Asterix Comics:Micky-Maus-Slapstick in europäischer Variation

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Szene aus dem neuen Asterix-Band 'Asterix in Italien". (Foto: dpa)

Albert Uderzo hat den gallischen Slapstick erfunden. Die Bildwelt seiner Asterix-Comics feiert die Égalité der Völker.

Von David Steinitz

Dass die Asterix-Geschichten im Jahr 50 vor Christus spielen, hat den großen Vorteil, dass es damals noch keine Kühlschränke gab. Ohne Kühlschrank kein frischer Fisch, und ohne Frischfisch kein Tag, an dem die Bewohner des kleinen Dorfes sich nicht zur Schlägerei am Stand von Verleihnix treffen, dessen stinkender Nichtfrischfisch ihr liebstes Abwatschmittel ist.

Wie die Gallier einander faule Karpfen ins Gesicht klatschen, vereint in einem einzigen großen Knäuel, der in fast keinem Heft fehlt, das zeigt die Meisterschaft des Zeichners Uderzo als Slapstick-Künstler. Der Witz, analysierte Freud, speist sich aus Sprachhandlungen, die echte Komik aber aus der sinnlichen Wahrnehmung des Körperlichen. Und Uderzos körperbezogene Komik, die jenseits der Sprechblasen ganz ohne Worte auskommt, das ist Comic-Perfektion in Reinform. Römer, die mit Schild, Helm und Speer in alle Himmelsrichtungen davonfliegen, Knollennasen, die sich im Streit aneinanderdrücken, Wildschweine, die mit Angstschweiß auf der Stirn vor Obelix davonrennen, sie alle überwinden mit ihrer plakativen Physis jede Sprachbarriere - der Grund, warum die Hefte auch bei Kindern so erfolgreich sind.

"Die Einflüsse kamen direkt von Disney"

Uderzo hatte sich als junger Mann im verrauchten Paris der Fünfzigerjahre fest vorgenommen, den amerikanischen Comic-Konventionen etwas entgegenzusetzen, bediente sich für seine gallische Slapstickvariante aber natürlich doch der großen US-Vorbilder. "Die Einflüsse kamen direkt von Disney", sagte er noch Jahrzehnte später respektvoll. Man sieht diese Prägung in den Landschaften, das gallische Dorf ist von einem astrein verwunschenen Disney-Märchenwald umgeben. Vor allem aber erkennt man sie in der liebevollen Demontage der Römer-, Wildschwein-, und Gallierkörper. Wenn Asterix zuschlägt, fliegt der Römer schon oben rechts aus dem Bild Richtung Himmel. Nur noch zwei Füße sind zu sehen, während in der Bildmitte sein Schwert und zwei Zähne in der Luft stehen, befreit von ihrem Träger, genauso wie die Römersandalen am Boden, durch die noch ein Luftzug zieht.

So wie Disney und sein Zeichenteam den Slapstick der Stummfilmkomödien von Buster Keaton, Charles Chaplin, Laurel und Hardy für ihre Zwecke weiterentwickelt haben, hat Uderzo den Micky-Maus-Slapstick in eine europäische Variation überführt. Ohnehin war das Genre kein rein amerikanisches Phänomen, die Brüder Lumière, Georges Méliès oder Jacques Tati hatten es längst auch im französischen Kino zur Tradition gemacht.

Aber während die Amerikaner den Slapstick eher als künstlerisch sublimierte Aggressionslust verstanden haben, steckt in Uderzos Zeichnungen auch in der wüstesten Schlägerei der Schlüssel zur Versöhnung. Weil es ihm nicht um die Befriedigung an der Erniedrigung geht, sondern um die gute alte Égalité zwischen Gallier, Römer, Wildschwein und Leser - erfahrungsgemäß bekommt jeder mal einen faulen Fisch ins Gesicht, praktisch oder metaphorisch.

© SZ vom 25.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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