Ausstellung in München:Was Frauen in der NS-Zeit trugen

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"Müssen wir tragen, was Paris an Kleidern, Hüten und Mänteln vorschreibt?", ätzten die Parteiblätter. Die modebewusste Frau der Dreißiger wollte aber. (Foto: Münchner Stadtmuseum)

Taillierte Sportjacken, Kunstseidenspitze und Kleider aus Paris: Das Münchner Stadtmuseum hat für die Ausstellung "Gretchen mag's mondän" tief im Depot gewühlt.

Von Rudolf Neumaier

Bücher verbrannten sie, Kunst stempelten sie als entartet ab und Musik verboten die Nationalsozialisten, wenn sie nicht stramm genug deutschelte. Was aber hätten sie gegen Damenmode tun sollen? Sie den Frauen vom Leib reißen? Sie fanden kein Mittel - auch wenn die Fummel noch so avantgardistisch wirkten.

Die deutsche Frau der Dreißigerjahre trug Weltmode, und die kam aus Paris und London wie dieses Stilkleid aus dem Jahr 1935 von Nabob, London. Während die Modejournale damals den Burgfräulein-Chic aus Kunstseidencrêpesatin und die samtüberzogenen Knöpfe an der Taille bejubelten, ätzten die Parteiblätter: "Müssen wir tragen, was Paris an Kleidern, Hüten und Mänteln vorschreibt? Nein, müssen wir nicht!" Deutsche Frauen und Mädel seien "arteigene Typen für sich".

Doch die propagierte suppenblonde Hildegundenästhetik kam nicht einmal der deutschen Durchschnittsfrau in die Garderobe. Sie wollte gut aussehen - und beim Look zählte allein der internationale Maßstab. Für die Haute Couture war der Nationalsozialismus dann doch zu eng gestrickt.

Die deutsche Frau trug Weltmode wie dieses Stilkleid aus dem Jahr 1935 (links) von Nabob, London. (Foto: Münchner Stadtmuseum, Zentrales Bildarchiv)

Das Münchner Stadtmuseum hat für seine Ausstellung "Gretchen mag's mondän" tief im Depot gewühlt. Extravagantes wie diese fließenden Abendkleider förderte die Kuratorin Isabella Belting ebenso zutage wie Alltagskleidung, Schuhe und kühn taillierte Sportjacken, die heute gut und gern in den Schaufenstern der Münchner Maximilianstraße liegen könnten. Für 2500 Euro pro Teil. Wo in der NS-Architektur die Symmetrie nicht streng genug sein konnte, dominierten auf der Frauenfrisur schiefe Hüte, bunte Blumen zierten die Cocktailkleider. Und dann erst die Unterwäsche: schwarze Kunstseidenspitze!

Keine Frage, modemäßig waren die Frauen der dreißiger Jahre auf Zack. Allerdings wäre es falsch, ihr Selbstbewusstsein bei der Kleiderwahl als subversiv zu deuten oder gar als Zeichen von Widerstand. In jedem noch so feinen Fähnchen kann eine Magda Goebbels gesteckt sein. Die Nazi-Frauen wollten ihren Männern schließlich gefallen.

Diese Modenschau verblüfft. Und löst Unbehagen aus. Aber das soll sie auch.

© SZ vom 26.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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