Auf dem Markt:Drüber und empor

Klee kümmerte sich schon früh darum, seine Werke zu vermarkten. In Goltz fand er einen Kunsthändler, der wesentlich zu seinem Erfolg beitrug.

Von Ira Mazzoni

Leitern, immer wieder führen haarfeine Leitern über mehrere schwebende Ebenen empor, bis sie sich im Blau des Himmels verlieren. Die Gestirne erreichen sie nie. Aber die fragilen Konstruktionen kennten nur eine Richtung: Nach oben. Es sind solche Traumbilder, mit denen Klee sein Image als moderner Idealist ausformt. Dabei war Klee alles andere als weltvergessen. Jeder Schritt auf der Karriereleiter scheint wohl überlegt.

Sehr genau beobachtete Klee, was sich in der alten Kunststadt München Neues tat. Mit einigem Stolz konnte er seiner Mutter 1912 berichten, dass seine "eigene Collection" im Juni in der mondänen Galerie von Justin Thannhauser gezeigt werde, "dem ersten Geschäft hier für Impressionismus". In der Galerie hatte auch die Redaktion des Blauen Reiters ein Jahr zuvor ihre erste Ausstellung. Und Thannhauser bewies noch mehr Mut, als er seinen großen Oberlichtsaal für die von Herwarth Walden organisierte Futuristen-Ausstellung frei räumte. Dem "heldenhaften" Walden", Herausgeber der expressionistischen Zeitschrift Der Sturm und kurzfristig auch Galerist, galt Klees ganze Bewunderung. Der Berliner wurde für Klee bald zum wichtigsten Außenhandelsvertreter. In München aber entschied sich Klee für Hans Goltz, der 1910 die auf typisch Münchner Reproduktionsgrafik und Kunst-Literatur spezialisierte Buchhandlung von Ulrich Putze in der Brienner Straße 8 übernommen hatte. Die Adresse war erstklassig zwischen einem großen Weinhaus und dem berühmten Café Luitpold gelegen. In den beiden großen Schaufenstern hingen 1912 noch München-Fotos neben Kunstdrucken der Mona Lisa und einer Salomé des Malerfürsten Franz von Stuck. Vorsichtig erweiterte Goltz das Sortiment, spezialisierte sich auf moderne Pressendrucke und internationale, zeitgenössische Original-Grafik. So präsentierte er 1912 die zweite, diesmal rein grafische Ausstellung des Blauen Reiters. Klee war auf Einladung von Franz Marc und Wassily Kandinsky mit dabei. Doch das Unternehmen Goltz stand auf der Kippe. Gabriele Münter und Kandinsky gaben Kredit und Goltz wagte mit ihrer Hilfe direkt am Odeons-Platz eine Galerie "Neue Kunst - Hans Goltz" zu eröffnen. Klee zeigte sich beeindruckt: "Der Händler riskiert als "erster am Platz", in seinem Schaufenster kubistische Kunst auszustellen, die von den Gaffern als typisch schwabingisch bezeichnet wird. Picasso, Derain, Braque als Schwabinger Freunde, ein netter Gedanke!" Allerdings konnte Goltz die Odeonsplatz-Adresse nur bis zum Herbst 1915 halten, danach zog sich die Galerie in die Brienner Straße zurück.

Während des Ersten Weltkriegs verzeichnete Klee durch Herwarth Walden und Hans Goltz erste Verkaufserfolge und kam in einer Woche schon mal auf einen Verdienst von 1100 Mark. Von der Flugwerft aus dirigierte der Künstler seine Frau Lily, welche Bilder und Grafiken wohin zu expedieren waren. Anlässlich einer Ausstellung in der Sturm-Galerie ließ sich Klee im Oktober 1916 für eine Postkarte fotografieren und gab sich das Image des Sehers mit weit aufgerissenen Augen: "So berühmt bin ich schon!" Mitten im Krieg ging es für den Träumer und Seher nach oben.

Nach der niedergeschlagenen Revolution kehrte Klee aus Bern nach München zurück und bezog im Schwabinger Suresnes-Schlösschen eine Wohnung mit Atelier. "Schon so berühmt" macht er von diesem Atelier ein sorgfältig komponiertes Foto. Denn Atelierfotos gab es seit den 1870er Jahren von allen erfolgreichen Münchner Malerfürsten und Fachmalern. Der ganze Kunststadt-Mythos spiegelte sich in solch inszenierten Portrait-Interieurs. Klee nutzte das etablierte Rollenbild, um sein Atelier als moderne Werkstatt ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Zwar gab es auch bei Klee noch eine Bilderwand für verkaufsbereite Gemälde: Seine neoromantischen Landschaften hängen dreireihig auf vermutlich tiefrot gestrichener Wand. Zum traditionellen Rollenbild gehört auch, dass Malkasten und Staffelei zentral im Raum stehen. Darüber hinaus fehlen aber in Klees modernem Atelier alle herkömmlichen Requisiten. Das Bild auf der Staffelei ist ohne Gegenstand reine Konstruktion! Denn an der Staffelei hängt ein gleichschenkliges und ein rechtwinkliges Dreieck: Arbeitswerkzeug von Ingenieuren und Architekten. Die gesäuberte Palette, Attribut der Maler, hängt im Hintergrund am Türrahmen, als würde sie vorerst nicht gebraucht. Das begonnene Werk setzt primär auf die Linie. Was Klee in seiner Fotografie in Szene setzt, ist nicht weniger als ein künstlerisches Manifest eines Neuanfangs.

Das Ende der liberalen Kunststadt München zeichnete sich Anfang der 20er Jahre ab

Etwa gleichzeitig zu dem Künstler-Atelierfoto arbeitete Klee an seinem Selbstbild als "denkender", "empfindender", "abwägender" und "formender Künstler" um schließlich bei der Ikone "Versunkenheit" anzukommen. Bei seiner Kunst geht der Blick romantisch nach innen - nicht nach außen. Das Image steht.

SZ Spezial Klee

"Höhe" nannte Paul Klee dieses 1935 entstandene Aquarell, das sich in Privatbesitz befindet. Diverse Leitern, Torbogen, Türme weisen den Weg hinauf. Über allem schwebt ein rätselhafter Vogel. Das Thema Höhe beschäftigte Klee über Jahrzehnte hinweg, in Form von Bergen und Leitern findet sich das Motiv häufig in seinen Werken.

(Foto: Zentrum Paul Klee, Bern)

Aus "Notwehr", habe er mit Goltz einen Vertrag abgeschlossen, notiert Klee 1919 in sein Tagebuch: Die geschäftliche Korrespondenz und die Atelierbesuche waren stark angewachsen. Goltz übernahm die Generalvertretung für sechs Jahre. Das sicherte Klee feste Jahresbezüge. Goltz erhielt die vollendeten, das heißt von Klee gerahmten Werke auf Kommissionsbasis und ging die Verpflichtung ein, diese an andere Avantgarde-Händler, wie Alfred Flechtheim in Düsseldorf, Wolfgang Gurlitt und Herwarth Walden in Berlin weiter zu geben. Eine schnelle Bilderbewegung innerhalb des Netzwerkes war gewünscht, um möglichst viele Sammler anzusprechen. Zufrieden notierte Klee: "Goltz arbeitet bis jetzt sehr gut . . . Gar keine Ausstellungssorgen mehr."

Goltz war inzwischen der führende Moderne-Händler in Deutschland. Sendungsbewusst und verkaufstüchtig gründete er eine eigene Zeitschrift, Der Ararat. Als leitender Redakteur war Leopold Zahn für das internationale Nachrichtenblatt verantwortlich, das 1920 startete. Die neuartige Kunstzeitschrift publizierte Bilder von Giorgio de Chirico (mit Ateliermotiven), berichtete über den Russischen Konstruktivismus und die Neue Sachlichkeit genauso wie über Pablo Picassos aktuellste Stilwende. Die erste Sondernummer widmete Goltz seiner George Grosz- Schau, der ersten in Deutschland. Die zweite erschien zur ersten Gesamtschau von Klees Werk, der 60. monografischen Ausstellung, die Goltz seit 1912 gehängt hatte. Der leitende Redakteur Zahn verfasste termingerecht die erste Monografie über Paul Klee und stellte ihr ein Zitat aus den Reden und Gleichnissen des Tschuang-Tse voran, während der Künstler ein Autografen-Faksimile beisteuerte: Diesseitig bin ich gar nicht fassbar . . ." Damit war das Rollenbild Klees festgeschrieben.

Gleichzeitig aber wehrte sich Klee dagegen, als weltfremd bezeichnet zu werden. Was den Kunstmarkt betraf, war er Profi: "Ich male, die andern vertreiben und machen Reclame." Dabei verfolgte er die Entwicklung der Geschäfte aufmerksam "Es ist wie man ein Barometer konsultiert. Die Kurve des Barometers macht Spaß." Vergnügt stellte er fest, dass das Jahr 1920 mit der Einzelausstellung bei Goltz und gleich drei Monografien einen "ersten Höhepunkt im Scenarium" bildete. Seine Erfolgsleiter streckte sich himmelwärts. Und dafür hat Goltz einiges getan. Angeblich gehen auch die poetisch vieldeutigen Untertitel unter den grafischen Blättern auf seinen Rat zurück. So poetisch verschlüsselt seien die Blätter leichter verkäuflich.

Auf dem Markt: Sauber inszeniert: Das Atelierfoto aus dem Suresnes-Schlösschen.

Sauber inszeniert: Das Atelierfoto aus dem Suresnes-Schlösschen.

(Foto: Paul Klee/Zentrum Paul Klee, Bern)

Wie schwierig es war, im reaktionären München den Modernen zu Ansehen und Erfolg zu helfen, davon berichtete Leopold Zahn 1921. Goltz erhielt anonyme Briefe mit Beschimpfungen, Androhungen von Brandstiftung und Mord. Der Händler sammelte diese Pamphlete in einer Mappe, die er mit der Aufschrift "Der Stumpfsinn" versah. Zum 10-jährigen Galerie-Jubiläum brachte die nationalsozialistische Zeitung Völkischer Beobachter im März 1923 eine "kunstmedizinische Betrachtung" über die von Goltz vertretene "Kunstpest", die in dem Satz gipfelte: "hier muss einmal in aller Entschiedenheit hineingehauen werden." Das Klima der einst liberalen Kunststadt war bereits nationalistisch, antisemitisch und antimodern vergiftet. Das Ende der Kunststadt war absehbar.

Zum Vertragsende mit Klee - das Bauhaus musste gerade das braune Weimar verlassen und siedelte sich in Dessau an - widmete Goltz einem seiner erfolgreichsten Künstler noch einmal eine Einzelschau: die 100. Inzwischen war Klee museumsreif und hatte Vertreter in der Neuen Welt. Er managte seine Geschäfte wieder selbst, ließ sich vor allem vom Galeristen Alfred Flechtheim fördern, organisierte sich einen Freundeskreis, ordnete seine Werke in Qualitäts- und Preisklassen für private Sammler und Museen und kaschierte seine genialische Überproduktion mit einer neuen, alphabetisch numerischen Codierung. Trotz oder wegen der zunehmend widrigen wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse wurden die schwankenden Himmelsleitern in den zwanziger Jahren zu einem Leitmotiv in Klees selbstreferenziellem Œuvre. Die Tendenz: immer höher !

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