Aus für Vanity Fair:Der Rest ist Schweiger

Schon das erste Cover mit Til Schweiger war ein Missverständnis: Das Magazin Vanity Fair ist gescheitert, weil deutsche Prominente noch kein Inhalt sind.

Christian Kortmann

Es sollte eine weiße Hochzeit werden, die Verbindung von glamouröser deutscher Prominenz und amerikanischem Qualitätsjournalismus: Ganz in Weiß hatte Chefredakteur Ulf Poschardt die Berliner Redaktionsräume in einem Altbau Unter den Linden gestalten lassen, als er im Februar 2007 mit der ersten deutschen Ausgabe des US-Gesellschaftsmagazins Vanity Fair an den Start ging.

Aus für Vanity Fair: Kein gutes Omen: Til Schweiger in Laubenpieper-Pose auf dem Cover des deutschen "Vanity Fair"-Debüts.

Kein gutes Omen: Til Schweiger in Laubenpieper-Pose auf dem Cover des deutschen "Vanity Fair"-Debüts.

(Foto: Foto: ddp)

Die Idee war so einfach wie gewagt: Man wollte das seit 1913 erprobte Konzept der US-Unterhaltungszeitschrift mit Reportagen berühmter Autoren, Starfotografen wie Annie Leibovitz und ausgewählter Kulturberichterstattung für den deutschen Markt übernehmen.

Das Übersetzen der amerikanischen Beiträge war das kleinste Problem. Was solch ein Magazin entwickeln muss, um lebendig und unverzichtbar zu werden, ist eine Kernkompetenz, ein ureigenes Themenfeld, an dem sich die Macher überzeugender abarbeiten als die Konkurrenz. Wer Deutschland wöchentlich kritisch durchgebürstet sehen will, kauft montags den Spiegel; wer ein Update internationalen Klatsches braucht, fiebert seiner donnerstäglichen Gala entgegen.

Irgendwo zwischen Spiegel und Gala wollte man die Vanity-Fair-Baustelle errichten und die Stars der ach so glamourösen Berliner Republik zum Großthema machen: Wenn man Wolfgang Joop, Heidi Klum und den Wowereit ins rechte Licht rückt, sehen sie dann nicht aus wie Ralph Lauren, Tyra Banks und Obama?

In der ersten Ausgabe inszenierte man also Til Schweiger als Coverboy und Cowboy - wenn man so will, war das der Beginn eines langen qualvollen Ritts durch die Wüste, der mit dem Verdursten des Pferdes endete. Kürzlich hatte Chefredakteur Nikolaus Albrecht, der im Mai 2008 auf Poschardt gefolgt war, sein Ausscheiden angekündigt, am heutigen Mittwoch wurde bekannt, dass das Magazin eingestellt wird.

Mit der Finanzkrise, wie es nun heißt, hat das nur bedingt zu tun. Entscheidender ist eine andere strukturelle Dauerkrise: Denn man hatte beim Vanity-Fair-Transfer einen eklatanten Unterschied zwischen dem amerikanischen und dem deutschen Markt nicht bedacht. Eine Nachfrage nach Glamour gibt es zwar auch hier, nur mangelt es am Angebot glamouröser Subjekte: "Vanity Fair" bedeutet übersetzt "Jahrmarkt der Eitelkeiten", aber es genügt auf diesem Jahrmarkt nicht, einfach nur eitel zu sein: Man muss seine Eitelkeit wie ein Schausteller inszenieren, effektvoll zeigen, was man kann.

Dafür gibt es im US-amerikanischen Starsystem eine ganze Armada von "Publicists", Öffentlichkeitsmanagern, die Popstars oder Schauspieler beraten, was sie am besten wie von sich preisgeben, um eine Kunstfigur mit unterhaltendem Image aufzubauen.

Man kennt diese deutsch-amerikanische Entertainment-Kluft auch aus Late-Night-Shows: Wer zu Jay Leno, Jimmy Kimmel oder Conan O'Brien geht, weiß, dass er als Gastgeschenk eine gute Geschichte mitnehmen muss, auch wenn sie erfunden ist. Kimmels "Fucking Matt Damon"-Satire, die unter Mitwirkung der Schauspieler Matt Damon und Ben Affleck entstand, wäre in Deutschland undenkbar. Hier sitzt man still auf der Talk-Couch, und wenn man angesprochen wird, erzählt man von der neuen CD/Show/Liebesbeziehung.

Viele, viele bunte Bunte

Anstatt die Glamour-Knappheit zu erkennen und eine journalistische Alternativstrategie zu entwickeln (Stefan Raab ist mangels interessanter Gäste auf die Musik und Spiele mit sich selbst ausgewichen), versuchte man bei Vanity Fair, sich und den Lesern die deutsche "Society" im Wochenrhythmus schön zu schreiben. Dabei erscheint sogar das Muttermagazin, das aus dem Vollen schöpfen kann, nur monatlich.

Im November 2008 war das ähnlich wie Vanity Fair positionierte Magazin Park Avenue vom Verlag Gruner + Jahr eingestellt worden. Auch hier hatten wechselnde Chefredakteure versucht, deutschen Prominenten Glamour anzudichten und waren bei Gabriele Pauli in Latexhandschuhen und der "Kartoffelhändlertochter" Veronica Ferres gelandet. Ob Cowboy oder Domina: Wenn die Porträtierten zu Lachnummern werden, beschädigt das auch das Image eines Magazins.

Wir konnten an den Kiosken vorübergehend zwischen Bunte, Bunte 2 und Bunte 3 wählen, jetzt bleibt uns nur die gute alte Bunte. Und da passen die Unmengen deutschen Glamours doch ganz gut rein.

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