Auch diejenigen, die ganz ohne den Griff zum Plattenteller aufgewachsen sind, kennen Dieter Rams' Produkte. Wecker, Taschenrechner, selbst elektronische Zahnbürsten hat der Designer vier Jahrzehnte lang für die Firma Braun entworfen, für Vitsoe kreierte er erweiterbare Systemmöbel, die heute im Kanzleramt stehen. Lange vor der großen Retrospektive seiner Arbeit, die jetzt das Frankfurter Museum für Angewandte Kunst zeigt, war Rams damit schon einer der bekanntesten Designer Deutschlands - auch weil immer mehr Firmen, allen voran Apple, seine elegant schlichte Formensprache als Inspirationsquelle nutzten. Das ist mehrere Jahrzehnten später erstaunlich genug, doch dass Rams' Designethos heute vielleicht sogar noch moderner ist als sein minimalistischer Stil, ist noch interessanter.
Die Geschichte von Dieter Rams' Design kann nur mit der Geschichte der Firma Braun erzählt werden - in Amerika und Japan nannte man den Designer schlicht "Mr. Braun". Doch ebenso gehört der Verweis auf das große Team von Designern dazu, das den klaren Braun-Stil prägte, und auch ein kurzes Vorwort zur Tradition der funktionalen Gestaltung in Deutschland. Beides liefert die Frankfurter Ausstellung. So baumelt gleich über dem Eingang ein Stuhl der Gebrüder Thonet als Beispiel für das erste halbindustrielle Massenprodukt Mitte des 19. Jahrhunderts, ein Gegenstand, der durch seine Funktion in der Form bestimmt werden sollte. Und auch der Hinweis auf Peter Behrens, den ersten deutschen Industriedesigner überhaupt, findet sich in der Vitrine daneben, entwarf der doch für das Unternehmen AEG das gesamte Erscheinungsbild, vom Briefkopf bis zum Industriebau, lange bevor so etwas Corporate Identity hieß. Auch die Firma Braun sollte später darin neue Maßstäbe setzen, selbst ein Werbegeschenk musste da in die sachlich schlichte Linie des Hauses passen. Und schließlich gehört auch das Bauhaus zur Vorgeschichte des Rams'schen Entrümpelungsversuchs, allen voran die enge Zusammenarbeit der unterschiedlichen Disziplinen in Weimar und Dessau. Wie sich dort Architekten und Ingenieure gemeinsam über die Entwürfe beugten, so arbeiteten später bei Braun im Taunus die Designer intensiv mit den Technikern zusammen.
Foto: Koichi Okuwaki