Ausstellung: "Mythos Rommel":Offizier mit Leib und Ledermantel

Der dem Führer auf die Nerven fiel: Das Haus der Geschichte in Stuttgart porträtiert den überzeugten Soldaten Erwin Rommel.

Franziska Augstein

Warum bringt das Haus der Geschichte in Stuttgart ausgerechnet jetzt eine Ausstellung über den Generalfeldmarschall Erwin Rommel? Kein Jahrestag steht an, keine öffentliche Debatte drängt. Die Ausstellungsleiterin Paula Lutum-Lenger sagt: Zum einen habe man allerlei neues Material bekommen, darunter insbesondere Dokumente und Gegenstände aus dem Besitz des Sohnes Manfred Rommel, die bisher noch nie gezeigt wurden. Zum anderen sei das Thema spannend.

Ausstellung Mythos Rommel, Haus der Geschichte Stuttgart

Rommel-Fotografien in Schieflage - symbolisch für das letztendliche Scheitern des Erwin Rommel.

(Foto: Foto: dpa)

Erwin Rommel war ein Berufsoffizier aus dem martialischen Bilderbuch des Wilhelminismus: ein mutiger Draufgänger und dabei doch verantwortungsbewusster Truppenführer, hart gegen sich selbst, milde gegenüber den Besiegten. Er war der einzige Kompaniechef - neben Ernst Jünger -, der trotz seines vergleichsweise niedrigen Dienstgrades im Ersten Weltkrieg mit dem Orden Pour le Mérite ausgezeichnet wurde. Unter den Soldaten ging der Spruch um: "Wo Rommel ist, ist vorn."

Zu fein für Shorts

Auch im Zweiten Weltkrieg bewies er seinen Mut. Als Führer einer Panzerdivision stieß der fast Fünfzigjährige 1940 in Frankreich auf eigene Faust und ohne Flankendeckung in die feindlichen Linien vor und zeigte, wie man einen "Blitzkrieg" führt.

In Afrika war er sich zu fein, Shorts zu tragen. Stattdessen kleidete er sich in einen schwarzen Ledermantel, in dem er von seinem mobilen Gefechtsstand aus mit dem Fernglas die Weiten der Wüste ausspähte. Abends zog er aus dem schweren Mantel die Geschosssplitter, die unter Tag darin steckengeblieben waren. So ein Mann, das erkannte der Propagandaminister Goebbels schnell, eignete sich hervorragend zum Volkshelden.

Die Ausstellung zeigt, wie die Nazis den "Mythos Rommel" schufen - und wie dieser Mythos nach dem Zweiten Weltkrieg fortgesponnen wurde. Sie zeigt, wie Rommel, dem es an Eitelkeit nicht fehlte, sich von der Regierung einspannen ließ. An den Wänden des Untergeschosses im Haus der Geschichte sind große Reproduktionen der Rommel-Fotografien angebracht: Sie hängen schräg, verdecken einander teils. Das Arrangement erinnert an Kaspar David Friedrichs "Eismeer", das auch "Gescheiterte Hoffnung" heißt.

Ab und an werden auf einige Fotos Schriftzüge projiziert, die angeben, was sich andernorts im Krieg abspielte, während Rommel vor den Fotografen posierte. Vor den Fotos sind Schaukästen aufgebaut, sie enthalten Briefe, Dokumente, Schlachtpläne von Rommels Hand.

Wer bloß die Fotos und die Accessoires anschaut - Orden, Rommels Ledermantel, seinen Feldstecher, seinen protzigen Marschallstab - erfährt nicht viel. Diese Ausstellung erschließt sich nur Besuchern, die sich die Mühe machen, auch die Dokumente (und womöglich den sehr gut gemachten Katalog) zu lesen.

Ehrgeiz vor Einsicht

Kriegsverherrlichung ist hier nicht zu finden. Rommels militärische Leistungen werden zwar gewürdigt, doch werden auch seine charakterlichen Schwächen illustriert. Als er sich 1931 bei einer Beförderung übergangen fühlte, beschwerte er sich schriftlich über das "bittere Unrecht". Damit ihm so etwas nie wieder passiere, ließ er 1940 nach seinem Erfolg in Frankreich eine bombastische Dokumentation erstellen, die er dem verehrten Hitler zusandte. Und noch im Oktober 1944, als er den Krieg für verloren hielt, sorgte er dafür, dass die Verletzung, die er bei einem Luftangriff erlitt, als eine Verwundung im Kampf gebucht wurde, was ihm - es war seine fünfte - das "Goldene Verwundetenabzeichen" eintrug.

Rommels Ehrgeiz war größer als seine politische Einsicht. Ja, er hielt sich etwas darauf zugute, nur Militär zu sein. Am Krieg begann er erst zu zweifeln, als die Niederlage sich abzeichnete.

Die Ausstellungsmacher betonen, sie wollten "die Widersprüche" in Rommels Vita herausarbeiten, es aber den Besuchern überlassen, sich selbst ein Bild zu machen. Die Schau ist für den mündigen Bürger gemacht, dem nicht vorgeschrieben werden muss, wie er zu urteilen hat. Wer Rommel für einen Nazi hält, wird mit Verblüffung sehen, wie oft er sich Hitlers Befehlen widersetzte, weil sie dem Kriegsvölkerrecht widersprachen.

Wer ihn für einen Widerstandskämpfer hält, erfährt, dass er dem nach dem Krieg umgedeuteten Rommel-Mythos aufgesessen ist. Zwar wusste Rommel von den Plänen der Widerständler des 20. Juli, doch war er strikt dagegen, Hitler umzubringen.

Aus vielen Einzelheiten kristallisiert sich in der Ausstellung ein Mann heraus, der einem gefährlichen Typus angehörte: Als Militär, der sich für Politik nicht interessierte und für seine Karriere lebte, wurde er zu einer Stütze des NS-Regimes. Das wusste er auch: Als er in Afrika Ende 1942 den Rückzug antrat, erließ er ein "Fotografierverbot". Deutschland sollte keinen deprimierten Feldmarschall sehen.

Kein Blick zurück

Weil es Siegern mehr Spaß macht, einen formidablen Gegner bezwungen zu haben, arbeiteten britische und amerikanische Medien nach 1945 emsig daran, Rommel noch größer zu machen, als er es zuvor schon war. 1952 wurde er in Henry Hathaways Film "Der Wüstenfuchs" als Widerstandskämpfer aufgebaut. Tatsächlich hatte Rommel nur darauf gedrängt, mit den Westmächten einen Waffenstillstand abzuschließen, um alle Kräfte gegen die vorrückende Rote Armee werfen zu können. Tatsächlich hatte er die Kriegsführung kritisiert, ohne aber daraus die Konsequenz zu ziehen, dass man Hitler beseitigen müsse.

Weil er dem "Führer" mit seiner Skepsis zunehmend auf die Nerven ging und ihm sogar mitteilte, dass der Krieg im Westen nicht zu gewinnen sei, zwang Hitler ihn im Oktober 1944 zum Selbstmord. Würde Rommel sich nicht umbringen, so wurde ihm mitgeteilt, werde seine Familie Repressalien ausgesetzt. Manfred Rommel, der später ein allseits geachteter Oberbürgermeister Stuttgarts wurde, sah damals seinen Vater im Auto zum Selbstmord davonfahren: Im Katalog schreibt der Sohn: "Mein Vater blickte nicht zurück."

Nachdem der Rommel-Mythos von Briten und Amerikanern angeheizt wurde, taten auch die Nachkriegsdeutschen ihr Teil dazu. Hans Speidel, Rommels ehemaliger Stabschef, der versucht hatte, ihn für den Widerstand zu gewinnen, war nach dem Krieg einer der maßgeblichen Generale beim Aufbau der Bundeswehr. In dieser Funktion sagte er, Rommel "bleibt eine Verkörperung guten sauberen deutschen Soldatentums". Bei der Meinung ist die Bundeswehr geblieben. Zwei Kasernen tragen Rommels Namen. Anders als in den sechziger Jahren erklärt die Bundeswehr heute nicht mehr, dass sie Rommel als Widerstandskämpfer ehre.

Mehr als ein Dutzend Straßen wurden nach Erwin Rommel benannt, die meisten in den sechziger Jahren. 1961 wurde in Heidenheim ein Rommel-Denkmal eingeweiht. Die Kuratorin Cornelia Hecht sagt: "Die Geschichte der Erinnerung an Rommel nach 1945 ist Spiegel des Umgangs mit dem Erbe des Nationalsozialismus." Das stimmt. Und es fällt auf, dass der "Mythos Rommel" erst in den achtziger Jahren Brüche bekam. Gegen Ende der Ausstellung ist ein Foto von 1985 zu sehen, da hatten Anhänger der Friedensbewegung das Rommel-Denkmal in Heidenheim mit einem Tuch verhüllt, auf dem stand: "Dem Nazi-Helden ein Denkmal?"

"Mythos Rommel", Haus der Geschichte, Stuttgart. Bis 30. August 2009. Der Katalog kostet 12,50 Euro.

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