst. Oh-Seok Kwon hat seinen Wagen ebenfalls zerlegt, nur sieht dieser aufgeklappt an der Wand aus wie ein Engel. Einen Wagen "für das schmale Budget" hat Alfred Kurz geschaffen: vorne spitz, hinten nur etwa 20 Zentimeter breit und mit drei Rädern.

Aktuelle politische Bezüge gibt es ebenfalls in der Ausstellung, in der die Künstler insgesamt weniger über eine herausragende Ästhetik als über originelle, witzige oder sozialkritische Ideen punkten. Auf Donald Trumps "America-First"-Politik spielt etwa Torsten Mühlbach mit einem Wagen mit Maschinengewehr-Aufsatz an, und Christian Schnurer hat als Kommentar zur Flüchtlingspolitik einen Wagen mit Rettungswesten vollgepackt. Darüber steht groß: "Rettet Europa".

Etwas subtiler und mehrdeutiger verpackt Sameh El Tawils in seinem Video "Not For Sale" das Thema. Man sieht eine längere Menschenschlange, die sich zum Fiepen eines Einkaufskassenscanners fortbewegt. Der Kapitalismus als Ansporn für Migration, als Verheißung eines besseren Lebens? Oder gar: Der Kapitalismus als ein längst selbstlaufender Motor, der die Menschen antreibt, vertreibt und uns am Ende alle in den Abgrund treibt? Bei Jörg Besser sitzt ein Skelett in einem Wagen. Der Titel: "Letztes Mal zu Penny".

Shoppingmall, bis 9. April, Galerie der Künstler, Maximilianstr. 42

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