Ausstellung:Das große Leuchten

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Die Neue Sammlung in der Pinakothek der Moderne zeigt Glaskunst aus Murano - wenn die Sonne scheint, werfen die Objekte ihre bunten Schatten und erfüllen die Rotunde mit vielfarbigem Glanz

Von Evelyn Vogel

Wenn das Sonnenlicht auf die Stücke trifft, dann kommt der große Moment. Dann glühen und strahlen die Vasen, Schalen und Objekte aus Muranoglas aus sich heraus in den schönsten Farben, werfen ihre bunten Schatten auf die weißen Postamente und füllen die Rotunde der Pinakothek der Moderne mit vielfarbigem Glanz. Wenn also die Sonne scheint, leuchtet die Idee der Präsentation ein. Bei trübem Wetter verliert die natürliche Inszenierung der Ausstellung "Murano. Milano. Venezia. Glas." leider ein wenig. Ein guter Grund, die Ausstellung in den Sommermonaten zu besuchen.

Die Kuratoren des Designmuseum der Neuen Sammlung wollten die gläsernen Objekte nicht hinter Glas verbannen. Statt dessen haben sie den größten Teil der Ausstellung auf ein breites, rundum laufendes Schaupodest vor der Balustrade im obersten Stockwerk der Pinakothek gestellt, nur eine halbe Armlänge entfernt von den Besuchern. Dunkle Kammern mit dramatisch inszenierten Lichtinstallation, die die Stücke in den Rang mythischer Objekte gehoben hätten, gibt es nicht. Statt dessen stehen sie in kleinen Gruppen und lockeren Reihen, was bei den Vasen und Schalen ja durchaus auch ihrem natürlichen Dasein entspricht. Nur einige wenige, sehr alte oder sehr fragile Ausstellungsstücke sind in einer seitlichen Vitrine unter Glas zu sehen - das älteste von 1895. Dieser Kelch ruht so fein und zart auf einem spindeldürren, gedrehten Stil, dass man sich - stünde man direkt davor - kaum trauen würde auszuatmen, aus Angst ihn umzupusten.

Die etwa 200 chronologisch aufgereihten Objekte, das jüngste von 1972 - wurden einst auf Biennalen in Venedig oder Triennalen in Mailand gezeigt, zu einer Zeit, als die Bildende und die Angewandte Kunst noch nicht getrennt gesehen wurden wie heute. Besonders schön daran abzulesen ist, wie sich Formen, Farben und Techniken entwickelt und verändert haben. Von einer ruhigen Einfarbigkeit und eher schlichten Formen, die in den Zwanziger-/Dreißigerjahren auch eine Tendenz zu einer leichten Klobigkeit haben, hin zu immer vielfarbigeren Objekten mit technisch aufwendigeren Verfahren.

Da wird Glas aufgeschäumt und fremde Materialien eingestreut; verschieden farbige Glasstränge als Streifen neben- und übereinandergelegt oder zu Glasmatten verarbeitet und auf einen Klarglaskörper aufgeschmolzen; Glasplättchen verschiedenster Tönung verbindet man mit flüssigem Glas miteinander, so dass sie selbsttragende Objekte wurden; verschiedenfarbige Glasstränge werden verdreht, gezogen und in Stücke geschnitten, so dass die von verschiedensten Mustern geprägten Murrinen entstehen, die als spezielle Dekorobjekte dienen. In den Fünfziger-/Sechzigerjahren tauchen öfter geradezu psychedelische Muster auf, die entweder mit einzelnen farbigen Strängen erzeugt werden, für die sich aber auch die Murrinen bestens eignen. Einflüsse wie die des skandinavischen Designs führen zu strengeren Formen und klareren Farben. Aber fortan fahren die Glasbläser von Murano alles auf, was ihnen zur Verfügung steht. Es entstehen neben "Gebrauchsgegenständen" wie Vasen und Schalen - die wegen ihres kunstvollen Designs und stattlichen Preises natürlich vielfach ihres Gebrauchswertes längst verlustig gegangen sind - reine Schauobjekte. Wer sich etwas mehr für die Kunst des Glasblasens interessiert, sollte unbedingt auch einen Blick auf den Film werfen, der in der Ausstellung läuft und verschiedenste Techniken erläutert.

Die Glasbläserkunst in ihrer künstlerischen und extrem farbigen Ausprägung ist seit Jahrhunderten in Murano beheimatet. Zuvor jedoch war Venedig das Glaszentrum. Doch wegen der Brandgefahr, die von den Glasbläsereien ausging, verbannten die Venezianer im 13. Jahrhundert die Glasbläser auf die vorgelagerte Inselgruppe. Zugleich verbot man denjenigen, die um die Kunst des bunten Glases wussten, die Inseln zu verlassen. Noch heute ist Muranoglas etwas ganz Besonderes, auch wenn es viele Fälschungen gibt und nicht alles Glas aus Murano stammt, was vielfarbig leuchtet.

Die Stücke in der Ausstellung stammen aus der Berliner Privatsammlung von Lutz Holz, der vor 15 Jahren vom Sammelvirus für Muranoglas infiziert wurde. Erst habe er nur ein paar schöne Stücke für die Wohnung gesucht, "dann wurde daraus Leidenschaft", erzählt Holz. Seine Lieblingsstücke sind die farbintensiven und technisch aufwendig gearbeiteten aus der "Oriente"-Serie des italienischen Malers und Designers Dino Martens. Davon sind einige in der Pinakothek zu sehen. Wenn hier das Sonnenlicht drauffällt, scheinen die Farben förmlich zu explodieren. Gut also, dass nun endlich Sommer ist.

Murano. Milano. Venezia. Glas. Die Neue Sammlung, Pinakothek der Moderne, Barer Str. 40, bis 16. Oktober, Di-So 10-18 Uhr, Do bis 20 Uhr

© SZ vom 09.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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