Ausstellung:Die pure Vernunft

Junge Künstler in der BBK-Galerie stellen im Rahmen der "Die ersten Jahre der Professionalität Nr. 35" aus.

Von Geraldine Oetken

Immer streiten Sie sich, Vernunft und Emotion. "Ich denke, also bin ich", sagte René Descartes, "Ich fühle, also bin ich", entgegnet der Neurowissenschaftler António Damásio etwa 350 Jahre später. So streiten sich Vernunft und Emotion auch in der Kunstbetrachtung.

Die Ausstellung "Die ersten Jahre der Professionalität Nr. 35" in der Galerie der Künstler stellt sieben Absolventen der Münchner Kunstakademie vor, eine Leistungsschau. Die Künstler, die sich für die Ausstellung bewerben, müssen vor spätestens sieben Jahren ihren Abschluss gemacht haben, freiberuflich sein. Thematisch sind die Positionen aber nicht verbunden. Als Fragmente eines Zeichensystems liegen die einzelnen Arbeiten in den offenen Räumen. Eine zerstörte Bühne, ein verlassenes Kinderspielzeug. Dazwischen: viel leerer, hoher Raum.

Alexis Dworsky hat sich dem eigentlich Haptischen verschrieben. Er übersetzt wilde Graffiti in Blindenschrift, zum Nachfühlen direkt auf der besprühten Toilettenkabine. Die haptische Schrift drängt sich als ästhetisches Element auf, wo anfassen verboten ist. Und so kann die Schrift nur von denen wahrgenommen werden, die sehen können, mit den Händen gelesen werden kann sie nicht. Die Arbeiten verweisen auf das Visuelle, wieder auf das Haptische, und dann immer wieder auf sich selbst und die Kunstbetrachtung.

Der Zugang zu den Arbeiten wird größtenteils über die Vernunft gelegt, nicht über die Emotion. Die Arbeiten wollen decodiert werden, nicht empfunden, Kunst als Analytiker-Sport. Sie verhandeln die Kunstwahrnehmung, den Prozess, machen die Kunst selbst zu ihrem Inhalt. So auch bei Daniel Engelberg, der seine Objekte zeigt. Oder Bilder? Aus Baustoffen schnitzt Engelberg geometrische Muster zu einer zweidimensionalen Platte zusammen, ein nicht unbekanntes Spiel mit dem klassischen Bild-Verständnis. "Nighthawks" ist das bekannteste Werk von Edward Hopper mit einsamen Gästen in einer Bar. Ebenso heißt auch Jakob Egenrieders Video, bei dem eine junge Frau im Vierzigerjahre-Dress mitten im Gehen verharrt, angestrahlt von einem Scheinwerfer. Während Hoppers Bild als Inbegriff der Melancholie gilt, löst Egenrieder das Moment auf, indem er die Neonröhren andreht. Er beschwört eine Entmystifizierung der Melancholie, bezieht sich auf die Kunstgeschichte, um der emotionsgeführten Betrachtung ein Schnippchen zu schlagen und sie zurück in die Analyse zu locken. Thomas Silberhorn hingegen hat einen Frosch, ein Gefährt für Kinder, das normalerweise vor Supermärkten steht, auf den Rücken gelegt. Unregelmäßig schaltet es sich ein und drückt seinen Sockel knatschend in die Luft. Sofort spinnt sich beim Betrachter eine Geschichte um die Installation, vom Vergessen und vom Erinnern, er wird auf sich selbst zurück geworfen.

Verweilen, versinken, das kann Emotion. Die Vernunft kann das Abstrahieren, auf andere Situationen übertragen. Ganz am Ende drängt sich das Lied "Pure Vernunft darf niemals siegen" von Tocotronic auf und weder Descartes noch Damásio sollte uneingeschränkt Recht gegeben werden. Denn nur wenn beide sich streiten, kann für den Betrachter etwas Eigenes entstehen.

Die ersten Jahre der Professionalität; Galerie der Künstler, Maximilianstraße 42; bis 20. Mai

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