Ausstellung:Eine Frage der Haltung

Malerei von Lynette Yiadom-Boakye sowie Neoninstallationen und Projektionen von Adele Röder in den Kapselausstellungen Nummer drei und vier im Haus der Kunst

Von Jürgen Moises

Auf den ersten Blick würde man die Bilder von Lynette Yiadom-Boakye nicht in der Gegenwart verorten. Als möglicher Bezug für ihre in realistischer Manier gemalten Öl-Porträts fällt einem eher das 19. oder ein noch früheres Jahrhundert ein. Tatsächlich nennt die in London lebende Künstlerin mit ghanaischen Wurzeln als Vorbilder Eduard Manet, Edgar Degas, Waler Sickert oder John Singer Sargent. Bei einem Werk wie dem Triptychon "The Much-mooted Mischief Of Men" fällt einem als mögliche Referenz auch noch Velázquez ein. Die drei verschieden große Gemälde zeigen einen Mann in einem schwarzen Anzug: frontal in einem roten Lehnsessel, in Seitenansicht auf einem weißen Stuhl und dann noch einmal auf Kopf und Oberkörper reduziert in einer Profilansicht.

Zu sehen ist das Triptychon zusammen mit weiteren Werken von Lynette Yiadom-Boakye im Haus der Kunst. Und zwar als dritter Teil der "Kapsel-Serie", die Werke von jungen, international aufstrebenden Künstlerinnen und Künstlern präsentiert. "Kapsel 01" und "Kapsel 02" waren Tilo Schulz und Mohamed Bourouissa gewidmet. "Kapsel 04" läuft parallel zur Ausstellung von Yiadom-Boakye und zeigt Arbeiten von Adele Röder, einer in Dresden geborenen Künstlerin, die ebenfalls in London lebt. Warum die von Yiadom-Boakye dargestellten Figuren alle dunkelhäutig sind? Darin spiegle sich die Lebenserfahrung ihrer Kindheit wider, so die Künstlerin. Nur dass die Figuren nicht aus ihrer Umgebung stammen, sondern erfunden sind.

Corvi-Mora; Lynette Yiadom-Boakye Haus der Kunst

Körpersprache in den aktuellen Kapselausstellungen im Haus der Kunst: Lynette Yiadom-Boakye, aus dem Triptchon "The Much-mooted Mischief Of Men".

(Foto: Corvi-Mora, London and Jack Shainman Gallery, New York)

Fiktive Charaktere also, von Yiadom-Boakye in ebenfalls nicht identifizierbare, abstrakte Farbräume gesetzt. Das gilt für die Männer-Figuren auf "The Much-mooted Mischief Of Men" genauso wie für die Tänzerin auf "A Pixie And A Priest" oder die Frau im Badeanzug auf "Figure Of Eight". Ob ihre Arbeiten politisch sind? Das entspringe eher den Projektionen der Betrachter. Und tatsächlich: Bei der Art, wie Yiadom-Boakye "schwarze" Figuren mit einer "weißen" Darstellungstradition verknüpft, drängt sich eine politische Lesart geradezu auf. Dass sie solche Lesarten und Ambivalenzen durchaus zulässt, macht nicht zuletzt die Qualität ihrer Arbeiten aus.

Bei den Diaprojektionen und Arbeiten aus Neonröhren von Adele Röder verhält es sich auf gewisse Weise umgekehrt. Hier denkt man zunächst nicht an Politik oder kulturelle Traditionen, wenn einen ein Gesicht aus Neonröhren anlächelt, man die riesigen Neon-Brüste oder die an die Wand projizierten Strichzeichnungen sieht. Das diesen zugrunde liegende Repertoire aus Kreisen, Kreissegmenten und L-Formen basiert auf Körperstudien, zu denen unter anderem die Auseinandersetzung mit prähistorischen Grabstätten gehört. Adele Röders These: "Bestimmte Haltungen und Positionen sind Formen einer rudimentären Sprache, mit der kulturelles Wissen über Jahrtausende hinweg übertragen wird." Aber können wir diese Sprache noch verstehen? Indem sie diese Sprache untersucht und spielerisch-humorvoll damit experimentiert, will Röder ein Bewusstsein für dieses fast archaische Vokabular schaffen, das in einer multimedialen Welt vielleicht ja tatsächlich verloren geht. Aber ob ihr das mit Bildwerken gelingt, die teilweise wie aufgeblasene Smileys oder Ganz-Körper-Emoticons wirken, also wie eine Bildsprache, die uns eh schon permanent umgibt? Das ließe sich zumindest fragen.

Adele Röder Haus der Kunst

Adele Röder: "C-Components and Umlaut Drawing" aus der Serie "O L Y M P I A, or: Message from the Dark Room"

(Foto: Corvi-Mora, London and Jack Shainman Gallery, New York/Courtesy of the artist/Haus der Kunst)

Kapsel 03: Lynette Yiadom-Boakye, bis 28. März; Kapsel 04: Adele Röder, bis 14. Februar, Haus der Kunst, Prinzregentenstr. 1, Mo-So 10-20 Uhr, Do bis 22 Uhr

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