Ausstellung:Bilder im Kopf

Malend hat er das Trauma von Auschwitz zu bewältigen versucht: Das NS-Dokumentationszentrum zeigt in der Sonderausstellung "Kunst gegen das Vergessen" Werke von Adolf Frankl

Von Evelyn Vogel

Köpfe. Der Fluch der Erinnerung in den Köpfen. Bilder, die nicht weichen, die immer wieder hochkommen aus den Tiefen des Vergessenwollens. Des nicht Vergessenkönnens. Wer das Grauen von Auschwitz überlebt hat, wird es niemals vergessen können. Doch kann man es darstellen?

Eine Frage, die anknüpft an Adornos Äußerung, wonach es unmöglich sei, nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben. Dieses Grauen in Worte zu fassen oder es bildlich darzustellen, wird immer eine Herausforderung bleiben. Einige Künstler haben sich dieser Herausforderung gestellt. Manche haben sie bewältigt - auf berührende, aufklärerische Weise. Und dabei geht es nicht um eine Ästhetisierung. Sondern um Verstehen, um Warnung, um Verantwortung: Nie wieder! Nie wieder darf so etwas geschehen. Nie wieder dürfen wir so etwas zulassen. Niemals dürfen wir vergessen.

Auch Adolf Frankl, der 1903 in Bratislava geboren und 1944 mit seiner Familie nach Auschwitz deportiert wurde, konnte nicht vergessen. Seine Erinnerungen, die ihn bis zu seinem Tod in Wien 1983 verfolgten, versuchte er in seinem umfangreichen Bilderzyklus "Visionen aus dem Inferno" zu verarbeiten. Ein Trauma, das er über die persönliche Verarbeitung hinaus zu einer Mahnung machte gegen das Vergessen.

"Kunst gegen das Vergessen" heißt auch die Sonderausstellung mit Bildern von Adolf Frankl im NS-Dokumentationszentrum an der Brienner Straße, die an diesem Mittwochabend um 19 Uhr eröffnet wird. Etwa 150 Gemälde und 500 Zeichnungen befinden sich im Nachlass, der von Frankls ältestem Sohn Thomas in Wien bewahrt und verwaltet wird. Daraus hat Winfried Nerdinger, Gründungsdirektor des NS-Dokumentationszentrums, etwa 30 Gemälde und eine kleinere Anzahl grafischer Arbeiten ausgewählt. Das gewiss Überraschendste daran ist die expressive Farbigkeit, die die meisten Gemälde kennzeichnet.

Blutrot, Giftgrün, Schwefelgelb, gelegentlich Himmelblau - das sind die vorherrschenden Farben. An anderer Stelle verschiedene Lilatöne und Erdfarben. Es gibt in der Ausstellung auch Arbeiten, die von einer großen Fahlheit geprägt sind, aber Nerdinger hat davon nur wenige ausgewählt, hat sich stärker auf Bilder mit leuchtenden Farbflächen konzentriert. Form- und Farbsprache lassen hier expressionistische Einflüsse erkennen.

Doch hat Frankl einen durchaus eigenen Stil entwickelt. Aus den Farbfeldern treten mit leicht abstrahierter Gegenständlichkeit die Konturen der Menschen hervor. Als ganze Figur stellt Frankl zumeist skeletthafte Gestalten und den Tod dar. Ganz besonders erschreckend in dem Porträt Adolf Eichmanns: Das gesamte Abbild des Mörders setzt sich aus Bildern seiner Opfer zusammen. Auf erschreckend beeindruckende Weise hat Frankl Eichmann dessen Taten ins Gesicht eingeschrieben.

Häufiger jedoch treten die Personen dem Betrachter als Halbporträts entgegen oder sind auf die Köpfe reduziert. Das zeigt sich schon bei der außergewöhnlich düsteren Arbeit "Deportation" von 1959, die am Anfang der Ausstellung hängt. Die Konturen lösen sich immer häufiger auf, Form und Farbe verschwimmen ineinander. Und doch bleiben die Köpfe immer sichtbar. Gelegentlich finden sich hebräische Schriftzeichen - einmal hat er die seines Namens über das gesamte Bild verstreut.

Die Zeichnungen, zumeist mit Kugelschreiber ausgeführt, zeigen das Grauen im KZ und den Schrecken des Holocaust ebenfalls sehr beeindruckend. Auch hier ist der expressive Strich unverkennbar, die Fertigkeit in der Schraffur zeigt die Kennerschaft. Mitunter wirken die karikaturhaften Blätter - Frankl hatte einst nebenbei als Karikaturist gearbeitet - fast makaber. Aber jegliches Lachen erstirbt in der Kehle angesichts des Themas.

Adolf Frankl: Kunst gegen das Vergessen, Sonderausstellung im NS-Dokumentationszentrum München, Brienner Straße 34, bis 25. September, Di-So 10-19 Uhr

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