Ausstellung im British Museum:Der Deutsche, das unbekannte Wesen

"Don't mention the war"? Die Deutschen sind den Briten seit den Weltkriegen fremd geworden. Im Londoner British Museum will man das mit einer Ausstellung über deutsche Geschichte ändern.

Von Thorsten Glotzmann

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Plakat für die Demonstrationen in Leipzig, 1989

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Quelle: British Museum

Den 25. Jahrestag des Mauerfalls hat das British Museum zum Anlass für eine Sonderausstellung über Deutschland genommen. Dieses Original-Pappschild ist nach dem Mauerfall gemalt worden - anlässlich der großen Demonstration in Ostberlin am 9. Dezember 1989.

Museumsdirektor Neil MacGregor will, dass die Briten "das einflussreichste europäische Land verstehen": Ihr Kenntnisstand sei vor 70 Jahren stehengeblieben - in der Schule lernten die meisten Briten mit dem Nationalsozialismus nur die "zwölf schwarzen Jahre" der deutschen Geschichte kennen. Deswegen widmet er sich Deutschland jetzt gleich dreifach: mit der Ausstellung im British Museum, mit einer 30-teiligen Radioserie bei BBC Radio 4 und mit einem Buch, das im November erscheint.

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VW-Käfer von 1953

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Quelle: Tim Woodcock

Dabei hat sich das Bild der Briten von den Deutschen in den vergangenen Jahren schon verbessert. Im Daily Mirror war zu lesen, dass es cool sei, deutsch zu sein. Das große Interesse des Publikums an der Ausstellung zeige, so MacGregor, dass die Leute vom neuen, lebendigen Deutschland wissen. Die jungen Briten wollten alle nach Berlin, "the cool capital of Europe", so MacGregor.

Die Geschichte des coolen Deutschland wird anhand bunt zusammengewürfelter Objekte erzählt. Die deutsche Automobilindustrie würdigt die Ausstellung mit einem Modell, das Kultcharakter hat: des VW-Käfers von 1953 aus dem National Motor Museum. Im Käfer fand das Wirtschaftswunder und die damit einhergehende Massenmotorisierung eine Form.

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Uhr aus Straßburg von 1589

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Quelle: British Museum

Im Gegensatz zum VW-Käfer hätte man hiermit wohl nicht gerechnet: eine Uhr aus Straßburg, die neben anderen Objekten aus ehemals deutschen Städten unter dem Titel "German no more" zu sehen ist. Nicht mehr zu Deutschland gehörig - darunter fallen Städte wie Basel, Straßburg, Könisgberg und Prag. Was in einem deutschen Museum fragwürdig gewesen wäre, kann sich das British Museum erlauben: Neil MacGregor will darauf hinweisen, dass Straßburg kulturell einmal eine deutsche Stadt war.

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Flugblatt von 1678

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Quelle: British Museum

Das British Museum zeigt nicht nur das moderne Deutschland, sondern will 600 Jahre deutscher Geschichte veranschaulichen. Dieses Flugblatt von 1678 vermittelt das Ansinnen, der deutsche Reichsadler werde den gallischen Hahn, das heißt: die Franzosen, aus dem Elsass vertreiben. Der Adler hat sich als beständiges Motiv erwiesen, er überlebte jeden Machtwechsel, er war Reichs- und (mit nach rechts gedrehtem Kopf) Parteiadler der Nazis ...

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Adler, Baselitz, 1977

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Quelle: British Museum

... und an den Fassaden öffentlicher Gebäude schlug man ihm nach dem Krieg das steinerne Hakenkreuz aus den Krallen und deutete ihn zum demokratisch gesinnten Bundesadler um.

Der Künstler Georg Baselitz hat sich das Wappentier in den 70er Jahren zu eigen, wenn nicht zu seinem persönlichen Maskottchen gemacht. Sein kopfüber stürzender Adler hing im Büro des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder. Hier ein etwas ausgefranster schwarzer Adler vor schwarz-rot-goldenem Hintergrund aus dem Jahr 1977.

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Goethe in der römischen Campagna, Tischbein, 1787

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Quelle: British Museum

Was wäre eine Ausstellung über die deutsche Geschichte ohne Goethe, hier auf Tischbeins berühmtem Gemälde in Italien? Den Ausstellungsmachern im British Museum war es wichtig, den weltoffenen, universalgelehrten Kosmopoliten von Weimar zu zeigen - und daneben das Eingangstor zum Konzentrationslager Buchenwald, das vor den Toren derselben Stadt lag. Für Direktor Neil MacGregor zeigt sich an Weimar das fundamentale Dilemma: Wie passt das zusammen - Goethe und Buchenwald, ...

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Bauhaus-Wiege

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Quelle: British Museum

... die Grausamkeit der Nationalsozialisten und die Utopie des Bauhauses, ebenfalls in Weimar beheimatet? Die Ausstellung versuche gar nicht, eine Antwort darauf zu finden, sagt der Museumsdirektor. Hier die Wiege von Peter Keler, die auf die Formensprache und das Leitbild des Bauhauses verweist: die Wiederbelebung des Kunsthandwerks, die Auflösung des Unterschieds von Künstler und Handwerker.

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"Der Schwebende", Ernst Barlach

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Quelle: British Museum

... ja, wirklich, sie schwebt: Käthe Kollwitz als bronzene Skulptur, im Jahr 1927 von Ernst Barlach für den Güstrower Dom geschaffen, ursprünglich als Mahnmal für die im Ersten Weltkrieg Gefallenen. Später hat man sie zum Friedensmal und zu einem Symbol der Versöhnung zwischen Ost und West umgedeutet. Der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt wollte Erich Honecker bei seinem ersten DDR-Besuch unter dieser Statue treffen.

"Die Deutschen errichten Monumente, die sie an ihre eigene Schande erinnern. Das unterscheidet sie von allen anderen Ländern", sagt Neil MacGregor.

Die Ausstellung "Germany: memories of a nation", läuft vom 16. Oktober 2014 bis zum 25. Januar 2015.

© SZ.de/khil/rus
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