Ausstellung:Jetzt auch in Öl

Ausstellung: Das Fahrrad mit dem Blumenkorb vor Ai Weiweis Haus (links unten) ist ebenso dabei wie Ais Pose, die an den ertrunkenen Flüchtlingsjungen erinnert (Mitte).

Das Fahrrad mit dem Blumenkorb vor Ai Weiweis Haus (links unten) ist ebenso dabei wie Ais Pose, die an den ertrunkenen Flüchtlingsjungen erinnert (Mitte).

(Foto: What Remains Gallery)

Das Münchner Künstlerduo Landspersky hat Fotos von Ai Weiwei von chinesischen Kopisten malen lassen - welches ist nun ein Original?

Von Evelyn Vogel

Ein paar Katzenbilder sind auch da. Dazu weitere Alltagsmotive aus den unendlichen Weiten des Internets, in diesem Fall der Bildplattform Instagram. Motive, die auf den ersten Blick so hübsch wie belanglos sind. Obst und Gemüse und nicht zu vergessen: Blumen. Von da ist es dann aber nicht mehr weit zu tiefschürfenderen Themen wie zur Frage nach Freiheit und Unabhängigkeit. Jedenfalls dann, wenn er weiß, dass es sich hier um Bildmaterial von Ai Weiwei handelt.

Wenn Chinas bekanntester zeitgenössischer Künstler Blumen fotografierte, dann sogenannte Freedom-Flowers, Zeichen des Widerstandes. Auf seine 81 Tage währenden Haft folgte 2011 ein vierjähriges Reiseverbot, das einem Hausarrest gleichkam. Während dieser Zeit sorgte ein Unterstützerkreis mit der Aktion "Blumen für Ai Weiwei" für floralen Nachschub. Wer wollte, konnte per Lieferservice einen Strauß Blumen in den Korb an dem Fahrrad legen lassen, das vor seinem Atelier stand. Friedlich und harmlos und doch genau so politisch brisant, wie sich viele heimliche Widerstandsbewegungen bis hin zu offenen Revolutionen mit Blumen schmückten.

Man muss all das wissen, um die Instagram-Botschaften von Ai Weiwei zu verstehen. Und man muss das wissen, um nicht gelangweilt vor den Tableaus aus Ölgemälden der "What Remains Gallery" zu stehen. Einer selbst nur virtuellen Galerie, hinter der sich die beiden Cousins und Künstler Christian und René Landspersky verbergen, die ihren "Analog Retweet of @aiww" derzeit in der Artothek ausstellen. Der Frage nach dem Wert des Originals in Zeiten unendlicher Reproduzierbarkeit - durch Instagram & Co. längst in Frage gestellt - wie auch dem Verständnis der Copyright-Idee in unterschiedlichen kulturellen Kontexten haben die beiden Landsperskys eine interessante Facette hinzugefügt. Sie schickten Ais Fotos an Malfabriken in China. Der Auftrag: ein klassisches analoges Ölbild im typisch quadratischen Instagram-Format zu malen. Die chinesischen Maler ließen sich nicht lange bitten, jedenfalls solange sie nichts über die Herkunft der Vorlage wussten und die Bilder unspezifisch waren. Ai selbst sieht man nur schemenhaft oder in einer liegenden Haltung von hinten, die den Kopisten in seinem Heimatland keinerlei Probleme verursachte.

Den deutschen Künstler-Kuratoren hingegen schon: Nachdem Ai sich in jener Pose am Strand als ertrunkenen Flüchtlingsjunge inszeniert hatte, kamen sie mächtig ins Grübeln. Plötzlich gewann das Bild, das lange zuvor gemacht worden war, eine neue Bedeutung. War das nun zynisch, wenn ein dicker alter Chinese, bei allen Repressalien, denen er ausgesetzt war, den Tod eines Flüchtlings nachstellt? Die weltweiten Reaktionen waren gespalten. Und auch die Landsperskys können nicht eindeutig sagen, ob sie das Bild nach Ais Strand-Aktion noch in Auftrag gegeben hätten. Ihre Suche nach einer "Unzweideutigkeit der Zeichenhaftigkeit" wurde hier auf eine harte Probe gestellt. Doch nun ist es Teil eines Tableaus in der Artothek.

Die seit 2009 unter dem Label "What Remains Gallery" im Sinne der Appropriation Art arbeitenden Landsperskys eigneten sich schon oft Material anderer Künstler an, so von Roy Lichtenstein, Tobias Rehberger oder Lawrence Weiner, um den Zusammenhang zwischen dem Kunstwerk und dem Kontext seiner Entstehung zu hinterfragen. Was bleibt von der Idee des Künstlers? Beim analogen Retweet of @aiww steht noch viel mehr auf dem Prüfstand: die Sinnhaftigkeit der digitalen Bilderflut und das Verständnis von Original und Kopie. Denn wem würde man mehr Autorenschaft und mehr künstlerische Echtheit attestieren: den Schnappschüssen Ais oder den Ölgemälden unbekannter Meister?

What Remains Gallery: Analog Retweet of @aiww, Artothek & Bildersaal, Rosental 16, bis 1. April, Mi./Fr. 14-18 Uhr, Do. 14-19.30 Uhr, Sa. 9-13 Uhr, Künstlergespräch: Sa, 11. März, 18 Uhr

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