Ausstellung: "Diana und Aceton":Huch, die sind ja nackt!

Gynäkologische Hochleistungsschau: Die "Diana"-Ausstellung im Düsseldorfer Kunstpalast penetriert Besucheraugen mit weiblichen Genitalien und stellt Motiv vor Motivation. Die Bilder

7 Bilder

Jan Brueghel d.Ä. und Jacob de Backer, Diana und Actaeon, um 1595

Quelle: SZ

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Gynäkologische Hochleistungsschau: Die "Diana"-Ausstellung im Düsseldorfer Kunstpalast penetriert Besucheraugen mit weiblichen Genitalien und stellt Motiv vor Motivation. Die Bilder.

Man hätte einiges aus diesem Thema machen können, das wird schon in den ersten abgedunkelten Räumen der Ausstellung klar. Gleich ein Dutzendmal räkelt sich Diana, von Nymphen umgeben, wohlig im Wasser ihrer Grotte an der Quelle Gargaphia. Dass sie der jagende Heros Aktäon dabei ungewollt überrascht, scheint die Göttin nicht wirklich zu stören - ihre gezierte Scham wirkt auf vielen der gezeigten Darstellungen bestenfalls wie eine kokette Pose.

Jan Brueghel d.Ä. und Jacob de Backer, Diana und Actaeon, um 1595

Text: Stefan Koldehoff/SZ vom 24.11.2008

Alle Bilder aus der besprochenen Ausstellung.

George Platt Lynes, Acteon, 1937

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Kein Wunder: Als Rembrandt und Rubens, Joseph Heintz der Ältere und Jacob van Loo das Motiv von Diana und Aktäon - und wie ungezählte ihrer Kollegen später auch Venus und "Susanna im Bade", Batseba und das Weib des Potiphar - malten, nahmen sie die antiken und biblischen Sagen mehr oder weniger als Vorwand dafür, Nacktheit darstellen zu dürfen. Im Fall von Diana konnten sie dafür von kirchlichen und weltlichen Herren nicht behelligt werden - schließlich obsiegt am Ende die vermeintliche Moral: Die Göttin verwandelt den Jäger zur Strafe in einen Hirschen, der schließlich von seiner eigenen Hundemeute in Stücke gerissen wird. Eine nackte Göttin schaute damals niemand ungestraft an.

George Platt Lynes, Acteon, 1937

Marlene Dumas, Caressing the Pole, 2000

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Fast ausschließlich weibliche Genitalien penetrieren die Augen der Besucher. Dass Gustave Courbet schon 1886 mit seiner berühmten naturalistischen Vulvalandschaft "Der Ursprung der Welt" jeden Zwang zur Begründung gemalter Nacktheit ein für alle mal negiert und widerlegt hat, scheint in Düsseldorf nicht zu interessieren. Ein anderer roter Faden allerdings ist in der Ausstellung, die fast alle Räume des Ungers-Neubaus einnimmt, auch nicht zu erkennen.

Marlene Dumas, Caressing the Pole, 2000

Albrecht Dürer, Zeichner der liegenden nackten Frau, 1538

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Überwiegend chronologisch, bisweilen aber auch nach Medien gehängt, reihen sich nach den Alten Meistern und antiken Vasenbildern Akte aus Impressionismus, Expressionismus und klassischer Moderne bis hin zur Gegenwartskunst aneinander. Das Problem dieses Konzeptes ist die Gleichberechtigtheit, mit der dieser Parcous inszeniert wurde. Dass sich Edvard Munch glaubhaft für die Psyche seines jungen Modells, nicht für ihren Körper interessiert, dass Louise Bourgeois eigene Erfahrungen und Traumata in ihre Skulpturen einformt, dass Nobuyoshi Araki in den weit gespreizten Schenkeln der Frauen, die sich von ihm fesseln und fotografieren lassen, auch den Unterschied zwischen ihrem Eros und seiner Liebe zu seiner früh verstorbenen Frau dokumentiert - all dies wird nicht vermittelt und scheint auch keine Rolle zu spielen.

Albrecht Dürer, Zeichner der liegenden nackten Frau, 1538

Rembrandt Harmensz. van Rijn,Diana mit Aktäon und Kallisto, 1634

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Besonders deutlich wird das im Fotokabinett, in dem mit Andy Warhol und Sally Mann, Robert Mapplethorpe und Duane Michals, Helmut Newton und den wunderbaren Wall-Street-Bordellfotos von Merry Alpern so viele künstlerische Positionen versammelt sind wie Bilder an der Wand hängen. Hier wird kunsthistorische und sozialgeschichtliche Aufklärung mit dem Brechen von Tabus verwechselt, die schon lange keine mehr sind. Im Düsseldorfer Fokus steht nur noch das Motiv, nicht die Motivation.

Rembrandt Harmensz. van Rijn, Diana mit Aktäon und Kallisto, 1634

Eric Fischl, Bad Boy, 1981

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Was in den ersten Ausstellungsräumen so großartig beginnt, hätte eine konzentriertere Fortsetzung verdient gehabt. Stattdessen folgt eine in weiten Teilen beliebige Aneinanderreihung nackter Körper und ihrer anatomischen Details, deren künstlerische Qualität abnimmt, je näher ihre Entstehung der Gegenwart ist. Es gibt durchaus beglückende Begegungen - wie mit Cy Twomblys "Actaeon"-Interpretation - und Wiederbegegnungen - wie mit Eric Fischls "Bad Boy", der zum Voyeur wird, um Kleptomane sein zu können.

Eric Fischl, Bad Boy, 1981

Gipsabguß der sog. Aphrodite Braschi

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Insgesamt aber bleiben ein schaler Nachgeschmack und eine offene Frage: Vor drei Monaten hatte Beat Wismers im Unfrieden geschiedener Vorgänger Jean-Hubert Martin schwere Vorwürfe gegen den Eon-Konzern erhoben, mit dem gemeinsam die Stadt Düsseldorf das Museum Kunstpalast betreibt und der inzwischen auch in Essen, Hamburg, München und demnächst in Berlin Hauptsponsor der Museen sein wird. Dessen langjähriger "Kulturbeauftragter" Achim Middelschulte habe sich, so der Vorwurf, mehrfach direkt in die Programmgestaltung eingemischt und mehrere Ausstellungen verhindert - darunter eine mit zeitgenössischen Werken aus der Sammlung Olbricht mit der Begründung, so Martin, dass "in dieser Kunst zu viel Sex vorkommt und Sachen, die er nicht ertragen konnte". Der Energiekonzern bestreitet diese Anschuldigungen: Im Museum habe der jeweilige Direktor jederzeit zeigen können, was seinen Ideen entsprach. Soll die aktuelle Ausstellung diese Gegenrede nun um jeden Preis belegen?

Gipsabguß der sog. Aphrodite Braschi

"Diana und Actaeon. Der verbotene Blick auf die Nacktheit", bis 15. Februar. Info: www.museum-kunst-palast.de. Katalog (Verlag Hatje Cantz) 39,80 Euro.

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