Ausstellung:Erotik im Dirndlrausch

Die Fotografin Ellen von Unwerth ist mit ihrer frech-ironischen "Heimat"-Serie in der Galerie Immagis zu Gast, die Kathrin Köhler und Joachim Schmeisser vor einem Jahr in München eröffnet haben

Von Evelyn Vogel

Viel nackte Haut und Folklore - was für eine Kombination. Hätte ein Mann diese "Heimat"-Serie fotografiert, der Macho-Vorschlaghammer würde auf ihn niederkrachen, dass die Funken stieben. Nun stammen diese Aufnahmen aber von Ellen von Unwerth. Sie hat schöne Frauen leicht bekleidet in provokanten Posen in Hochglanz fotografiert: verführerisch, schmachtend, unterwürfig, manchmal auch dominant - Futter für die Allmachtsfantasien vieler Männer.

Das Ex-Model hat längst die Seiten gewechselt und steht lieber hinter als vor der Kamera. Sie hat Models wie Eva Herzigová, Kate Moss, Nadja Auermann und Naomi Campbell fotografiert und Stars wie Catherine Deneuve, Rihanna oder Madonna in Szene gesetzt. Frauen, die ihre Schönheit oft offensiv erotisch nutzen. Dass Fotografen wie Helmut Newton mit seiner "kühlen Erotik" zu ihren Vorbildern gehören, wird deutlich. Doch statt kühl inszeniert Ellen von Unwerth die Posen auf eine fast fröhlich-unbekümmerte Weise. "Alle meine sehr sorgfältig ausgewählten Models haben sich köstlich amüsiert, sie lieben es zu provozieren und fühlen sich stark dabei", betont Ellen von Unwerth.

Der Blick, den Ellen von Unwerth auf ihre Heimat geworfen hat, ist keck-ironisch. Diese Heimat heißt nicht New York oder Paris, wo sie heute lebt, sondern Bayern. Denn sie hat einen Teil ihrer Kindheit bei Pflegeeltern im Allgäu, genauer in Oberstdorf, verbracht, bevor sie Nummerngirl im Circus Roncalli wurde und schließlich als Top-Model die Welt eroberte. Für die "Heimat"-Serie, die auch als Coffee-Table-Buch erschienen ist (Taschen Verlag), hat sie halb Bayern nach den passenden Locations abgesucht und urige, alte Bauernhöfe mit Holz vor der Hütte gefunden. Selbiges mussten auch die Mädchen mitbringen, denn die meisten von ihnen tragen Dirndl oder Teile davon, manche Mieder, Lederhosen oder knallenge Pants.

Ellen von Unwerth inszeniert sie frech, sexy und selbstbewusst, selbst die Unschuld vom Lande blickt lockend in die Ferne. Das Shooting fand zu unterschiedlichen Jahreszeiten statt. Und so sind neben Dirndl-Trägerinnen als Alm-Resis zwischen Bergen und als Fischerinnen auf dem See auch Bikini-Schönheiten zu sehen, die auf einer Wasserbanane reiten, und bommelbemützte Nackerte, die im Schnee rodeln.

In der Galerie Immagis werden die verschiedenen Mittelformate in einer Art Petersburger Hängung präsentiert, was dem Gesamteindruck gut tut. Hätte die Galeristin Kathrin Köhler die krachig-bunten Ansichten in raumgreifender Singularität gehängt, man wäre der Motive wohl schnell überdrüssig geworden. So gehen die verschiedenen Alm-Heidis (auch ein männlicher Lederhosen-Seppl ist dabei) mitunter witzige Dialoge ein, rekeln sich im Wald und in der guten Stube, beißen herzhaft in eine Brezn oder Weißwurst und stemmen Maßkrüge und Schnapsstamperl. Jede Menge Alpen-Klischees hat Ellen von Unwerth hyperironisiert.

Ausstellung: Die Galeristin Kathrin Köhler ist studierte Betriebswirtin und hatte mit Joachim Schmeisser eine Foto-Galerie in Würzburg. Im Herbst 2016 gründeten beide die Galerie Immagis in München.

Die Galeristin Kathrin Köhler ist studierte Betriebswirtin und hatte mit Joachim Schmeisser eine Foto-Galerie in Würzburg. Im Herbst 2016 gründeten beide die Galerie Immagis in München.

(Foto: Joachim Schmeisser)

Aus dem Programm von Immagis, in dem sich auch Fotografen wie Mario Marino, Mat Hennek, Marc Holm oder Jakob de Boer befinden, fallen ihre Fotografien etwas heraus. Aber zur Oktoberfestzeit die "Heimat"-Ausstellung Ellen von Unwerths in München zu zeigen, das fand Kathrin Köhler sofort gut. Vor einem Jahr haben sie und ihr Partner, der Fotograf Joachim Schmeisser, die Galerie im Münchner Kunstareal eröffnet, nachdem sie zuvor schon eine Fotogalerie in Würzburg betrieben. "Aber", sagt Köhler, "für Fotokunst ist Würzburg nicht der richtige Standort - jedenfalls dann nicht, wenn es nicht um Sakralobjekte geht" und lacht. Lange habe man in München nach geeigneten Räumen gesucht, erzählt die 37-Jährige. Nun fühle man sich in München angekommen. Dass nur wenige Monate vor ihrer Eröffnung die Foto-Galeristin Blanca Bernheimer den Münchner Standort aufgab, hat ihr den Start erleichtert. "Obwohl der Austausch mit Kollegen auch immer bereichernd ist", weiß sie aus Erfahrung. Dass sie und Schmeisser vor Jahren die Werbebranche verließen, um nur noch ihrer persönlichen Leidenschaft zu folgen, bedauern sie bis heute nicht. Neben der Fotokunst engagieren sich für den David Sheldrick Wildlife Trust, der sich um verwaiste Elefantenbabys in Ostafrika kümmert, und im Rahmen des von Henn Architekten gegründeten Vereins AddYouCation um Schulbildung in Ghana.

In einer der nächsten Ausstellungen bei Immagis werden Fotografien von Sonia Sieff, der Tochter von Jeanloup Sieff, präsentiert. Und auch Schmeissers Projekt über die Elefanten in Ostafrika wird bald zu sehen sein. Sein neuester Bildband dazu "Elephants in Heaven" (teNeues) ist gerade erschienen.

Ellen von Unwerth: Heimat, Immagis Foto-Galerie, Blütenstraße 1, 15. September bis 11. November, Di. bis Fr. 14 bis 18 Uhr, Sa. 11 bis 14 Uhr

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