Ausstellung:Der Viel-Arbeiter

Seff Weidl war im Nachkriegsdeutschland einer der Großen seiner Zunft. Es gibt kaum eine Stadt, in der nicht eine seiner Plastiken stünde. Eine Ausstellung in der Galerie Dürr bestätigt sein Bedeutung

Von Sabine Reithmaier

Seltsam, dass er so schnell vergessen worden ist. Dabei war der Bildhauer Seff Weidl, geboren 1915 in Eger, einmal ein unglaublich gefragter Künstler. Viel beschäftigt nicht nur in Deutschland, sondern auch international unterwegs. Die Liste seiner Einzelausstellungen ist beeindruckend, die Namen der Galerien auch. Und angesichts der Fülle seiner Großplastiken, die in den Fünfziger- und Sechzigerjahren im öffentlichen Raum aufgestellt wurden, beginnt man sich zu fragen, wie er das alles geschafft hat. Und warum nach seinem plötzlichen Tod 1972 so schnell das große Schweigen einsetzte, obwohl der Mann richtig gut war. Sich selbst ein Bild davon machen kann man sich in der Galerie Dürr, die mit einer Ausstellung anlässlich seines 100. Geburtstages an den Bildhauer erinnert.

Um den künstlerischen Nachlass kümmert sich Sohn Peter Weidl, ebenfalls Bildhauer von Beruf. Er erinnert sich noch an die Zeiten, als die Skulpturen seines Vaters für Aufregung sorgten. Heute ist das kaum mehr nachzuvollziehen, wenn man in der Galerie vor den Plastiken "Kleine Gewinkelte/Regensburgerin" und der "Kleinen Ruhenden" steht, Akt-Bronzen aus den Jahren 1952 und 1960. In Lebensgröße liegt die "Ruhende" seit 1955 vor dem Regensburger Hallenbad. Eine Frauenfigur, nackt mit gespreizten Beinen - die Wogen der Empörung schlugen hoch, schließlich hätte dieser Anblick ja Kindern, die zum Schwimmunterricht gingen, moralisch schaden können. Klosterschwester hätten während einer Fronleichnamsprozession sogar lauthals "pfui, pfui, pfui" gerufen, als der Zug am Bad vorbeikam, berichtete die Mittelbayerische. Die "Ruhende" hat das alles gut überstanden, sie sitzt immer noch in der Wiese und hätte gegen etwas mehr Aufmerksamkeit wahrscheinlich nichts einzuwenden.

In München gibt es 16 Weidl-Werke im öffentlichen Raum, darunter einige Mosaike in Eingangshallen oder der drei Meter lange Wisent im Siemenssportpark oder ein Sonnengott an der Schule am Schrobenhauser Platz. Keine der Münchner Skulpturen wurde so berühmt wie die vier Meter hohe "Mater Colonia" am Kölner Rathaus oder die "Quintilla" in Böblingen. Dabei hat Weidl sogar von 1935 an in München an der Akademie studiert. Er war kaum fertig, als er 1939 eingezogen wurde und in den Krieg musste.

Ein wenig erleichterte ihm Emil Wachter den Militärdienst, den er 1943 kennenlernte. Die beiden, stationiert in Langres/Burgund, fanden dort anscheinend genügend Zeit, um gemeinsam zu malen. 1944 geriet Wachter in britische Gefangenschaft, während Weidl flüchtete und versuchte, sich nach Eger zu seiner Familie durchzuschlagen, was ihm dann, wenn auch verletzt, gelang.

Den Grundstein für seinen späteren Erfolg in Amerika legte er bereits in den letzten Kriegstagen, jedenfalls wenn man der Darstellung seines Sohnes folgt. Die Amerikaner hatten Eger am 26. April 1945 besetzt, Weidl sofort gefangen genommen. Der vertrieb sich die Zeit, in dem er die US-Wachsoldaten zeichnete und diese Skizzen unter dem Stacheldraht hindurch gegen Zigaretten eintauschte. Der Handel währte nicht lang, denn die Amis zogen sich zurück, die Vertreibung begann. Weidl landete mit seiner Familie in Brunnbichl, einem Ortsteil von Kreuth am Tegernsee. Die ersten zwei Jahre seien schwierig gewesen, berichtet der Sohn, der allerdings erst 1948 dort geboren wurde.

Seff Weidl

Ausdruck und Bewegung mit wenigen Linien: Seff Weidl.

(Foto: Picasa/Archiv Peter Weidl)

Aber mit der Währungsreform setzte der Erfolg des Vaters ein. 1950 erwarb das Art Institut of Chicago bereits eine seiner Skulpturen. Zwei Jahre zuvor hatte Weidl seine erste große Einzelausstellung beim Kunstverein Stuttgart. Für den Durchbruch in Amerika sorgten die Sonderausstellungen in den Jahren 1950, 1952 und 1955 in der Kleemann Gallery in New York. In den Sechzigerjahren, als in Deutschland allerorten gebaut wurde, schuf er - fast wie am Fließband und unter tatkräftiger Mitarbeit des Sohnes - Großplastiken für den öffentlichen Raum. In Bayern gibt es vermutlich kaum eine Stadt, in der nicht irgendwo ein echter Weidl stünde. Erstaunlich, wie er es geschafft hat, all die Aufträge zu bewältigen.

In der Galerie, die schon allein wegen ihrer alten Druckmaschinen sehenswert ist, sind neben einigen Groß- und vielen Kleinplastiken auch Zeichnungen und Radierungen ausgestellt, meist aus den späten Jahren. Mit wenigen Strichen hielt Weidl Köpfe fest, radikal vereinfacht, aber ausdrucksstark. Beeindruckend auch, wie er mit ein paar Linien lange biegsame Körper skizziert, tänzerische Bewegungen, ja Rhythmus sichtbar macht, obwohl die Arbeiten völlig abstrakt sind.

1968 zog der Viel-Arbeiter nach München und von dort 1971 nach Inning am Ammersee. Dort starb er ein Jahr später, erst 57 Jahre alt.

Zum 100. Geburtstag von Seff Weidl, bis 31. Juli, dienstags bis freitags 14-18 Uhr, samstags 11-14 Uhr, Galerie Christoph Dürr, Hübnerstraße 5

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