Ausstellung:Düstere Visionen

The Expectation - Richard Oelze

Abb.: Courtesy of The Museum of Modern Art, New York

In New York ist eine feine Ausstellung mit Werken des deutschen Surrealisten Richard Oelze zu sehen, der die finstere Stimmung draußen auf den Punkt bringt.

Von Peter Richter

Im Sommer 1936 fuhr Alfred Barr, der mächtige Gründungsdirektor des Museum of Modern Art in New York, nach Paris, wo er Werke des Surrealismus erwerben wollte. Er fragte Surrealisten um Rat, und wurde von Paul Éluard schließlich zum Atelier eines gewissen Richard Oelze aus Deutschland geschickt, geboren 1900 in Magdeburg. Barr und seine Frau hatten nie von dem Mann gehört, sie fanden ihn zurückhaltend und seine Lebensumstände karg, und sie wunderten sich, dass er bei Johannes Itten am optimistischen Bauhaus studiert haben sollte. Denn sie hatten, so schreibt Barr Jahre später, bei ihrer ganzen Surrealisten-Recherche "nichts gesehen, das annähernd so beunruhigend war wie Oelzes Bilder". Barr kauft ein Gemälde "von beinahe unerträglicher Morbidität" namens "Tägliche Drangsale" und eine "quälende" Zeichnung, die von Kafkas "Schloss" inspiriert war. Ein paar Jahre später wird das MoMA auch Oelzes Hauptwerk aus jener Zeit erwerben: "Erwartung". Für Barr ist es eine subtilere Variante von Munchs "Schrei". Bange Menschen, von hinten gesehen, vor einem bedrohlich schwarzen Himmel. 1940 war dieser Ankauf; da war das Gewitter, das Oelze in der Luft liegen gesehen hatte, bereits hereingebrochen. Rund um dieses Bild gibt es jetzt eine sehr feine Oelze-Ausstellung in New York, allerdings nicht im MoMA, sondern in der Michael Werner Gallery, wo sie neben wenigen verkäuflichen Arbeiten (von 12000 Dollar für eine kleine Zeichnung bis 275000 für ein großes Gemälde) vor allem Leihgaben zeigen. Die stammen nahezu alle aus Sammlungen in Deutschland, wo Oelze in den Sechzigern nach Jahren der Unbekanntheit doch noch kurz zu Erfolg gekommen war, bevor er auch dort ein bisschen in Vergessenheit geriet. Es sind großartige Bilder von korallenhaft versteinerten Landschaften und möglicherweise auch Menschenmengen, alles von postapokalyptischer Schönheit. Daneben Porträtzeichnungen von Zeitgenossen, die sich so heiter betragen, als hätten sie dunkle Geheimnisse und Ahnungen. Nur das Meisterwerk "Erwartung" ist aus New York. Aus dem Depot geholt und ins Zentrum all der anderen beunruhigenden Oelzes gehängt, wirkt es wie für die aktuelle Lage und Stimmung gemacht.

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