Ausstellung:Mit wehenden Fahnen zurückgekehrt

Das Museum Brandhorst präsentiert unter dem Motto "In The Studio" viele noch nie gezeigte Werke von Cy Twombly

Von Evelyn Vogel

Er ist wieder da. Cy Twombly. Der Gottvater der Götter, der Säulenheilige unter den Hausheiligen des Museum Brandhorst ist wieder dort, wo er nach Ansicht der Sammler und der Erbauer des Museums hingehört: ganz vorne dran. Wobei: Ganz weg war er ja nie. Nicht zu Zeiten der Sonderausstellung "Painting 2.0", die in den vergangenen Monaten viele Schätze der Sammlung Brandhorst gleichwertig neben Twombly gerückt hatte. Auch nicht zu Zeiten der Kombinationsschau Twombly-West, mit der Direktor Achim Hochdörfer vor ziemlich genau zwei Jahren und also bald nach seinem Amtsantritt für Furore - und bei eingefleischten Twombly-Vergötterern für Verärgerung - gesorgt hatte. Denn die Präsentation des Lepanto-Zyklus' im eigens dafür konzipierten apsisartigen Saal blieb immer unangetastet. Selbst wenn Achim Hochdörfer gelegentlich halblaut nachdenkt: "Ich trau mich ja vieles, aber das . . ."

"In The Studio" heißt die neue Präsentation, mit der Cy Twombly "mit wehenden Fahnen", wie Hochdörfer sagt, ins Obergeschoss zurückkehrt. Von den etwa 200 Twombly-Werken, über die die Sammlung verfügt - es ist die größte in Europa - werden etwa 100 gezeigt: Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen und Fotografien aus den frühen 1950er-Jahren bis hin zum Spätwerk, darunter der Kracher "Untitled (Camino Real)", ein Bild, das Twombly kurz vor seinem Tod 2011 vervollständigt hat und das nun als Neuerwerbung stolz präsentiert wird. Gewaltige, leuchtend rote und gelbe Schleifen auf giftgrünem Grund. Eine Farborgie, die er mit Hilfe von an Stöcken festgebundenen Pinseln auf die Leinwand brachte. Es ist wohl dieser im Alter von ihm angewandten Technik geschuldet, dass die Schleifen bei aller Wucht zugleich so fragil wirken.

Einen räumlichen Farbenrausch entwickeln die beiden Bacchus-Bilder, die sich gegenüber hängen und mit ihrer Ausstrahlung den gesamten Raum in Rot tönen. Auch hier dominieren die typischen Schleifen und Kringel, die nur all zu gerne mit Kindergekrakel verglichen werden, ohne die Ironie und den Abstraktionsgrad, mit denen Twombly diese Formen einsetzt, zu bemerken. Weiter hinten hängen zarte Zeichnungen, von denen einige aus den Jahren 1957 bis 1961 noch nie zu sehen waren. Dazu hat man großformatige Leinwandarbeiten kombiniert, die Anette und Udo Brandhorst zu Beginn ihrer Sammlungstätigkeit gekauft haben, darunter "Orion III" von 1968 und das markante und außergewöhnlicherweise dunkelgrundige "Untitled (New York City)", ebenfalls aus dem Jahr 1968, das an eine Schiefertafel mit mathematischen Parabeln erinnert.

Ausstellung: "Untitled (Camino Real)", ein Bild, das Twombly kurz vor seinem Tod 2011 vervollständigt hat.

"Untitled (Camino Real)", ein Bild, das Twombly kurz vor seinem Tod 2011 vervollständigt hat.

(Foto: Haydar Koyupinar/ Cy Twombly Foundation)

Im großen Saal hat Hochdörfer die Raumteiler aus der Painting 2.0-Ausstellung belassen und zwingt den Betrachter auf diese Art dazu, viel näher an die Rosenbilder heranzugehen, als das früher der Fall war. Sie dienen darüber hinaus aber noch als Stellwände, an denen eine Flut von Fotografien Twomblys hängt. Die Fotos belegen zwei Dinge: Zum einen, Twombly war ein Maler, der unglaublich gerne auch die Orte, an denen er lebte, aufnahm. Orte, an denen Leben und Arbeiten des Amerikaners, der mehr als ein halbes Jahrhundert in Italien lebte, oft eins wurden. Von fast allen seinen Ateliers gibt es Polaroids. Doch Kunst wurde daraus erst durch das spezielle Verfahren, dem er die Aufnahmen unterzog: Er fotokopierte sie mit dem immer gleichen Fotokopierertyp im sogenannten farbigen Dryprint-Verfahren auf Karton und vergrößerte sie zugleich. Eine frühe Aufnahme zeigt das Atelier, das Twombly sich mit Robert Rauschenberg 1954 in der New Yorker Fulton Street teilte. Andere seine Ateliers in Rom, Bassano und Gaeta und immer wieder auch die Umgebung, den Blick, den er von seinen Ateliers und Wohnungen aus hatte.

Zum anderen dienten ihm viele Aufnahmen auch als Inspirationsquelle. So treffen in der Ausstellung nicht nur die Fotos der schon recht bekannten zartweißen Pfingstrosen auf Sepiagrund auf die Serie der gelben Rosenbilder, sondern auch die von Kürbissen sowie Käsekugeln und -laibern. Roten Rosen hängen die verschwommenen Polaroid-Bilder der Fun-Cakes gegenüber, kleine Küchlein in Blumen- oder Tierform, die Twombly in einer Bostoner Bäckerei fotografierte. So unmittelbar gegenüber gestellt, scheinen sie augenblicklich zu Vorlagen für die Rosen zu mutieren.

Ein weiteres Pfund, mit dem die Sammlung Brandhorst wuchern kann, sind die Skulpturen: 18 Stück, die allesamt gezeigt werden. Bei Twombly weisen alle Skulpturen immer auch ein malerisches Moment auf. Weiß ist die vorherrschende Farbe. Und etwa ein Dutzend von ihnen so auf einen Sockel gleich zum Auftakt der Ausstellung präsentiert, beeindrucken durchaus. Wenngleich man sich die Arbeiten mitunter doch einzeln präsentiert wünscht, wie es mit einigen auch geschieht, so dass diese - wo zudem formale oder inhaltliche Korrespondenzen vorhanden sind - eine ganze Themenwelt erschließen.

Ausstellung: "Kuchen (Boston, MA)" von Cy Twombly aus der Sammlung Udo und Anette Brandhorst.

"Kuchen (Boston, MA)" von Cy Twombly aus der Sammlung Udo und Anette Brandhorst.

(Foto: Nicole Wilhelms/Cy Twombly Foundation)

Twombly und Brandhorst, Twombly und München, das ist eine ganz besondere Beziehung. Fast ein Leben lang fühlte sich der große abstrakte Expressionist, geboren 1928 in Lexington/Virginia, München verbunden. Da war die Freundschaft mit dem Verleger Lothar Schirmer, die schon in den 1960er-Jahren begann. Da waren die Ausstellungen im Lenbachhaus 1973 und die folgenden in den Galerien von Heiner Friedrich, Schellmann und Klüser und Helmut Klewan. Brandhorsts haben ihn dann dahin gehoben, wo er heute steht: In den Mittelpunkt ihrer Sammlung. Und dort steht er nun wieder - und zwar ganz vorne dran.

Cy Twombly: In The Studio. Museum Brandhorst, Theresienstr. 35a, Di-So 10-18 Uhr, Do 10-20 Uhr, bis 26. August 2018

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